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Interview mit In Extremo





Soeben ist das neue Album "Sängerkrieg" der Mittelalter-Rock-Band In Extremo erschienen. Sänger Micha "Das Letzte Einhorn" war in der Schweiz auf Promotour und hat auch bei uns vorbeigeschaut.

hitparade.ch: Wie seid ihr dazu gekommen Mittelaltermusik zu machen?
Micha: Die Hälfte von uns, wo ich auch mit dabei war, hat sowieso schon auf Mittelaltermärkten gespielt. Das war so Anfang der 90er Jahre. Ich habe zu der Zeit in einer Rock- und Blues-Band gespielt. An den Märkten habe ich die Mittelalterleute kennen gelernt und auch mit ihnen gespielt und gedacht, dass man da etwas mehr draus machen kann. Also habe ich meine alten Leute gefragt, und die waren einverstanden. So ist das Ganze eigentlich entstanden.

hitparade.ch: Ihr habt ja eigentlich eine Tellerwäscher-Karriere gemacht: Vom Mittelaltermarkt bis zu Konzerten in Mexiko. Inwiefern hat euch dies verändert?
Micha: Wie wir so zusammen gefunden haben, ist schon etwas Besonderes. Die Chemie hat von Anfang an gestimmt. Die Besetzung ist auch immer noch dieselbe, es ist quasi wie eine alte Ehe. Wir verstehen uns nach wie vor prima. Das Ganze ist langsam gereift und nicht sehr schnell entstanden, das ist natürlich auch gut. Wir haben genug Lehrgeld bezahlt und das war auch okay so. Wir haben uns auf gut Deutsch den Arsch abgespielt.

hitparade.ch: Einige eurer Pseudonyme lassen sich von den jeweiligen Namen ableiten. Warum nennst du dich "das letzte Einhorn"?
Micha: Ich nenne mich nicht so, das ist ein Spitzname, den ich vor 15 oder 16 Jahren bekommen habe. Ich habe mal T-Shirts verkauft, auf denen Klaus Kinski abgebildet war und oben drauf "das letzte Einhorn" stand. Aus diesem Grund habe ich den Spitznamen bekommen. Ich nenne mich doch nicht selber so (lacht). Gegen Spitznamen kannst du nichts machen, aber ich kann auch gut damit leben.

hitparade.ch: Was macht für euch die Faszination von Mittelalter und Mittelalterrock aus?
Micha: Was heißt hier Mittelalterrock. Wir sind eine moderne Rockband. Wir schreiben unseren Kram selber und bedienen uns mittelalterlichen Instrumenten und teilweise auch historischem Liedgut und verbinden das alles. Wir sind moderne Menschen, die auch nicht auf einem Fell schlafen. Wir sind wirklich ganz normal. Die Faszination daran ist eigentlich nur die Musik. Im Mittelalter leben wollte ich nicht. Ich glaube, da wären wir schon tot gewesen. Letztendlich werden wir aber unsere Wurzeln nicht verleugnen, selbst wenn wir eine moderne Rockband sind. Denn dieser Wurzel haben wir sehr viel zu verdanken und das wäre ein Frevel, wenn man das verleugnen würde.

hitparade.ch: Lebt ihr ausserhalb der Band im Alltag auch so mittelalterlich?
Micha: Nein, genau das meinte ich eben. Wir sind wirklich ganz normal.

hitparade.ch: In wie vielen Sprachen singt ihr eigentlich, wir haben von Keltisch, Norwegisch und Alt-Deutsch gelesen, was gibt's da noch? Wer kann diese Sprachen, kannst du die einfach?
Micha: Alt-Spanisch, Alt-Französisch, Isländisch, Alt-Provenzialisch, Latein, sowas alles. Ich lerne diese Sprachen. Also wir übersetzen teilweise unsere eigenen Stücke in diese Fremdsprachen. Wir haben auch aber traditionelle Texte aus dem Mittelalter, die wir jedoch überarbeiten. Wenn man jetzt zum Beispiel einen Text wie "Ave Maria" hat, der aus 10 oder 12 Seiten besteht. Dann übersetzt man den und packt das in drei Strophen mit Refrain ohne, dass es den Sinn verliert und dann übersetzt man es zurück. Das macht natürlich mehr Arbeit als einfach nur zwei Lieder zu schreiben, aber es macht natürlich auch unheimlich Spaß.

hitparade.ch: Ich habe gelesen, dass ihr eure Dudelsäcke selber anfertigt. Wie stellt ihr diese her?
Micha: Autodidaktisch, wir haben solange probiert, bis es funktioniert hat. Da sind einige in den Mülleimer geflogen.

hitparade.ch: Habt ihr Kontakt mit anderen Mittelalterbands wie Corvus Corax etc.?
Micha: Naja, wir spielen ja nicht mehr auf Mittelaltermärkten. Wir sind eben eine Rockband und international unterwegs. Man kennt sich da schon. Wir haben schon ewig nicht mehr auf diesen Märkten gespielt und werden das auch nicht mehr machen. Aber wir kommen daher, das sind eben unsere Wurzeln, die wir auch pflegen werden.

hitparade.ch: Am 9. Mai erscheint euer neues Album "Sängerkrieg". Inwiefern ist/war das bei euch in der Band je ein Thema?
Micha: Im 13ten Jahrhundert gab es einen Sängerkrieg auf der Wartburg bei Eisenach. Der damalige Fürst hat aus ganz Europa Minnesänger kommen lassen und die haben dann einen Wettstreit gemacht. Es ist also nicht Krieg im Sinne von Kämpfen gemeint. Das ist also die historische Geschichte dazu. Man kann aber auch die aktuellen Casting-Shows nehmen. Das ist doch Krieg, was die da machen. Das ist für mich unverantwortlich. Eigentlich auch noch irgendwie Kinderarbeit, wenn sie 16-Jährige ins Messer laufen lassen. Darauf wollten wir auch mal aufmerksam machen. Das Wort Krieg ist hier einfach ein Pseudonym. Es ist natürlich ein plakativer Name, der natürlich hängen bleibt und jeder, der diesen Namen hört, kann sich auch noch in 10 Jahren daran erinnern.

hitparade.ch: Wie verliefen die Aufnahmen?
Micha: Die verliefen wunderbar. Es war alles sehr entspannt. Aber eben auch nervig, weil man sich Nächte um die Ohren geschlagen hat. Manchmal wurde das Ganze mit einer Feierlichkeit aufgelockert. Wie das eben so ist. Wir sind aber sehr zufrieden damit und was jetzt weiter passiert, das liegt nicht mehr in unseren Händen.

Micha: Wie lange wart ihr im Studio?
Wir waren eigentlich nur zwei Wochen im Studio. Wir haben in Berlin einen eigenen Proberaum, wo wir sehr viel vorgearbeitet haben. Dort haben wir ewig rumgetüftelt, aussortiert. Wir haben insgesamt 18 Songs gemacht, 14 sind auf dem Album drauf. Was mit den restlichen 4 passiert, mal sehen.

hitparade.ch: Wie kommt ihr auf die Songtexte? Sind sie aus eurer Phantasie entsprungen oder nehmt ihr Mythen als Vorlage? Wenn man jetzt mal "Der Galgen" als Beispiel nimmt.
Micha: Oh, da muss ich erstmal überlegen, worin es in diesem Song geht. Den haben wir schon ewig nicht mehr gespielt. Da geht es doch um den falschen Freund. Solche Geschichten findet man auf der Straße. Die Menschheit ist von Neid regiert, egal wo man hinschaut. Das ist natürlich sehr schade. Aber solcher Stoff liegt wirklich auf der Straße.

hitparade.ch: Paddy Kelly, Thomas D. - um nur einige zu nennen - waren schon auf Euren Alben vertreten. Welche prominenten Gastsänger sind diesmal auf dem Album zu finden?
Micha: Bei dem "Sängerkrieg" singt Tommy Victor von Prong mit. Und auch der Gitarrist von Madonna, der hat jetzt die Tour bei Prong mitgespielt und niemand wusste, dass er auch bei Madonna spielt, das hat er dann mal so nebenbei erzählt. Ansonsten singt noch Andrea von der spanischen Band Mano de Dios mit. Wir kennen uns schon ewig. Das ist aber speziell nur für die Platte in Spanien, also nichts was in Deutschland oder der Schweiz veröffentlicht wird.

hitparade.ch: Die Tour steht unter dem Motto "Ius Primea Noctis - Das Recht der ersten Nacht". Inwiefern schlägt sich dieses Motto auf die bevorstehende Konzert- und Festivalreihe nieder?
Micha: Den Satz kennt man ja. Und es ist auch wieder ein Synonym und ist etwas witzig gedacht. Letztendlich machen wir unsere eigene Tour und werden dort das erste Mal ein paar neue Songs spielen. Die Leute, die dann da sind, hören das das erste Mal und haben das Recht der ersten Nacht. Das ist eben ein Aufhänger.

hitparade.ch: Die Locations habt ihr danach ausgewählt, wie der Anklang des Publikums in den letzten Jahren war. Wie hat die Schweiz da abgeschnitten?
Micha: Das war nur für Deutschland gedacht. Aber ich spiele sehr gerne in der Schweiz, ich liebe die Schweiz. Es ist für mich einfach ein fantastisches Land. Wir werden auch in der Schweiz spielen beim Greenfield Festival. Dann machen wir auch unsere obligatorische Dezember-Weihnachts-Tour, die es letztes Jahr nicht gab. Und da werden wir auch in der Schweiz, in Zürich, sein.

hitparade.ch: Wird es auch zusätzliche Konzerte an "neuen" Orten geben?
Micha: Das passiert ja automatisch. Wir werden auch wieder in Südamerika spielen, da werden wir sicher in anderen Sälen spielen als zuvor. Im Moment ist das alles noch Arbeit, von daher kann ich jetzt noch nicht sagen, wie die Orte dort heißen.

hitparade.ch: Für das Jahr 2008 sind auch Konzerte in Russland geplant. Wie kam es dazu und mit welchen Erwartungen fahrt ihr nach Russland?
Micha: Wir waren schon ein paar Mal in Russland. Ich kann da nicht alleine auf die Straße gehen, das ist wirklich unglaublich. Diesmal hängen wir noch was dran und spielen auch in Petersburg. Russland ist ein verrücktes Land. Total offene Leute, was da politisch passiert, muss man dann mal ausgrenzen, dafür können ja die Leute nichts. Die Leute, die zu uns kommen, feiern gern, sind fröhlich. Die gehen auch ganz anders mit der Sprache um, verlangen nicht, dass man perfekt Russisch spricht oder so. Da hat man ein gutes Feeling.

hitparade.ch: In welchen anderen (europäischen) Ländern ist eure Musik noch populär?
Micha: Frankreich, Spanien, England, dann der Ostblock eigentlich, Polen, Tschechien, die Schweiz (lacht), Dänemark, Rumänien. Wir spielen auch wieder in Rumänien. Eigentlich ist das ein ganz armes Land, Mafia ohne Ende. Die Musik verbindet aber und reißt sie irgendwie aus dem beschissenen Alltag raus. Die gehen ab, das ist unfassbar.

hitparade.ch: Beschreib' mal die spezielle Atmosphäre bei einem In Extremo-Konzert?
Micha: Das ist schwer. Wenn wir unsere Konzerte spielen, hast du wirklich alles dabei. Das geht von Heavy Metal, über Gruftie bis zur Hausfrau und zu Schnurbartträgern. Und die vertragen sich alle und machen eine riesige Party und das finde ich einfach klasse. Es gab auch noch nie in den zwölf Jahren eine Schlägerei und das sagt auch einiges. Sowas gibt es bei uns nicht. Wenn sowas sein sollte, würde ich sofort auf der Stelle das Konzert abbrechen. Es würde dann erst weitergehen, wenn die raus wären. Das bringt ja nur Unruhe.

hitparade.ch: Wo setzt ihr die Priorität? Show, Gesang, Akustik… oder ist alles gleich wichtig?
Micha: Das gehört alles zusammen. Show gehört eben auch dazu. Da gibt es keine Prioritäten. Das Gesamte ist es, was es letztendlich ausmacht.

hitparade.ch: Besteht eigentlich euer 2. Projekt "in extremo - akustisch" noch?
Micha: Wir werden sowas bestimmt noch mal machen, aber im Moment fehlt einfach die Zeit dazu. Wenn die Zeit reif ist, kommt bestimmt noch mal was. Es kann auch passieren, dass man mal eine In Extremo Akustik-Scheibe macht, warum auch nicht. Aber das ist wirklich ein ungelegtes Ei.

hitparade.ch: Gibt es schon Pläne für weitere CDs?
Micha: Nein, wir sind ja gerade erst auf Promo und die Platte kommt ja auch erst am Freitag raus. Soweit haben wir noch gar nicht gedacht. Aber solange wir Träume haben, werden wir spielen und auch CDs machen.

hitparade.ch: Kommen wir zur aktuellen Top 10 der Schweizer Hitparade. Was kennst du davon?

4. Mark Ronson feat. Amy Winehouse - Valerie
Micha: Das kenne ich. Amy Winehouse ist eine schöne durchgeknallte Tante.

2. Duffy - Mercy
Micha: So eine junge Blonde, richtig? Die kenne ich. Zum richtigen Zeitpunkt am richtigen Ort gewesen.

1. Madonna & Justin - 4 Minutes
Micha: Ist eine gute Nummer. Wenn man sich mal das Video anschaut und Madonna da in ihrem Schlüpper rum steht und wenn man dann mal das Video anhält, da kann man fast alles sehen, muss man mal drauf achten.