Interview mit Anna RossinelliAnna Rossinelli mit Nummer-Eins-Album: "Wir haben geschrien"
05.02.2019
hitparade.ch: Erstmal herzlichen Glückwunsch zur Nummer-1-Platzierung in den Schweizer-Album-Charts. Wie habt Ihr reagiert, als Ihr erfahren habt, dass Ihr es direkt an die Spitze geschafft habt?
Anna: Wir waren im Bandraum, als sich unser Manager telefonisch meldete. Er forderte uns auf zu raten, auf welchem Platz wir gelandet seien. Als er das Geheimnis schliesslich lüftete, schrien wir ins Telefon (lacht).hitparade.ch: Kam das völlig unerwartet?
Georg: Man hofft natürlich darauf, aber damit gerechnet haben wir auf keinen Fall. Da es doch sechs Jahre her ist, dass wir auf der Eins gelandet sind, ist die Freude natürlich umso grösser.hitparade.ch: Wie werdet Ihr diesen Super-Erfolg feiern?
Anna: Wir haben noch nicht gefeiert, aber das holen wir auf jeden Fall nach!Manuel: Ja, wann denn eigentlich (lacht)?
Anna: Nächste Woche?
Manuel und Georg: OK (lachen)!
Anna: Wir wollten bereits den Album Release feiern, haben es dann aber nicht gemacht, weil wir zu müde waren. Wir werden auch älter (lacht).
hitparade.ch: Apropos Nummer 1: Welches Album ist denn, abgesehen von Eurem eigenen, zurzeit bei Euch die Nummer eins?
Manuel: Ich höre zurzeit viel Bon Iver.Anna: Bei mir ist es Blaze. Auch sehr elektronisch. Sehr zu empfehlen!
hitparade.ch: Ihr habt gesagt, das neue Album sei Euer bisher bestes Werk. Warum, denkt Ihr, ist Euch das Album so hervorragend gelungen?
Georg: Seien wir ehrlich: Das sagt man doch immer! Es wäre doch komisch, wenn man das aktuelle Album nicht als das beste ansehen würde. Man möchte sich schliesslich immer steigern, sonst läuft etwas falsch.Anna: Man ist ja auch emotional mit dem aktuellsten Album am meisten verbunden. Von dem her ist die Aussage ernst gemeint, aber auch situationsbedingt.
Manuel: Nach zehn Jahren Erfahrung weiss man ja auch immer mehr, wie man klingen möchte. Wir haben uns bei diesem Album lange mit den Sounds befasst. Es ist Neues entstanden, das wir natürlich spannend finden.
Georg: Ich muss dazu noch sagen: Das Album ist wirklich saugut!
hitparade.ch: Anna, Du hast sehr viel Gefühl in diese Scheibe gelegt, offenbarst viele persönliche Momente. Wie fühlt es sich an, dass nun die Öffentlichkeit über so intime Songs urteilen kann?
Anna: Persönliche Gefühle waren eigentlich schon immer in unserer Musik drin. Und dass es Kritik geben kann, damit muss man sowieso umgehen können, wenn man in diesem Business ist. Vielleicht kann man sie bei den ganz persönlichen Songs weniger nachvollziehen, doch damit leben muss man können. Musik ist ja sowieso etwas sehr Intimes. Sie entsteht in ganz kleinem Rahmen, in einem Bandraum, wo man sein Herzblut hineinsteckt. Man denke an die Malerin Frida Kahlo, die sich selbst gemalt hat. Persönliche Emotionen und Intimität in seine Kunst zu legen, macht das Ganze erst zu dem, was es ist.Manuel: Der Zuhörer kann ja auch immer eigene Interpretationen finden. Es gibt viele spannende Themen, die vielfältig in die Kunst einfliessen können. Selbst Politik.
Georg: Die beiden Grundthemen, die eigentlich immer in der Musik zu finden sind, sind Liebe und Tod.
hitparade.ch: Gibt es Themen, die Ihr meidet?
Anna: Ich meide Themen, von denen ich keine Ahnung habe. Würde ich über den Krieg singen, wäre das ein Affront und total zynisch, da ich hier behütet aufgewachsen bin und noch nie mit Krieg in Berührung gekommen bin.Manuel: Das ist ja auch der Grund, wieso Schweizer Rapper anfangs belächelt wurden. Weil sie klingen wollten wie die Gangster-Rapper, die wenigstens wussten, wovon sie sprachen.
Georg: Und es gibt ja viele spannende Themen, die wir authentisch besingen können. Und es muss sich nicht zwingend um Kühe und Heimatgefühle drehen.
hitparade.ch: Wie habt Ihr dieses Mal die Songs geschrieben? Wie seid Ihr vorgegangen, um all diese Gefühle und Themen musikalisch richtig verarbeiten zu können?
Anna: Der Schreibprozess hat sich eine ganze Weile hingezogen. Wir haben die Texte und Musik zu Hause oder im Bandraum geschrieben, ganz klassisch. Wir haben viel ausprobiert, wieder verworfen und wieder neu versucht. Und uns richtig lange Zeit gelassen, bis wir zufrieden waren.Manuel: Es gibt bei uns eh kein Modell, wie wir Songs schreiben. Mal sind die Texte zuerst da, mal die Musik. Und dieses Mal hat Pablo Nouvelle noch dazu beigetragen, dass die Musik auf eine neue Art entstanden ist.
hitparade.ch: "White Garden" sind die unbeschriebenen Blätter, die auf neue Geschichten warten. Sind diese weissen Blätter beängstigend oder lösen sie Hoffnung und Kreativität aus? Was ist dieser Garten zurzeit für ein Ort?
Anna: Für mich ist es ein sehr schöner Platz, auch wenn er mit Ängsten verbunden ist. So ist es aber im Leben, es ist nirgendwo perfekt. Der White Garden kann alles sein. Es ist ein Ort, an dem man herausfinden muss, wo neue Wege hinführen können. Bei mir war das nach der Trennung ein Ort, an dem ich mich neu orientieren musste. Nach zwölf Jahren Beziehung wieder Single zu sein, ist speziell. Man muss herausfinden, wer man alleine eigentlich ist.hitparade.ch: Du singst "I see myself hanging on a tree"… Hast Du zwischenzeitlich aufgegeben?
Anna: Nein, ich sehe mich nicht erhängt am Baum. Vielmehr sehe ich mich wie ein Kind auf den Ästen sitzen und mit den Beinen baumeln. Alles ist wieder möglich. Eine Zukunft voller Möglichkeiten liegt vor mir.hitparade.ch: In "Hold Your Head Up" verarbeiten Anna und Georg die Trennung vor drei Jahren. Hat Euch dieser Prozess geholfen, weiter miteinander Musik machen zu können?
Georg: Das konnten wir zuvor schon. Geholfen hat es mir aber dennoch, diesen Song zu schreiben, der für uns sehr persönlich ist. Dir auch, Anna?Anna: Klar! Es war eine Schmerzphase, die mir beim Schreiben des Songs wieder bewusst wurde, das war nicht unbedingt einfach. Aber es hat zum Verarbeitungsprozess beigetragen. Und jetzt finde ich es wunderschön, dass dieser Song existiert. Dieser Song ist ein Versprechen, dass wir nach wie vor füreinander da sein können, wenn auch nur freundschaftlich. Das ist toll!
hitparade.ch: Gab es Phasen, in denen Ihr daran gezweifelt habt, weiter als Trio Musik machen zu können?
Anna: Die Liebe bleibt ja. Die Gefühle füreinander haben sich verändert, aber nach zwölf Jahren Beziehung findet man sich ja nicht plötzlich doof. Wir haben in unserer Beziehung immer Offenheit und Ehrlichkeit gelebt, und so war auch die Trennung offen und ehrlich. So konnten wir Privates und Beruf trennen. Wir beide lieben das, was wir tun, wirklich sehr. Warum also sollten wir uns auch beruflich trennen? Das sind zwei Paar Schuhe.Georg: Du hättest mich rausschmeissen können.
Anna: Diese Band existiert nur mit uns dreien. Das wäre niemals in Frage gekommen.
Manuel: Ich wusste von Anfang an, worauf ich mich einlasse. Es ist immer ein kleines Risiko da, wenn man mit einem Pärchen Musik macht. Dass das Ganze nun so gut funktioniert hat, ist wunderbar.
hitparade.ch: Wie kam es zur Zusammenarbeit mit Pablo Nouvelle?
Manuel: Anna hat mir vor über vier Jahren gesagt, sie habe in der Lady Bar in Basel eine tolle Band gehört. Das war Pablo Nouvelle. Als wir ihn dann einmal an den Swiss Music Awards angetroffen haben, sprach sie ihn an, ob er mit uns zusammenarbeiten wolle. Er macht spannende Sounds, die uns alle inspiriert haben.Georg: Wir alle mögen diese elektronische Schiene, sind aber keine Fachpersonen. Daher war diese Zusammenarbeit extrem wertvoll und hat uns ganz neue Möglichkeiten eröffnet.
hitparade.ch: Euer Album klingt international - wie sieht es mit internationalen Bühnen aus?
Georg: Natürlich würden wir das gerne machen. Will man ins Ausland, muss man aber Geld investieren. Auch die Gagen decken diese Kosten nicht. Dann ist man irgendwo unterwegs, gibt viel Geld aus, und zu Hause muss man dennoch die Miete bezahlen.Anna: Ich will später nicht im Altersheim sitzen und mich darüber ärgern, dass ich es nicht wenigstens probiert habe. Aber leider ist es tatsächlich nicht sehr realistisch, wenn man nicht eine Menge Geld investiert. Ich denke, dass es über das Internet am realistischsten ist. Wenn man auf YouTube oder Spotify entdeckt wird, hat man vielleicht eine Chance.
Georg: Dennoch ist es auch dann nicht realistisch. Wir werden zum Beispiel in einem brasilianischen Radio gespielt, was echt cool ist. Aber deswegen könnten wir noch kein Konzertlokal in Brasilien füllen.
hitparade.ch: Nun könnt Ihr Euren White Garden neu beschreiben. Was sind Eure Wünsche und Pläne fürs 2019?
Manuel: Ich will das Album live so gut wie möglich umsetzen können. Ich freue mich extrem auf die Konzerte! Im Sommer gehts zu den Festivals und im Herbst auf Tour.Anna: Genau! Auch ich möchte die Show perfektionieren und besser werden. Wir möchten etwas mit einer Licht-Show ausprobieren, worauf ich mich sehr freue. Wir wollen den Leuten etwas bieten und mit der Live-Show das Album noch übertreffen.
Interview durchgeführt:
Bettina Wyss-Siegwart (Stella Nera)
Bettina Wyss-Siegwart (Stella Nera)
Redaktion:
Bettina Wyss-Siegwart (Stella Nera)
Bettina Wyss-Siegwart (Stella Nera)
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