"Ich glaube, dass da noch jemand ist"-Interview mit Adel Tawil
Adel Tawil - So schön anders
1. So schön anders
2. Ist da jemand
3. Ich bin wie ich bin
4. Adel Tawil feat.Youssou N'Dour & Mohamed Mounir - Eine Welt eine Heimat
5. Worte
6. Adel Tawil feat. KC Rebell & Summer Cem - Bis hier und noch weiter
7. Mein Leben ohne mich
8. Gott steh mir bei
9. Endgegner
10. Nur Liebe mitgebracht
11. Adel Tawil feat. MoTrip - Polarlichter
12. Bei dir
13. Erinnern
14. Sensation
mehr Infos
Get the Flash Player to see this player.
Adel Tawil gewährt uns mit seinem neuen Album "So schön anders" einen Einblick in sein Innerstes. "Die Songs lassen viel Raum für Interpretation. Aber es steckt sehr viel von mir drin", sagt er. hitparade.ch hat mit dem deutschen Musiker gesprochen.hitparade.ch: Kürzlich ist Dein neues Album erschienen. Wie waren die ersten Feedbacks von Fans und Freunden?
Adel Tawil: Von Freunden und Fans waren sie bisher durchwegs positiv. Es gibt Freunde, die interessieren sich gar nicht so dafür. Mein guter Freund Sergio beispielsweise, der hört generell nicht so viel Musik. Auch meine Musik interessiert ihn nicht. Das kann aber auch ganz angenehm sein. Andere sagten, man spüre, was ich alles erlebt habe. Es schmeichelt mir zwar, doch es ist schwierig für mich, mit solchen Feedbacks umzugehen.
hitparade.ch: Du gibst in Deinen Songs viel von Dir preis. Dazu kommt, dass Du auf Deutsch singst, was den Zugang zu den Texten noch verstärkt. Fällt es Dir wirklich leicht, oder würdest Du Dich doch gerne auch mal hinter der Schutzmauer einer anderen Sprache verstecken?
Adel Tawil: Angefangen habe ich ja auf Englisch. Das kann ich nicht mehr. Denn erst, als ich mit deutschen Texten angefangen habe, habe ich gemerkt, dass ich mir nun endlich auch selber glaube. Durch die deutsche Sprache kann ich viel mehr Gefühl hineingeben. Auf Englisch macht man gerne so pseudomässiges Zeug wie "Yeah" oder "Mmh", um Gefühl hineinzupacken. Auf Deutsch gelingt mir das, ohne viel zu machen. Weil es meine Worte sind, die direkt aus dem Herzen kommen. Die deutsche Sprache ist eine präzise Sprache, die ich sehr liebe. Auch der Interpretationsspielraum ist gross. Ich drücke mich so aus, dass sich auch andere Menschen mit anderen Geschichten damit identifizieren können. Es geht um den Moment und das Gefühl.
hitparade.ch: Dein Song "Ist da jemand" wird zurzeit rauf- und runtergespielt. Fragst Du Dich denn zurzeit wirklich, ob es jemanden gibt?
Adel Tawil: Ich habe mich das oft im Leben gefragt. Auch nach meiner grossen Trennung. Normalerwiese hätte das niemand mitbekommen, denn ich versuche immer, mein Privatleben zu schützen. Doch das gab grossen Alarm. Deswegen bin ich jetzt noch vorsichtiger geworden als vorher. Ich glaube aber, jeder kennt das. Wenn man jemanden findet, bei dem man denkt: "Das passt. Meine Suche ist beendet. Mit diesem Menschen möchte ich mein Leben teilen." Dann entspannst du dich. Und wenn du diese Frau fragst, ob sie dich heiraten möchte, und es kommt ein "Ja", dann ist doch alles perfekt. Dann machst Du nur noch die Häckchen hinter "Haus", "Garten", "Kinder", und so weiter. Wenn das dann auf einmal zusammenfällt, dann stehst du wieder da. Und ja, dann fragst du dich, ob es noch eine grosse Liebe gibt.
hitparade.ch: Glaubst Du, es gibt mehrere?
Adel Tawil: Ich hatte bisher drei grosse Lieben. So richtig grosse Frauen in meinem Leben, die ich immer noch im Herzen trage. Daher denke ich, es ist möglich und es wird weitergehen. Es wäre schade, wenn nicht. Das ist der Hoffnungsschimmer, der aus diesem Song spricht. Wozu weitermachen, wenn man keine Hoffnung mehr hat?
hitparade.ch: Das heisst, die Liebe ist der Sinn des Lebens?
Adel Tawil: Ja, ich glaube schon. Das sagt sicher nicht jeder. Aber ich rede mit vielen Menschen darüber. Klar ist, man muss sich selbst glücklich machen. Für mich wäre eine Familie das Ziel. Wenn ich mir vorstelle, dass ich als einsamer, griesgrämiger, alter Mann enden würde, der aus seinem Küchenfenster die kleinen Kinder anschreit… das ist nicht das Wahre. So will ich nicht sterben.
hitparade.ch: Du hast vorhin gesagt, dass Du Dein Privatleben schützt. Nun bin ich der Meinung, dass, wenn man wirklich Privates über einen Musiker erfahren möchte, man sich nur seine Musik anzuhören braucht. Die ist doch viel privater als jedes Interview.
Adel Tawil: Oft, ja. Aber da ist die künstlerische Freiheit noch mit drin. So gibt es Songs, bei denen am Ende doch nur der Künstler weiss, worum es geht. Man selbst bestimmt, wie weit man eine Tür öffnet. Aber Du hast schon recht. Mit dem Song "Mein Leben ohne mich" habe ich gehadert. Ich versuche immer, den Interpretationsspielraum möglichst gross zu gestalten. Bei diesem Song wird wohl jeder denken: "Den hat er natürlich für seine Ex-Frau geschrieben." Doch dazu muss ich etwas sagen. Bei mir ist jedes "Du" auch ein "Ich". Das heisst, dass, wenn ich jemandem in einem Song einen Fehler vorwerfe, ich dann vielleicht die Perspektive gewechselt habe und zu mir selbst spreche. Das gilt für alle Songs.
hitparade.ch: Also ist es ein wichtiger Song für Dich…
Adel Tawil: Wenn eine Beziehung kaputt geht, gibt es verschiedene Phasen. So ist nebst der Trauerphase auch die Wutphase normal. Das schmerzt. Aber man möchte nicht, dass die andere Person das mitbekommt. Man zeigt ja in solchen Momenten nicht gerne Schwäche. Zu der Zeit, als ich den Song schrieb, hatte ich dieses Gefühl. Und das spürt mein Publikum. Auch wenn ich heute andere Worte dafür finden würde - der Song musste aufs Album.
hitparade.ch: Viele Künstler sagen, dass, wenn man sich schlecht fühlt, bessere Songs entstehen als wenn man himmelhochjauchzend über Blumenfelder hüpft. Wie siehst Du das?
Adel Tawil: Wenn ich andauernd glücklich wäre, würden dennoch viele Songs entstehen. Ich glaube, es kommt nicht darauf an, ob man glücklich oder traurig ist, sondern dass man viel erlebt. Das Leben muss intensiv sein. Wenn du nur stur vor dem Fernseher sitzt den ganzen Tag oder Handyspiele spielst, dann kommt keine Inspiration. Und wenn Dinge so passieren, wie sie mir passiert sind - beispielsweise auch mein Unfall - dann kommt auch viel Inspiration. Aber auch da kann ich einem Mythos widersprechen. Es war nicht so, dass ich in meinen dunkelsten Stunden nach meiner Trennung mega Ideen hatte. In den dunkelsten Stunden habe ich getrauert. Und habe mich auch mal weggeschossen. Freunde waren bei mir und haben mich abgelenkt. Die Inspiration kam dann, als man sich langsam wieder aufrappeln konnte und begonnen hat, Dinge zu verarbeiten. Das ist der Zeitpunkt, wo man anfängt, auch sich selbst zu hinterfragen. Was hat man falsch gemacht? Ich habe immer ein wenig das Gefühl, dass wir Männer ein bisschen mehr Schuld tragen als die Frauen.
hitparade.ch: Das ist doch ein Klischee!
Adel Tawil: Ja ich weiss. Das Gefühl habe ich trotzdem. Ich hatte diese Karriere und arbeitete an meinem Album "Lieder" nach Ich + Ich. Und das war so wichtig, das musste einfach super werden! Ich hatte den totalen Tunnelblick. Da hatte keiner eine Chance, mich zu Gesicht zu bekommen. Nicht einmal meine Mama. Das war das Ding. Ich war sehr fokussiert. Wenn dann etwas brennt und du bist nicht da… Hm.
hitparade.ch: Dein Album heisst "So schön anders". Eine Liebeserklärung eigentlich. Denkst Du, dass dies das Geheimnis einer funktionierenden Liebe ist?
Adel Tawil: Mein bester Freund Mario und ich hatten beide Frauen, die so schön anders waren. Wie Jungs halt sind, haben wir uns oft über unsere Frauen gewundert. Aber das war auch das Schöne. Wenn du merkst, dass der Partner oder auch ein guter Freund so schön anders ist, ist es bereichernd. So war es auch bei Annette und mir (Ich + Ich)! Annette war so schön anders als ich und ich war so schön anders als Annette. Genau dieses Anderssein haben wir aneinander geliebt. Am Ende liebt man auch die Macken. Nach einer Trennung vermisst man sie nämlich.
hitparade.ch: Mir sind Songs wie "Ich bin wie ich bin" und "Bis hier und noch weiter" aufgefallen. Die klingen nach selbstbewusstem Wiederaufstehen. Sie vermitteln positive Energie.
Adel Tawil: Das ist richtig. In diesen Songs geht es darum, damit aufzuhören, es allen anderen recht machen zu wollen. Klar habe ich meine Fehler. Und manchmal ist man auch zu nett und man merkt, es wird einem gar nicht gedankt! Bei mir war's krass, als ich frisch getrennt war. Da fiel mir auf, wie viele Menschen sich auf einmal für die Beziehung interessieren. Zuvor war meine Beziehung kein Thema bei denen - und dann kamen sie mit guten Ratschlägen. Es gab welche, die sprachen sich gegen meine Ex aus - und erzählten ihr dann das Gleiche über mich. Wenn du dann auf dein Herz und deinen Bauch hörst und den Verstand ausschaltest, dann merkst du, wer es wirklich gut mit dir meint. Diese Songs sind mir wichtig und sie mussten aufs Album! Auch der Unfall hat dazu beigetragen. Der hat mich sehr verändert und ich spürte, dass ich so nicht weitermachen kann.
hitparade.ch: Das heisst, Du hast gelernt, auch mal Egoist zu sein?
Adel Tawil: Ja, das kann ich auch sein! Bei der Arbeit bin ich absolut so, da sage ich, wo es langgeht. Wenn man immer nur versucht, niemandem auf den Schlips zu treten, funktioniert es nämlich auch nicht.
hitparade.ch: Til Schweiger hat auf Facebook Deinen Song "Gott steh mir bei" gepostet und geschrieben, er sei der Wahnsinn. Was bedeutet Dir ein solches Statement?
Adel Tawil: Jaaa, das hab ich gesehen! Das hat mich riesig gefreut. Ich wollte ihm schreiben. Ich mag den Typen. Er lebt das vor, was ich noch ein bisschen lernen muss. Dieses "Es ist mir egal, was die Leute sagen. Wenn ich dieser Meinung bin, dann ist das so." Er war wirklich vorbildlich bei dieser Flüchtlingsthematik, wie er da als Erster den Mund aufgemacht hat. Da hab ich grossen Respekt vor. Den Post hat mir mein Bassist gezeigt, als wir nach Zürich geflogen sind. Ich war völlig von der Rolle. Das habe ich nicht erwartet.
hitparade.ch: Wenn man sich Deine Musik anhört, stellt man sich vor, wie Du die Songs geschrieben hast. Ich sehe Dich vor mir, auf einer Wiese sitzend mit Blöcklein und Bleistift, leise zirpen die Grillen, die Sonne geht dem Horizont entgegen und eine laue Brise sucht sich den Weg durch Dein lockiges Haar… Jetzt zerstör mir meine Illusion. Vielleicht schreibst Du Deine Songs ja sogar auf der Toilette?
Adel Tawil: Nein (lacht). Aber ich kann Dir verraten, dass ich die Songs im Badezimmer - nicht auf der Toilette - gerne schreibe. Ich muss mich immer bewegen, wenn ich komponiere. Wenn ich sitze, dann am Klavier. Aber meist marschiere ich durch die Wohnung und singe in mein Handy. Das funktioniert morgens im Badezimmer ganz gut, weil man am Morgen noch nicht viel nachgedacht hat. Man kommt erholt aus dem Bett und hat einen freien Kopf.
hitparade.ch: Die Konzerte stehen bevor. Was glaubst Du, welcher Song wird schwierig zu spielen sein - und welcher wird zu einem echten Live-Hit?
Adel Tawil: "Nur Liebe mitgebracht" wird sicher schwierig. Mal sehen, in welcher Version wir den Song spielen werden. Was ich weiss, was richtig gut sein wird, ist: "So schön anders". Das stelle ich mir als musikalisches Feuerwerk vor. Und "Ich bin wie ich bin" könnte so ein Mitsing-Lied werden. Ich freue mich auf jeden Fall sehr darauf.
Interview durchgeführt: Stella Nera
Redaktion: Stella Nera