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Interview mit A Fine Frenzy



Mit "Almost Lover" ist A Fine Frenzy bei uns 41 Wochen in den Charts gewesen, nun ist das neue Album "Bomb In A Birdcage" erhältlich. Wir haben Alison Sudol zum Interview getroffen.

hitparade.ch: "A fine frenzy", diese Worte stammen aus einem Vers von William Shakespeares "Ein Mittsommernachtstraum". Warum hast Du dies als Dein Pseudonym gewählt?
Alison: Im Grunde genommen geht's in diesem Sonett über den Irren, den Liebhaber und den Dichter. Sie sind sich alle ähnlich in ihrer Verrücktheit. Der Irre ist wahnsinnig, der Liebhaber ist verrückt vor Liebe und der Dichter ist verrückt vor Inspiration. "A fine frenzy" ist ein Satz vom Dichter. Es geht im Wesentlichen um Inspiration.

hitparade.ch: Ist es Dein Name oder der Name der Band? In Wikipedia heisst es, dass es Dein Name ist, und laut Deiner Biographie ist es der Name der Band.
Alison: Es unklar. Es ist der Name der Musik. Die Band besteht immer aus den gleichen Leuten. Wir bleiben zusammen und sind wie eine Familie. Jeder ist sehr wichtig für das Projekt. Es ist als ob alle ganz auf mich fokussiert sind - ganz seltsam. Ich mache die Sache ja nicht alleine.

hitparade.ch: Du bist hier in der Schweiz, Deutschland und Österreich recht bekannt geworden mit "Almost Lover", einem Song, der sanft und zerbrechlich klingt. Auf Deinem neuen Album hingegen klingen die Songs roher, direkter und härter. Ist das eine absichtliche Veränderung oder Erweiterung Deines Stils?
Alison: Ja, auf jeden Fall. Ich glaube, wenn ich Musik mache - und das wird den meisten so gehen, die Musik machen - widerspiegelt das die momentane Gemütsverfassung. Als ich "Almost Lover" und das ganze "One Cell In The Sea" schrieb, war ich so traurig und zerbrechlich und die ganze Zeit recht durcheinander. Und so hatte die Musik diese Stimmung in sich. Ich hatte mich irgendwie in einer anderen Welt versteckt, um Anderes zu meiden. Jetzt fühle ich mich sicherer und entspannter. Ich werde einfach älter und sehe die Welt. Ich treffe mich mit Leuten und mache Tourneen. Alles Dinge, die einen schneller erwachsen werden lassen. Und ich nehme Dinge - nicht weniger ernst, sondern - weniger zu Herzen und fühle mich explosiver und habe weniger das Gefühl, mich für Dinge zu rechtfertigen. Ich fühle mich bestimmter und stärker. Aber immer noch durcheinander [lacht].

hitparade.ch: Wie war das Feedback Deines Publikums oder Deiner Fans auf Deinen neuen Stil?
Alison: Ich glaube, zuerst waren sie ein bisschen schockiert, weil er so anders ist. Es ist wirklich etwas ganz anderes. Aber dann hören sie es an und kommen rein, und dann freunden sie sich damit an, weil es immer noch ich bin, obwohl es anders klingen mag. Ich versuche immer noch Texte zu schreiben, die ehrlich sind, und nicht über nichtssagende Dinge. Und ich versuche verbunden zu sein mit Emotionen. Ich glaube, die Leute kommen wirklich rein. Das ist mir während unseren Shows aufgefallen. Wir haben ein paar Shows gemacht, wir kamen raus und spielten "Electric Twist" und ein paar andere Songs auf diesem Album, und die Leute waren schockiert. Aber dann, am Ende der Show bekommen wir stehenden Applaus, was wirklich schön ist.

hitparade.ch: Was sind die wichtigsten Themen auf Deinem neuen Album?
Alison: Dieses Album hat viel mehr Verantwortung drin. Es geht weniger um Dinge, die mir passieren, sondern mehr um das Bewusstsein, an der Welt teilzunehmen. Und dann, Begebenheiten. Und es sind viele Naturthemen, wie zum Beispiel viele Vögel. Viele Vögel! Es sind viele Elemente, viel Anderes. Es ist schwierig, das zusammenzufassen.

hitparade.ch: Wenn man sich an Clichés hält, mögen Frauen ruhigere Musik und Männer härtere. Hast Du demzufolge mehr weibliche Fans, oder wie sieht das aus?
Alison: Ich denke, es ist etwa sechzig zu vierzig. Es ist nicht so unausgeglichen. Es sind viele Jungs. Und die Jungs bringen ihre Freundinnen mit.

hitparade.ch: Welche Bedeutung, glaubst Du, hat die äussere Erscheinung einer Person auf den Erfolg ihrer Musik?
Alison: Oh, das ist eine knifflige Frage. Ich glaube, sie ist wichtig. Es hängt von der Art der Musik ab, die man macht und was man anstrebt. Ich meine, Popmusik - also reine Pop-Musik - ist sehr verschieden von dem, was wir machen. Die Verantwortung in Bezug auf die Erscheinung liegt darin, eine Erscheinung zu haben, die mit dem übereinstimmt, was man zu machen versucht. Es geht nicht darum, ob man toll aussieht oder nicht toll aussieht, sondern um die Art, sich selbst zu präsentieren. Sie soll einzigartig sein, der eigene persönliche Stempel, einfach ein weiterer Ausdruck der Kreativität. Aber das Musikgeschäft ist... ja, es ist hart. Es kann brutal sein. Wenn man ein toller Musiker ist und tolle Dinge macht, dann sollte das [die äussere Erscheinung] nicht wirklich eine Rolle spielen.

hitparade.ch: Wenn man Deine Platzierungen in den europäischen Hitparaden anschaut, dann sieht man Dich nur in den Charts von Deutschland, Österreich und der Schweiz. Macht Ihr nur hier Promotion und nicht auch in anderen Ländern Europas?
Alison: Haben wir nicht gemacht. Ja, ja ich weiss. Wir kommen wahrscheinlich zurück und machen mehr, aber wir gehen schrittweise vor. Wir gehen jedes Mal an unterschiedliche Orte, wenn wir rausgehen.

hitparade.ch: Und warum hast Du die deutschsprachigen Länder gewählt?
Alison: Die Resonanz, die wir auf "Almost Lover" bekommen haben, war phänomenal, so warm und einladend - total unerwartet. Diese Länder sind toll, um hinzugehen, schön und cool und so viel Geschichte und so viel Kultur, wirklich faszinierend. Wir sind den Leuten wirklich dankbar für die Anerkennung.

hitparade.ch: Es gibt viele Stars, die ihre Fans an ihrem Privatleben teilhaben lassen, via Twitter und anderes. Wie denkst Du darüber?
Alison: Ich habe eine ziemlich grosse Twitter-Seite. Irgendwie… Ich weiss nicht wie, aber es ist toll, weil man damit als Person eine echte Beziehung zu seinen Fans haben kann. Aber ich glaube, es ist auch wichtig, gewisse Dinge für sich selbst zu behalten. Ich spreche beispielsweise nicht sehr gerne über den kreativen Prozess, und ich spreche nicht über mein Liebesleben und Freunde oder spezifische Dinge, weil dann nichts mehr übrig bleibt, um darüber zu schreiben oder Musik zu machen.

hitparade.ch: Hast Du auch negative Seiten an Deinem Erfolg erlebt?
Alison: Ähm… Nein! Er hat dazu geführt, dass ich mich auf Dinge konzentriere, die mir wichtig sind, und dass ich mir grosse Mühe gebe, diese zu pflegen. In spiritueller, persönlicher und kreativer Hinsicht hat mich das sehr sicher gemacht in Bezug auf was ich tue. Und ich finde das wirklich grossartig. Ich habe weniger Schlaf bekommen. Aber das ist so ziemlich das einzige. Ich habe das Gefühl, dass ich permanent jet-lagged bin. Aber ansonsten… Nein. Ich muss machen was ich liebe, nicht? Ihr macht das ja auch.

htparade.ch: Du hast vorher gerade gesagt, dass Du nicht gerne über den kreativen Prozess sprichst. Eigentlich wollten wir Dich auch darüber noch fragen. Darüber und über Song Writing und die Arbeit im Studio. Falls Dir eine Frage unbehaglich ist oder wenn Du nicht darauf antworten möchtest, dann überspringen wir sie einfach.
Alison: In Ordnung. Es ging mir mehr um momentane, wirklich spezifische Dinge, wie etwa darüber, was ich gerade für einen Song am schreiben bin. Es macht mir nichts aus, über den kreativen Prozess im Allgemeinen zu sprechen.

hitparade.ch: Gut, fangen wir mit den ersten Schritten im Prozess an. Wie fängst Du an, einen Song zu machen? Ist es eine Geschichte, die Du erzählen willst, oder eine Melodie, die Dir in den Sinn kommt, oder sitzt Du am Klavier und experimentierst mit ein paar Akkorden? Wie können wir uns den allerersten Anfang von "A Fine Frenzy"-Songs vorstellen?
Alison: Ich weiss nie, worüber ich schreiben werde, bis zu dem Moment, wo ich am schreiben bin. Es ist irgendwie seltsam, weil ich immer denke, ich müsste wissen, worüber ich schreibe. Aber ich weiss es nicht. Ich setze mich einfach hin und spiele das Instrument, das ich gerade habe, fange an, Akkorde zu spielen und dann kommen die Dinge einfach raus. Ich weiss nicht genau… Die Melodie bestimmt den Text und der Text bestimmt die Melodie, die beiden sind einfach total miteinander verbunden. Ich kann nicht wirklich sagen, was geschieht. Das ist irgendwie eine magische Angelegenheit, die echt schwer zu beschreiben ist. Es geschieht einfach.

hitparade.ch: Und danach - wie weit entwickelst Du einen Song, bevor Du ihn ins Studio mitnimmst? Hörst Du auf, wenn Du den Text, die Melodie und die grundlegende Klavier- oder Gitarrenbegleitung hast? Oder gehst Du weiter, arbeitest am Arrangement oder vielleicht sogar an Sounds? Wo hörst Du auf?
Alison: Normalerweise habe ich dieses Gerüst, das Du erwähnt hast: eine Melodie, Text und ein einfaches Klavier- oder Gitarren-Arrangement. Aber das ist meist nicht sehr spezifisch, sondern recht offen. Und… eine Vorstellung davon, wohin der Song gehen soll. Der Rest ist dann genauso ein Abenteuer wie es das Schreiben des Songs ist. Man weiss nie genau, wie es herauskommen wird. Aber ich weiss, welche Stimmung ich erreichen will, auf was für eine Reise der Song den Zuhörer mitnehmen soll. Und der Rest geschieht dann auf dem Weg dazu. Manchmal habe ich eine ganz klare Vorstellung im Kopf, wie der Song klingen soll - und dann gehen wir ins Studio und es kommt etwas ganz anderes heraus, das ich noch mehr mag.

hitparade.ch: Wenn Du dann Deinen Produzenten einbeziehst, was gibt er zu Deiner Musik dazu? Was sind für Dich die wertvollsten Dinge, die er beisteuert?
Alison: Das ist eine gute Frage. Lucas [Lucas Burton] ist ein ganz herausragender Arrangeur und er kommt mit vielen ganz interessanten Parts hervor. Und er fordert Leute heraus, etwas ausserhalb ihrer Komfortzone zu machen. Und manchmal ist es fast so, dass er einfach sehr gut darin ist, für mich zu übersetzen, wenn ich frustrierte werde und etwa sage "Wooaah, es muss trauriger sein". Er ist der Kommunikator, der einen Sinn reinbringt. Es kommt drauf an. Ich denke, wenn man mit unterschiedlichen Leuten zusammenarbeitet, dann funktioniert das auch unterschiedlich. Das ist nun einfach unsere Beziehung. Aber er hast so viel eingebracht, so viel zur Musik beigesteuert.

hitparade.ch: In den Credits Deines ersten Albums erwähnst Du Deine Produzenten - Lucas Burton und Hal Cragin - und Dich als die "drei Musketiere". Das klingt nach einem ganz speziellen Team. Was hat Eure Zusammenarbeit so aussergewöhnlich gemacht?
Alison: Wir haben währen einer ganz langen Zeit zusammen gearbeitet. Und sie - speziell Lucas - haben mich wirklich gesehen und mich verstanden, wenn niemand anders mich verstanden hat. Wir haben ganz früh eine Sprache entwickelt und ein Verständnis und einen gegenseitigen Respekt. Und auch ein gemeinsames Ziel in Bezug auf Musikmachen. Wir haben nicht versucht, andere Dinge zu rezyklieren, wir wollten versuchen, etwas anderes zu machen, auch wenn es total schief lief [lacht]. Zumindest haben wir es zusammen versucht. Und ich denke, diese Art Sprache und diese Chemie… die ist schwer zu finden. Ich glaube, das war es, was es so magisch gemacht hat. Und ich habe es einfach auch genossen, in ihrer Gesellschaft zu sein. Sie sind lustige Leute. Lustige Leute, um mit ihnen zwölf Stunden aufs Mal in einem Raum eingesperrt zu sein.

hitparade.ch: Auf Deinem neuen Album hast Du wieder mit Lucas Burton zusammengearbeitet, diesmal war er Dein einziger Produzent. Inwiefern war die Zusammenarbeit mit ihm nun anders als zur "Musketiere"-Zeit?
Alison: Ich bin zwei Jahre älter und etwas weniger naiv, aber stärker. Wir wussten genau, was wir diesmal machen wollten, und wir haben uns zusammengesetzt und Dinge diskutiert. Es war diesmal sehr viel entspannter und konzentrierter. Und wir teilten dieselbe Absicht, mehr Raum in der Musik zu schaffen. Das war eine grosse Sache für uns beide, nicht einfach - weil es Spass macht - so viele Instrumente wie nur irgend möglich auf jeden Track zu bringen. Wir wollten den Dingen wirklich ermöglichen zu atmen. Also, es gab einfach viele Diskussionen, aber es hat sich viel zentrierter und erwachsen angefühlt.

hitparade.ch: Was das Endprodukt davon betrifft, Dein neues Album - was magst Du persönlich am meisten auf "Bomb In A Birdcage"?
Alison: Ich glaube, über alles gesehen, gefällt mir, dass ich aus meiner Komfortzone hinausgetreten bin. Es gab viele Dinge, in denen ich persönlich nicht so sicher war, aber in denen ich Stärke gefunden habe, wo etwa bei "Stood Up" oder "Electric Twist". Das sind keine Songs wie ich sie gewöhnt bin zu machen. Ich liebe die so sehr, weil sie ein Teil von mir sind, zu dem ich vorher kein Zugang hatte. Und ich mag einfach, dass wir Neues ausprobiert haben. Ich bin stolz darauf.

hitparade.ch: Auf Deinem Album "On Cell In The Sea" hast Du viele Songs, die eine magische Atmosphäre haben. Ich denke da zum Beispiel an "Whisper". Verrätst Du uns Deine Zutaten, um solche Atmosphären zu erschaffen?
Alison: Ich weiss nicht. Ich könnte das gar nicht sagen, weil ich es nicht weiss. Wie kommt es, dass sich eine Person in eine andere Person verliebt, und im gleichen Moment verliebt sich die andere Person in jene? Wie geschieht das? Weisst Du wie ich meine? Es gibt so viele Menschen und so viele Variablen. Wie kommt diese Magie zu Stande? Das ist genau so mysteriös. Du triffst vielleicht jemanden, der in jeder Hinsicht toll ist, und trotzdem fühlst Du es nicht. Und mit einem Song ist es dasselbe. Da mag jeder Teil vorhanden sein, alles ist da, und es klingt einfach schrecklich und langweilig. Ich habe keinen Schimmer. Es ist einfach… Aufrichtigkeit, schätze ich, ist das einzige, was ich wirklich dazu sagen kann. Es geht darum zu versuchen, dass einfach alles der Stimmung dient.

hitparade.ch: Diese Atmosphäre ist also nicht etwas, was Du bewusst steuerst, sondern etwas, das im Prozess einfach geschieht? Etwas, das sich entwickelt?
Alison: Ja. Ja, du kannst das nicht kreieren. Sonst wäre das wie zu sagen: "Ok, jetzt haben wir Spass. Genau jetzt. Wir haben Spass. In diesem Moment". Das ist "ohh… ahh…", und auf einmal ist nichts lustig, alles ist peinlich und seltsam. Man muss sich einfach mit grossartigen Leuten umgeben, die die Musik wirklich spüren, und dann aufs Beste hoffen, sein Bestes geben.