Interview mit Adrian SieberSongs, die aus der Reihe tanzen
02.09.2020
hitparade.ch: Deine neue Solo-Platte ist da. Wer war die erste Person, die die neue Scheibe hören durfte?
Adrian Sieber: Meine Tochter Emilie! Und ich bin froh, dass sie ihr gefallen hat (lacht). Den Song "Somebody Pick Up The Phone" mag sie besonders gerne.hitparade.ch: Das Gefühl, ein Album zu veröffentlichen, ist Dir nicht neu. Mit den Lovebugs hast Du das sehr oft erlebt. Fühlte es sich dieses Mal anders an, weil es Deine Solo-Platte ist?
Adrian Sieber: An dieses Gefühl gewöhnt man sich nie. Wenn man seine Musik veröffentlicht, gibt man so unglaublich viel von sich preis. Das ist immer ein grosser Moment. Es ist ein Loslassen. Und es ist jede Mal von neuem spannend. Der Weg zu diesem Moment war für mich natürlich total anders als früher. Ich hatte zuerst kein Album geplant, sondern es erschienen über Monate hinweg mehrere Songs. Irgendwann hatte ich genügend Songs beisammen für eine EP - und von der EP bis zum Album ist es dann auch nicht mehr weit. Deshalb war irgendwann klar, dass es ein Album geben wird.hitparade.ch: Damit aus den Songs ein Album wurde, hast Du Dir Produzent Lars Christen ins Boot geholt. Inwiefern hat er Einfluss genommen?
Adrian Sieber: Ich hatte alle Möglichkeiten. Zu viele! Es war überwältigend. Lars hat mir geholfen zu erkennen, in welche Richtung ich mit dem Album gehen möchte. Er hat massgebend dazu beigetragen, die richtigen Songs dafür auszuwählen und daraus ein Paket zu machen, das in sich stimmig ist und eine grosse Geschichte erzählt. Ohne Lars hätte ich das nicht geschafft. hitparade.ch: Du hast zwei Jahre lang an diesen Songs gearbeitet.
Adrian Sieber: Zwei Jahre klingen nach sehr viel. Ich sass aber nicht zwei Jahre lang täglich am Klavier und habe komponiert. Ich habe während dieser Zeit einfach sporadisch Songs geschrieben. Ganz ohne Druck. Und ich habe gemerkt, dass das viel zeitgemässer ist und für mich besser funktioniert. Es ist nichts erzwungen. hitparade.ch: Du hast viel mit Synthesizern und Drummachines gearbeitet. Was war das für eine Erfahrung für Dich, auf diese Weise Musik zu machen? Hat es Dir neue Möglichkeiten eröffnet?
Adrian Sieber: Für mich war es im Prinzip nichts Neues. Ich bin ein Kind der 80er Jahre und habe viele Eindrücke und Sounds aus dieser Zeit übernommen. Bereits damals hatte ich Synthis gekauft. Genau mit diesen habe ich übrigens die Musik für mein aktuelles Album gemacht. Die Herausforderung war, die Produkion als Gesamtes zeitgemäss zu gestalten - und dabei hat mich Lars unterstützt.hitparade.ch: Der Titelsong "You, Me & Everything Else" ist in drei Teile aufgeteilt. Wieso hast Du den Song zerstückelt?
Adrian Sieber: Der Song geistert mir seit acht Jahren im Kopf herum. Über die Jahre sind mehrere Demos dazu entstanden. Es gab so viele Facetten, die gepasst haben - also habe ich mich dazu entschlossen, den Song in dreifacher Weise zu zeigen. Drei Stimmungen des gleichen Stücks. hitparade.ch: Ich liebe ja den Rhythmus des Songs, den Du mit den Keys im ersten Teil spielst. Es erinnert mich an "Pyramid Song" von Radiohead. Kam die Inspiration dazu aus dieser Ecke?
Adrian Sieber: Lustig, daran hatte ich gar nicht gedacht. Nein, das ist einfach so in meinem Kopf entstanden, ohne bestimmte Inspiration.hitparade.ch: Hört man sich Songs wie "Liliger" an, drängt sich die Frage auf: Stammen Deine Songtextideen aus Deinem Privatleben? Weil eigentlich bist Du ja sehr glücklich vergeben.
Adrian Sieber: Das bin ich wirklich (lacht). Dennoch können das eigene Gefühle sein. Es ist ja nicht immer alles rosarot. Es können auch Gefühle aus der Vergangenheit sein, die man wieder einfängt. Ich mag es einfach, wenn es um etwas geht im Leben. Wenn Entscheidungen anfallen beispielsweise. Einfach immer dann, wenn zwischenmenschlich etwas vorgeht, wirds interessant. Und diese Geschichten sind es, die das Leben - und die Songs - schreiben.hitparade.ch: Ein Song, der ebenfalls heraussticht, ist "Tightrope (Oops-A-Daisy!)". Der geht für mich in Richtung Gigi D'Agostino. Sind diese Klänge beim Ausprobieren im Studio entstanden, oder war für Dich bereits beim Songwriting-Prozess klar, dass dieser Song so ausgefallen werden soll?
Adrian Sieber: Das war bei diesem Song tatsächlich von Anfang an mein Plan. Ich mag Songs, die schräg sind und aus der Reihe tanzen. Songs, die Humor zeigen. Ich war froh, dass sich Lars da so darauf eingelassen hat. hitparade.ch: Du hast nicht nur ein neues Album erschaffen, Du hast auch gleich noch ein eigenes Musiklabel gegründet. Wie kam es zu dieser Entscheidung?
Adrian Sieber: Ich wollte das Ganze einfach unbedingt auf eigene Faust durchziehen. Ich weiss, was ich will. Und wenn ich Hilfe brauche, dann weiss ich, wen ich fragen muss. Dass ich diesen Weg so gegangen bin, habe ich noch keine Sekunde bereut.hitparade.ch: Bereits vor 14 Jahren hast Du mit "Adrian Solo" ein Album in Eigenregie produziert. Wenn Du Dir jetzt, so viele Jahre später, Deine neue Solo-Platte anhörst - in welchen Punkten hast Du Dich musikalisch am stärksten verändert?
Adrian Sieber: Das ist ein schwieriger Vergleich für mich, weil die Entstehungsgeschichten zu den jeweiligen Alben sehr unterschiedlich aussehen. Damals waren wir mitten in unserer Lovebugs-Zeit und als wir einmal kurz Pause hatten, entstand das Bedürfnis, rtwas Eigenes auszuprobieren. Ich denke, was sich verändert hat, ist die Tatsache, dass ich dieses Mal ein richtiges Konzept hatte. Jedes Element auf der Platte ist wichtig, kein Song ist zu viel. Es ist einfach besser durchdacht.hitparade.ch: War es für Dich jemals eine Option, auf Deutsch zu singen?
Ehrlich gesagt habe ich mir das gar nie überlegt. Meine Eltern hatten LPs von den Beatles, von Pink Floyd oder Simon & Garfunkel. Vom Kindesalter an hat Englisch immer automatisch zu der Musik gehört, die mir gefällt - und deshalb war es logisch für mich, selber in dieser Sprache zu komponieren. Allerdings haben wir einmal einen Song für die CD "Ohrewürm" aufgenommen auf Schweizerdeutsch. Leider scheint Baseldeutsch nicht allzu beliebt zu sein - waren nicht die Chaschperli-Fieslinge immer Basler (lacht)?hitparade.ch: Du bist seit mehreren Jahrzehnten ein wichtiger Teil der Schweizer Musikszene. Wie erlebst Du die hiesige Musikwelt heute? Welche Schweizer Künstler hast Du zurzeit auf dem Schirm?
Adrian Sieber: Musik ist seit jeher meine grösste Leidenschaft. Der Hunger nach guten Songs hört nicht auf. Es gibt mehr Musik denn je. Ganz frisch verliebt habe ich mich beispielsweise in das Projekt "Shuttle" von Grégoire Pasquier aus Fribourg. Er veröffentlicht regelmässig neue Songs und jeder ist noch besser als der letzte. Seine neuste Single "Boy" ist Synthpop vom Feinsten. Es ist verrückt, dass es jede Woche tausende neue Songs auf Spotify gibt. Als Kind hatte ich mir immer einen Musikladen gewünscht, wo jeder Song der Welt erhältlich ist. Durch das Internet ist das Realität geworden. hitparade.ch: Mit den Lovebugs hast Du zahlreiche, grosse Erfolge gefeiert. Was sind Deine Ziele mit dem Solo-Projekt?
Adrian Sieber: Alleine als Adrian Sieber bin ich eigentlich ein Newcomer. Ich hatte die totale Narrenfreiheit und das habe ich ausgenutzt. Genau das wollte ich tun und das war mir wichtig.Wenn es noch andere Menschen gibt, die dieses Album gerne hören, dann freut mich das. Es geht mir aber nicht darum, an den Lovebugs-Erfolg anzuknüpfen. hitparade.ch: Hast Du von Deinen Lovebugs-Kollegen eigentlich bereits ein Feedback aufs Album erhalten?
Adrian Sieber: Dem Bassisten stehe ich ziemlich nah, er hat sich die Songs schon sehr früh angehört. Die musikalische Welt, in der ich mich alleine bewege, ist ihm sehr nah. Die anderen Lovebugs-Musiker haben sich bisher noch nicht gemeldet.hitparade.ch: Wie sieht es denn mit der Zukunft der Lovebugs aus?
Adrian Sieber: Die Band ist nicht aufgelöst. Das Projekt Lovebugs liegt zurzeit einfach auf Eis. Es hat zeitlich nicht mehr hingehauen, die Band am Laufen zu halten. Die Instrumente liegen im Proberaum bereit. Das Ganze ist offen. Vielleicht wird es wieder etwas, vielleicht aber auch nicht. Das wissen die Sterne.Interview durchgeführt:
Bettina Wyss-Siegwart
Bettina Wyss-Siegwart
Redaktion:
Bettina Wyss-Siegwart
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