Interview mit 23 (Bushido und Sido)
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Es ist das musikalische Megaprojekt des Jahres 2011: Bushido und Sido, die zwei Giganten des Deutsch HipHops, haben ihr erstes gemeinsames Album "23" veröffentlicht. Wir haben die Beiden bei ihrem Besuch in Zürich zum Interview getroffen.hitparade.ch: Früher habt Ihr Euch ja nicht wirklich gerne gemocht… Was hat Euch nun zu Freunden gemacht?
Sido: Es war an der Zeit! Weisst Du, es gab eine Zeit, da blieb es nicht aus, dass wir uns gestritten haben, da wir Beide Alpha-Tiere sind und irgendwie gucken mussten, dass der Eine dem Anderen nicht das Brot vom Teller nimmt. Das hat sich aber erledigt, da wir Beide inzwischen gefestigte Persönlichkeiten sind. Es gibt also in der Hinsicht keinen Grund mehr, uns zu streiten. Also haben wir den sinnlosen Streit beigelegt.
hitparade.ch: Respekt voreinander hattet Ihr doch trotzdem irgendwie, oder? Musikalisch meine ich…
Sido: Das muss man ja auch alles respektieren, was wir musikalisch erreicht haben.
Bushido: Nach aussen hat man natürlich immer einen auf "Das ist ein Idiot" gemacht, aber wenn man unter sich war und die Karriere des Anderen verfolgt hat und sich den Sound angehört hat, war natürlich immer Respekt da. Man kannte sich ja auch! Ich wusste immer, was er für ein Typ ist, und andersherum auch. Respekt war immer da, aber ich wäre niemals in die Öffentlichkeit gegangen und hätte gesagt: "Ich hab total viel Respekt davor, was Sido macht." Ging ja nicht.
hitparade.ch: Und dann gab es eine tränenreiche Versöhnung?
Bushido: Das war keine grosse Sache. Wir haben gesagt: "Scheiss drauf!" (lacht). Danach haben wir kein Wort mehr darüber verloren. Wir wussten nicht einmal mehr, weswegen wir uns überhaupt genau so sehr gezofft hatten. Wir haben uns gegenseitig einfach ein paar Geschichten erzählt und Fragen gestellt, das war's dann auch.
hitparade.ch: Wie kam es denn zu der Idee, gemeinsam ein Album zu machen?
Sido: Das war eigentlich eine logische Schlussfolgerung.
Bushido: Ich war eigentlich überrascht. Ich hätte nie gedacht, dass Sido zu so etwas bereit wäre. Ich hab' direkt nach unserer Aussprache - oder "Versöhnung", wie das Alle so schön nennen, gefragt, ob er sich vorstellen könnte, gemeinsam einen Song aufzunehmen. Ich war damals gerade an der Produktion meines neuen Albums. Er sagte dann "Ja" und wir haben nochmals zwei oder drei Nächte darüber geschlafen. Das Blöde daran war, dass wir natürlich jeweils gerne den Anderen für unsere eigene Arbeit nutzen wollten. Das heisst, ich hätte gerne ein Featuring mit Sido auf meinem Album gehabt, er aber lieber ein Featuring mit mir auf seiner Platte. Einer hätte also sowieso profitiert. Also haben wir uns entschlossen, den Kuchen direkt zu teilen. Es war Sidos Vorschlag und ich hatte da auch Bock darauf. Wir haben dann mit den Plattenfirmen darüber verhandelt und dann hat Sony zugeschlagen und ein Album mit uns gemacht.
hitparade.ch: Könnt Ihr ein bisschen beschreiben, worum es in den Songs geht? Geht es um die Versöhnung?
Bushido: Jein, es ist gemischt. Wir haben versucht, diese Versöhnungs-Kiste so wenig wie möglich zu thematisieren.
Sido: Die Versöhnungsgeschichte ist mit dem ersten Song abgehakt.
Bushido: Ja, damit war das gegessen. Wir wollten nicht einen auf "Hey Sido, schön, dass Du wieder da bist!" machen, sondern lieber auf "Jo, alles gut, wir sind erwachsen!" Mit Respekt, nicht mit Arschkriecherei. Dann gibt's auch wieder die typischen Aufreger-Songs, bei denen die Leute sagen werden: "Oh nein, die haben wieder nichts dazugelernt, wie können die nur!". Und bei sehr vielen Songs werden die Leute sagen: "Die sind weich und alt geworden", weil wir da mal nicht über Drogen und Analverkehr rappen, sondern Geschichten über's Leben erzählen. Wir haben auch einen Song mit Peter Maffay aufgenommen über's Erwachsen sein. Wir haben auch einen Song über Kinder, die nicht so tolle Eltern haben. Einen Song haben wir geschrieben über ein Mädchen, das ermordet wird und einen Jungen, der als Stricher endet. Dann haben wir auch einen Song, in dem wir beten und zu Gott sprechen. In einem Song sprechen wir auch davon, dass unser Leben als Berühmtheit auch sehr anstrengend sein kann. Wir haben schon sehr viele Themen behandelt. Bei anderen Leuten würde es heissen: "Wow, was für ein breites Spektrum!" Bei uns heisst es dann wieder: "Guck mal, die pinkeln jetzt auch im Sitzen und sind lieb geworden!"
hitparade.ch: Das Album heisst "23". Man hört ja viele Theorien, wieso es so heisst. Einerseits spricht man davon, dass, wenn man Eure veröffentlichten Alben zusammenzählt, dies nun das 23. ist. Aber man hört auch von Illuminati-Geschichtchen…
Sido: Ja, das hat sich ein bisschen selbstständig gemacht.
Bushido: Ich hatte 13 Alben und er 9. Zusammen sind das 22. Dies ist nun das 23ste. Das ist alles. Experten würden vielleicht noch das eine oder andere Album finden, aber wir haben nur die Alben genommen, die wirklich wir selbst herausgebracht haben als Solo-Künstler. Wir hatten sehr lange über den Titel nachgedacht, wie wollen wir uns nennen und Blabla… Das ist ziemlich anstrengend, uns da gerecht zu werden. Also haben wir die Zahl genommen, ganz neutral.
hitparade.ch: Wer von Euch ist der Boss bei dieser Zusammenarbeit?
Sido: Wir sind ins Studio gegangen, Einer von uns hatte eine Idee und derjenige war dann automatisch der Boss des jeweiligen Songs. Der Andere hat sich dann da einfach noch eingebracht.
hitparade.ch: Beim Song "Erwachsen sein" ist auch Peter Maffay zu hören. Wie kamt ihr auf die Idee, ihn für den Song zu engagieren?
Bushido: Ursprünglich war der Song ohne ihn geplant. Wir wollten einfach nur wegen der Songrechte anfragen, um den zu covern. Wir haben dann schon im Vorfeld sehr viel positives Feedback bekommen, was nicht selbstverständlich ist, denn viele Menschen reagieren im ersten Moment negativ auf uns. Dann ging es darum, wer den Gesangspart übernimmt. Wir hatten schon einige Ideen und auch viele Demos, die wir zugeschickt bekommen hatten. Aber da war irgendwie nicht das Passende dabei. Dann habe ich Sido gefragt, ob er etwas dagegen hätte, wenn ich Peter Maffay himself frage, und er fand die Idee gut. Also habe ich ihn gefragt und er hat sofort "Ja" gesagt. Das war eine der schöneren Kollaborationen. Der Typ ist einfach eine Nummer. Auch ein ganz anderer Jahrgang als wir. Und für uns war das sehr spannend und erfrischend, mit Jemandem zusammenzuarbeiten, der nichts mit Rap zu tun hat. Ich finde eine solche Arbeit mit Peter Maffay cooler, als irgendeine Strophe von 50 Cent per E-Mail zugeschickt zu bekommen. Wir haben ja Beide auch schon in Amerika Musik gemacht und sind dort mit Künstlern im Studio gewesen, aber das mit Peter Maffay war schon besonders toll.
hitparade.ch: Was zeichnet für Euch guten HipHop aus?
Bushido: Das ist sehr schwierig zu beantworten. Wenn ich's höre und es mich anspricht, dann ist gut. Egal aus welcher Sparte. Ich höre schon seit 1994 HipHop, also seit dem ich 15 oder 16 bin. Ich hab jede Richtung gehört. Von Westcoast über Eastcoast, Eminem, 50 Cent, einfach alles. Ich hab da keine genaue Linie.
Sido: ich finde den Beat sehr wichtig. Dieses ganze neumodische Zeug, das nach Techno klingt, das mag ich nicht so. Es muss warme Bässe haben, das Schlagzeug muss das lauteste Instrument sein und der Text muss mich ansprechen. Nicht so 0815-Scheisse.
hitparade.ch: Bushido, Du hast einen Bambi in der Kategorie "Integration" erhalten. Was sagst Du über die Reaktion von Peter Plate und Heino?
Bushido: Ganz ehrlich, als Rap-Künstler hat mich das nicht beeindruckt. Es hat mich auch nicht berührt. Es hat mich natürlich irgendwann schon genervt, da ich der Gesellschaft so viel Respekt gebe, dass die Leute auch sagen können, wenn ihnen etwas nicht gefällt an meinen Songs oder den Texten. Aber wenn diese Menschen den Respekt dann ausnutzen und Dir das Gefühl geben, dass Du Dich jetzt für Sachen entschuldigen musst, die Du nie so gesagt und gemeint hast, nur weil sie's so interpretieren, und dann von Dir verlangen, dass Du zu Kreuze kriechst, dann reagiere ich schon genervt. Es war also nervig, aber es hat mich nicht beeindruckt. Ich habe ganz andere Dinge, die mich verändert haben. Aber mich berührt Keiner, der mir sagt, ich sei ein böser Junge.
hitparade.ch: Hast Du es nicht auch ein wenig darauf angelegt, mit Deinen Lyrics zu provozieren? Hörst Du denn nicht oft Kritik deswegen?
Bushido: Nein! Und ich habe schon jahrelang keine Kritik mehr wegen meiner Texte gehört. Das kam alles erst jetzt wieder zum Zug aufgrund dieser Verleihung. Das hat mich schon sehr verwundert. Für mich war die Sache eigentlich längst gegessen.
hitparade.ch: Wie ist das bei Euch privat? Unterscheidet Ihr zwischen Sido & Bushido und Paul Würdig & Anis Mohamed Youssef Ferchichi? Seid Ihr privat anders drauf als in den Medien?
Sido: Also in der Öffentlichkeit finde ich es sehr komisch, wenn mich Jemand mit Paul anspricht. Die Leute wissen zwar, dass ich so heisse, aber ich finde es komisch, wenn mich ein Fremder bei meinem privaten Namen nennt. Wenn mich Jemand nur als Sido kennt, dann muss der mich nicht Paul nennen. Für meine Musik mache ich da aber keinen Unterschied. Meine Songs sind immer sehr persönlich. Also, wenn Sido etwas sagt, dann würde das auch Paul so sagen. In der Öffentlichkeit möchte ich das aber schon getrennt wissen. Sido ist der, den Ihr kennen dürft, der, mit dem Ihr reden dürft, aber nicht mit Paul. Paul ist eine Privatperson, der mit seinem Sohn vielleicht mal beim Chinesen sitzt und seine Ruhe haben möchte. Musikalisch und künstlerisch gibt's da aber keinen Unterschied.
Bushido: Ich find's auch nervig, wenn Leute in der Öffentlichkeit "Hey Anis" rufen, nur weil sie mich in der Bravo gesehen haben. Da reagiere ich extrem agressiv darauf. Das ist eine Form von Intimsphäre, die nicht überschritten werden darf. Ich habe Dir meinen Namen nicht gesagt, Du weisst, dass ich Bushido bin und dass er Sido ist, und nur weil Du irgendwo gelesen hast, dass er Paul heisst und ich Anis heisse, hast Du kein Recht, mich so zu nennen. Schon gar nicht über die Strasse rufen, wenn ich unterwegs bin. Meine Freunde dürfen das, klar, aber fremde Menschen nicht.
Sido: Ich ärgere mich über den Vorteil, den die dann haben. Die kennen mich, die wissen alles von mir. Ich habe mich so nackt gemacht auf meinen Platten. Das dann so auszunutzen und mich bei meinem echten Namen zu nennen, das geht nicht. Ich weiss nicht, wie die Leute heissen, und die kennen meinen privaten Namen.
hitparade.ch: Sido, Du wirst in einer Dokusoap Nachwuchsrapper ausbilden. Wie wird das ablaufen und was wirst Du den jungen Künstlern mit auf den Weg geben?
Sido: In erster Linie ist das ein soziales Projekt. Ich helfe da sozial schwachen Jugendlichen, also Jugendlichen ohne Perspektive, auf die Beine und gründe mit denen eine Band. Das Hauptaugenmerk liegt dabei natürlich darauf, dass ich den Leuten aus der Scheisse helfe. Es geht nicht in erster Linie darum, dass das die krassesten Rapper sind. Die Mischung aus Beidem findet man einfach selten. Wir haben zwar einige solcher Exemplare, aber viele habe ich auch mitgenommen, weil ich deren Umstände so schlimm fand, dass ich die da nicht zurücklassen konnte. Die haben mir dann etwas vorgerappt und waren halt nicht sooo der Knaller, aber ich habe sie mitgenommen, um ihnen wenigstens eine Chance zu geben. Vielleicht schaffen sie's ja, vielleicht nicht. Das wird die Zeit zeigen. Ich habe denen versprochen, dass ich mich auch weiterhin um die, die es nicht in die Band schaffen, kümmern werde. Vielleicht kann ich versuchen, denen einen Job zu besorgen oder sonst vielleicht finde ich sonst irgendwie eine Möglichkeit, denen zu helfen, aus diesem Umfeld herauszukommen.
hitparade.ch: Ihr habt offenbar Beide irgendeinen Bezug zu der Schweizerin Stefanie Heinzmann, sie hat ein Tattoo mit Sidos Handschrift am Arm und Bushido, Du hast sie bei der Echo-Verleihung verteidigt, als sie ausgepfiffen worden ist. Ist da irgendeine Freundschaft?
Bushido: Ich hatte immer für sie gevotet. Aber sie hat mir dann nicht einmal "Hallo" gesagt, als wir uns begegnet sind. Das fand ich dann schon doof, denn ich fand sie von Anfang an cool. Ich habe SMS für sie geschickt damals bei Stefan Raab, ich habe sie gegrüsst und alles, und es kam halt nie etwas zurück. Aber ist okay.
hitparade.ch: Wird es noch mehr Musik geben von der Formation "23"? Werdet Ihr nun mit diesem Album herumtouren? Oder war das alles eine einmalige Sache?
Sido: Es ist nichts ausgeschlossen. Aber nichts geplant.
Interview durchgeführt: Bettina Siegwart
Redaktion: Bettina Siegwart