Interview mit den Bellamy Brothers und Gölä
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Für Gölä ging in diesem Frühling ein Traum in Erfüllung, denn er konnte zusammen mit einer amerikanischen Musik-Legende ein Album aufnehmen. Die Bellamy Brothers waren in den 70er und 80er Jahren mit Hits wie "Let Your Love Flow" - welcher auch in deutscher Sprache als "Ein Bett Im Kornfeld" in die Geschichte einging - weltweit auf den obersten Plätzen der Hitparaden vertreten, und sie sind damit auch eine der bekanntesten Bands dieser Zeit. Bis heute haben sie mehr als 75 Mio. Platten verkauft. Jetzt ist das Album erschienen, wir haben die drei zum Interview getroffen.
hitparade.ch: Göla war euch gänzlich unbekannt, bevor ihr das Projekt startetet. Ihr habt über 75 Millionen CDs verkauft und viele Hits gelandet. Ich glaube nicht, dass Geld die Motivation für die ungewöhnliche Zusammenarbeit war. Welche Gründe gab es für die Partnerschaft?
David: Wir haben beinahe 50 Alben veröffentlicht, und dabei gab es immer wieder spannende und neue Dinge, die wir ausprobierten. Als wir die Gölä-Lieder bekamen und seine DVD ansahen, dachten wir, dass es interessant wäre, dieses Projekt zu starten. Wir schrieben viel, aber nahmen auch unsere eigene Musik auf, das machte grossen Spass - vor allem auch die Übersetzung der Lieder. Uns war es wichtig, dass der Inhalt gleich blieb und dieselbe Leidenschaft übermittelt wird wie bei Gölä.
hitparade.ch: Wie war es, englische Versionen seiner Lieder zu machen?
Howard: Sehr interessant!
David: Ich denke, das war die grösste Herausforderung an diesem Projekt. Das Aufnehmen war der Teil, der Spass machte, weil wir mit den Harmonien experimentieren konnten. Nachdem wir die wörtliche Übersetzung der Texte erhielten, setzten wir uns hin und mussten herausfinden, wie die Phrasen zum Beat passen.
Howard: Es erschien mir wie ein Puzzle. Viele Leute wissen nicht, dass Musik auch Mathematik ist. Musik ist sehr mathematisch und wir waren alle nicht besonders gut in Mathematik.
hitparade.ch: Wie kam es denn eigentlich genau zu diesem speziellen Projekt? Wer kontaktierte wen?
David: Nachdem wir unser Album "The Anthology Volume 1" fertig hatten, gaben wir es einer Freundin von uns, die in Interlaken wohnt. Sie sprach mit Universal über den Vertrieb der CD in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Die Plattenfirma kontaktierte uns, weil sie uns einige Ideen unterbreiten wollte. So kam Eines zum Anderen, und wir begannen, uns gegenseitig Lieder hin- und herzuschicken. Im Mai besuchte uns Gölä, wir tranken ein Bier und gingen an den Strand, weil alles so gut lief und wir keinen Grund zur Panik hatten.
Howard: Ein bisschen kleinlich waren wir schon, es gab noch einige wenige Änderungen, bevor wir fertig wurden. Damit zwei Interpreten zusammenpassen, ist es wichtig, dass die Melodien harmonieren, und das ist bei Gölä und den Bellamy Brothers der Fall. In den Staaten nahmen wir an einem Projekt teil, das "Angels & Outlaws" heisst. Dort arbeiteten wir mit Willie Nelson und Dolly Parton, George Jones und vielen anderen zusammen. Wir machten viele Erfahrungen mit verschiedenen Musikern und es ist immer wie ein Puzzle. Alle Interpreten sind total verschieden, mit anderem Gesang und unterschiedlichen Melodien, die zusammengesetzt werden.
David: Gölä's Gesang und seine Musik unterscheidet sich stark von uns und passt trotzdem irgendwie. Das war sehr spannend! Wie Howard bereits erzählte, hatten wir bei "Angels & Outlaws" ein Duett mit Cliff Richard. Dazu trafen wir ihn jedoch nie, sondern erst im Nachhinein für ein gemeinsames Foto. Das war amüsant!
Howard: Die neuen Technologien sind unglaublich! Früher machten wir Demos auf 4-Track-Tapes und versuchten möglichst viel darauf zu bringen, weil wir nur eine Chance hatten, uns zu beweisen. Und jetzt, nach 40 Jahren, haben wir solche Möglichkeiten! Grossartig, dass wir schon so lange dabei sind!
David: Wir haben die Tapes jeweils mit Rasierklingen geschnitten!
hitparade.ch: Die Bellamy Brothers sind in der Schweiz sehr bekannt. Gölä, was dachtest du über sie, bevor das Projekt zu Stande kam?
Gölä: Ich war schon mit 14 oder 15 Jahren ein grosser Fan der Bellamy Brothers, ich bin mit ihrer Musik aufgewachsen. Meine Eltern führten ein Restaurant in einem kleinen Dorf, in dem einmal im Jahr ein grosses Fest mit Tanz und Musik stattfand. Das war das einzige Ereignis im ganzen Dorf. Es traten auch Bands auf, die diverse Hits spielten. Damit die Leute tanzten, spielten die Bands die Bellamy Brothers. Ich liebte Country Musik schon immer!
hitparade.ch: Wer fragte dich, ob du Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Bellamy Brothers hättest?
Gölä: Universal fragte meinen Produzenten, ob ich Interesse an einem solchen Projekt hätte. Für mich war das natürlich keine Frage. "Bist du verrückt? Natürlich habe ich Interesse. Da bin ich dabei, egal was wir tun, ich bin dabei!", sagte ich ihm darum.
hitparade.ch: Wie seid ihr zu den Gölä-Liedern gekommen? Die Texte verstandet ihr nicht, musstet ihr da blind darauf vertrauen, dass ihr die darin vorkommenden Gefühle auch so spürt?
David: Wir achteten speziell auf seinen Gesang. Nur schon beim Sprechen hört man, ob jemand wütend oder fröhlich ist - das ist beim Singen nicht anders. Zum Glück haben wir noch von früher viele Erfahrungen im Umschreiben von Liedern. Wir arbeiteten damals oft in diesem Bereich und konnten nicht immer auswählen, für wen wir schrieben. So mussten wir einfach gut zuhören, das Wichtige erkennen und beibehalten.
hitparade.ch: Gölä, wie hast du die Songs ausgewählt?
Gölä: Das war einfach, weil ich die auswählte, die ich am meisten mag. Es war mir eine grosse Ehre, dass ich die Lieder auf meine Art spielen durfte. Sie sagten, ich soll sie so spielen, als hätte ich sie komponiert!
hitparade.ch: Die Bellamy Brothers spielen deine Lieder auf Englisch. Hast du schon einmal daran gedacht, ihre Lieder in Schweizerdeutsch zu präsentieren?
Gölä: Daran habe ich in der Tat kürzlich einmal gedacht. Vielleicht versuche ich es eines Tages. Da gibt es ja das "Bett im Kornfeld"-Cover.
Howard: Ein extremes Beispiel…
David: …Ja, und eine schlechte Übersetzung. Es gibt auch noch eine andere Band mit zwei deutschen Brüdern, die ein Lied von uns übersetzt hat - "Himbeereis zum Frühstück", heisst das.
Howard: Genau! Diese Version hatte überhaupt nichts zu tun mit dem Original, welches "Crossfire" heisst - ich weiss nicht, wie die darauf gekommen sind. Das unheimliche daran ist, dass einer der beiden Brüder einige Jahre später Selbstmord beging, indem er aus einem Fenster sprang.
hitparade.ch: Euer Debut-Album erreichte in den US-Pop-Charts Platz 1 und der Song "Let Your Love Flow" war ein grosser Hit. Habt ihr je daran gedacht, im Pop-Bereich Musik zu machen oder wolltet ihr immer Country-Interpreten sein?
Howard: Wir kategorisieren Musik nicht gerne. Unser Ziel war es, immer gute Songs zu schreiben. Wir machten uns dabei keine Gedanken darüber, in welche Schublade wir damit passen. Wenn ein Lied einen guten Text, eine gute Melodie und viel Gefühl hat, kann nichts schief gehen. Unser erster Hit war wirklich ein Pop-Hit. Man muss bedenken, dass dies zu einer Zeit passierte, als die grosse Disco-Zeit begann. Da machten wir uns schon Gedanken, wie wir für dieses Genre Lieder schreiben sollen!
David: Unsere Musik unterscheidet sich heute wenig von der Zeit, als wir Pop-Hits landeten. Unser Label war ausserdem ein totales Pop-Label.
Howard: Ja, genau, die sagten uns, dass Country tot sei.
David: Und wir meinten: "Tja, das ist nun einmal das, was wir machen!" und begannen mit Country erfolgreich zu werden. "Beautiful Body" war zum Beispiel ein grosser Hit!
Howard: In den Country-Charts kam "Beautiful Body" auf Platz 1 und auch in der englischen Hitparade landeten wir damit ganz vorne - was ganz speziell ist, denn letztere hatte überhaupt nichts mit Country zu tun.
David: Unsere Plattenfirma hasste England.
Howard: Sie erzählten uns, es gäbe dort keinen Markt für unsere Musik, darum engagierten wir ein unabhängiges Promotion-Team, was damit endete, dass "Beautiful Body" "Lied des Jahres" wurde. Darum hören wir nicht auf Plattenfirmen!
Gölä: Es heisst immer, Gitarrenmusik sei tot, aber schaut euch James Blunt oder Amy Macdonald an - die sind unglaublich erfolgreich! Hört wirklich nicht darauf, was die Labels sagen!
hitparade.ch: Nach über 30 Jahren auf Tour gibt es Lieder von euch, die ihr nicht mehr hören könnt und live nicht gerne spielt?
David: Ich würde sagen, solange das Publikum die Lieder mag, sind wir motiviert, sie live zu spielen. Wenn du 10'000 Fans vor dir hast, die auf "Let Your Love Flow" warten, ist es etwas anderes, als wenn du das Lied alleine für dich oder für die Band singst. Du willst für die Zuhörer das Beste geben!
Howard. Das Geheimnis ist es, keine Songs aufzunehmen, mit denen du nicht ein Konzert eröffnen möchtest.
David: Genau, denn mit diesen Liedern musst du lange zurechtkommen.
hitparade.ch: Welches sind eure Favoriten?
Howard: Natürlich mögen wir "Old Hippie" sehr, aber auch "You Ain't Just Whistlin' Dixie". In dem Lied geht es um unsere Heimat im Süden. "Let Your Love Flow" verdanken wir sehr viel, weil es uns eine Menge Türen geöffnet hat. Der Song langweilt mich bis jetzt nicht.
hitparade.ch: Wie gross war deine Nervosität, als die gemeinsamen Aufnahmen für das Album begannen, Gölä?
Gölä: Genau genommen habe ich meinen Teil in der Schweiz aufgenommen und sie in den Staaten. Howard: Es wurde viel hin und her gemailt. Sie haben das Album zusammengeschnitten und -gefügt.
hitparade.ch: Du warst also gar nie in Florida?
Gölä: Doch, schon. Aber nur fürs Abmischen und um Ferien zu machen.
hitparade.ch: Was war das für eine Erfahrung für dich, zum ersten Mal mit den Bellamy Brothers zu arbeiten?
Gölä: Es war sehr cool, genau genommen sogar einfacher als mit meiner eigenen Band. Wir hatten keine grosse Diskussionen oder Meinungsverschiedenheiten. Viel mehr wollten wir uns besser kennenlernen anstatt zu arbeiten.
David: Zusammen gingen wir nach Nashville, wo wir im alten "Ryman Auditorium" kurz auftraten. Dort standen vor uns schon Dolly Parton und Patsy Cline auf der Bühne. Leider war Nashville gerade ziemlich überschwemmt, darum mussten wir um unseren Auftritt bangen. Aber das "Raymond" hat eine lange Geschichte und die muss weitergehen. Nach diesem Gig verbrachten wir noch viel Zeit zusammen, gingen an den Strand, assen, sprachen über Musik und lernten uns besser kennen. Wir haben viel gemeinsam, was unsere Musikgeschmäcker angeht. Wir alle mögen guten Country, guten Rock und guten Blues - gute Musik eben.
hitparade.ch: Was denkt ihr, ist der Grund, dass genau ihr, als einer der wenigen Country-Acts, in Europa Erfolgt habt?
Howard: Das fanden wir bisher nicht heraus. Wir haben einfach Glück! Und wenn wir es versuchten, wir könnten gar nicht anders klingen. Ich glaube, das war ein Geschenk, damit haben wir nichts zu tun. Irgendwie trafen wir den Nerv der Welt.
Gölä: Ich glaube, es ist, weil es kein richtiger Country ist. Dazu klingen die Melodien zu melodiös und eher poppig, ihr macht ein wenig Frauenmusik. Frauen mögen Musik, bei der man Liebe machen kann. Und das machen die Beiden genau.
Howard: Da könntest du recht haben.
David: Wir sind uns gewohnt, auf den Rhythmus zu hören, so sind wir aufgewachsen. Viele erstaunte es, dass wir in unseren Liedern auch Reggae verwendeten, der wurde bisher nicht in der Country-Musik eingesetzt.
Howard: Das war auch nicht einfach, die meisten dachten, wir seien verrückt in Nashville und sie tun es immer noch.
David: Wir sind damit aufgewachsen, den Jamaikanern beim Orangenpflücken zuzuhören. In Florida hatten wir Rock, Hispanic- und Country-Musik. The Allman Brothers Band hörten wir genauso wie Slim Whitman. All diese verschiedenen Elemente inspirierten uns. Als Kinder sangen wir zum Beispiel auch in der Kirche! Die Leute realisieren oft nicht, welche grossartigen Melodien der Gospel beinhaltet!
hitparade.ch: Viele eurer CDs erschienen unter Curb/Warner Brothers und eine bei Atlantic Records. Danach habt ihr in den 90er Jahren euer eigenes Label gegründet. War das rückblickend eine gute Idee, gab es Dinge, auf die ihr überhaupt nicht vorbereitet wart?
David: Wir waren auf gar nichts vorbereitet, aber die Entscheidung war trotzdem genau richig - etwas vom wichtigsten, was wir je gemacht haben. Obwohl wir keine Ahnung hatten, wie so ein Label zu führen ist.
Howard: Wir wussten nur, dass wir Geld verdienen, wenn wir CDs unter unserem eigenen Label verkaufen.
David: Curb ist meisterlich im Geld stehlen. Die 35 Jahre mit dieser Plattenfirma war ein einziger, seltsamer Trip.
Howard: In den Staaten ist das CD Verkaufen ein Ding, damit Geld zu verdienen, das andere.
hitparade.ch: Gölä und die Bellamy Brothers sind beide bekannt für grossartige Performances. Werden eure Fans die Möglichkeit haben, euch zusammen live zu sehen?
David: Ja, wir sind gemeinsam auf Tour vom 3. Bis 13. Dezember, wo wir total 8 oder 9 Konzerte geben.
hitparade.ch: Tretet ihr auch ausserhalb der Schweiz auf?
David: Nicht auf dieser Tour, aber wir werden sehen. Vielleicht können wir noch andere Märkte anstreben.
hitparade.ch: Gölä, du versuchtest vor einigen Jahren im Ausland durchzustarten. Dieses Projekt wäre jetzt natürlich die Gelegenheit, diesen Versuch wieder aufzugreifen. Was sind deine Erwartungen an dieses Projekt?
Gölä: Das Lustige ist, ich hatte nie wirklich Erwartungen, sondern liess einfach alles geschehen. Ich bin einfach froh, dass ich mit den Bellamy Brothers zusammenarbeiten darf. Erwartungen mag ich nicht.
hitparade.ch: Was denkt ihr über Göläs internationale Karriere?
Howard: Weil wir jetzt Freunde sind, hoffen wir natürlich, dass er Millionen von CDs verkauft.
David: Wir sind uns ähnlich, ich denke, darum klappt unsere Zusammenarbeit auch so gut.
Howard: Unsere Erwartungen halten wir jeweils möglichst niedrig. Wenn gute Dinge passieren, sind sie umso schöner!
David: Wir hatten ein gutes Jahr, in dem viel unerwartet Gutes passierte. Da waren beispielsweise verschiedene Nominationen für diverse Awards und natürlich das Projekt mit Gölä.
hitparade.ch: David's Söhne Jessie und Noah machen ebenfalls Country und haben schon eure Konzerte eröffnet. Was ist das für ein Gefühl für euch und habt ihr schon einmal versucht, mit eurem Vater und der ganzen Familie aufzutreten?
David: Ja, das haben wir in Interlaken, aber nur mit den Söhnen, weil mein Vater gestorben ist. Wir waren schon öfters mit den Jungs auf Tour, sie haben übrigens ein neues Projekt, das im Herbst erscheint. Sie veröffentlichen eine Texas-Single im nächsten Monat und dann ein neues Album.
hitparade.ch: Mit 20 Nummer 1-Hits und einer Rekordzahl an Nominierungen für diverse renommierte Country-Awards, gibt es noch andere Dinge, die ihr sowohl persönlich als auch beruflich erreichen wollt?
Howard: Nichts, das direkt mit Country zu tun hat, aber andere Dinge, die uns wichtig sind. Viele dieser Verleihungen sind sowieso ein Witz.
hitparade.ch: Göla war euch gänzlich unbekannt, bevor ihr das Projekt startetet. Ihr habt über 75 Millionen CDs verkauft und viele Hits gelandet. Ich glaube nicht, dass Geld die Motivation für die ungewöhnliche Zusammenarbeit war. Welche Gründe gab es für die Partnerschaft?
David: Wir haben beinahe 50 Alben veröffentlicht, und dabei gab es immer wieder spannende und neue Dinge, die wir ausprobierten. Als wir die Gölä-Lieder bekamen und seine DVD ansahen, dachten wir, dass es interessant wäre, dieses Projekt zu starten. Wir schrieben viel, aber nahmen auch unsere eigene Musik auf, das machte grossen Spass - vor allem auch die Übersetzung der Lieder. Uns war es wichtig, dass der Inhalt gleich blieb und dieselbe Leidenschaft übermittelt wird wie bei Gölä.
hitparade.ch: Wie war es, englische Versionen seiner Lieder zu machen?
Howard: Sehr interessant!
David: Ich denke, das war die grösste Herausforderung an diesem Projekt. Das Aufnehmen war der Teil, der Spass machte, weil wir mit den Harmonien experimentieren konnten. Nachdem wir die wörtliche Übersetzung der Texte erhielten, setzten wir uns hin und mussten herausfinden, wie die Phrasen zum Beat passen.
Howard: Es erschien mir wie ein Puzzle. Viele Leute wissen nicht, dass Musik auch Mathematik ist. Musik ist sehr mathematisch und wir waren alle nicht besonders gut in Mathematik.
hitparade.ch: Wie kam es denn eigentlich genau zu diesem speziellen Projekt? Wer kontaktierte wen?
David: Nachdem wir unser Album "The Anthology Volume 1" fertig hatten, gaben wir es einer Freundin von uns, die in Interlaken wohnt. Sie sprach mit Universal über den Vertrieb der CD in der Schweiz, Deutschland und Österreich. Die Plattenfirma kontaktierte uns, weil sie uns einige Ideen unterbreiten wollte. So kam Eines zum Anderen, und wir begannen, uns gegenseitig Lieder hin- und herzuschicken. Im Mai besuchte uns Gölä, wir tranken ein Bier und gingen an den Strand, weil alles so gut lief und wir keinen Grund zur Panik hatten.
Howard: Ein bisschen kleinlich waren wir schon, es gab noch einige wenige Änderungen, bevor wir fertig wurden. Damit zwei Interpreten zusammenpassen, ist es wichtig, dass die Melodien harmonieren, und das ist bei Gölä und den Bellamy Brothers der Fall. In den Staaten nahmen wir an einem Projekt teil, das "Angels & Outlaws" heisst. Dort arbeiteten wir mit Willie Nelson und Dolly Parton, George Jones und vielen anderen zusammen. Wir machten viele Erfahrungen mit verschiedenen Musikern und es ist immer wie ein Puzzle. Alle Interpreten sind total verschieden, mit anderem Gesang und unterschiedlichen Melodien, die zusammengesetzt werden.
David: Gölä's Gesang und seine Musik unterscheidet sich stark von uns und passt trotzdem irgendwie. Das war sehr spannend! Wie Howard bereits erzählte, hatten wir bei "Angels & Outlaws" ein Duett mit Cliff Richard. Dazu trafen wir ihn jedoch nie, sondern erst im Nachhinein für ein gemeinsames Foto. Das war amüsant!
Howard: Die neuen Technologien sind unglaublich! Früher machten wir Demos auf 4-Track-Tapes und versuchten möglichst viel darauf zu bringen, weil wir nur eine Chance hatten, uns zu beweisen. Und jetzt, nach 40 Jahren, haben wir solche Möglichkeiten! Grossartig, dass wir schon so lange dabei sind!
David: Wir haben die Tapes jeweils mit Rasierklingen geschnitten!
hitparade.ch: Die Bellamy Brothers sind in der Schweiz sehr bekannt. Gölä, was dachtest du über sie, bevor das Projekt zu Stande kam?
Gölä: Ich war schon mit 14 oder 15 Jahren ein grosser Fan der Bellamy Brothers, ich bin mit ihrer Musik aufgewachsen. Meine Eltern führten ein Restaurant in einem kleinen Dorf, in dem einmal im Jahr ein grosses Fest mit Tanz und Musik stattfand. Das war das einzige Ereignis im ganzen Dorf. Es traten auch Bands auf, die diverse Hits spielten. Damit die Leute tanzten, spielten die Bands die Bellamy Brothers. Ich liebte Country Musik schon immer!
hitparade.ch: Wer fragte dich, ob du Interesse an einer Zusammenarbeit mit den Bellamy Brothers hättest?
Gölä: Universal fragte meinen Produzenten, ob ich Interesse an einem solchen Projekt hätte. Für mich war das natürlich keine Frage. "Bist du verrückt? Natürlich habe ich Interesse. Da bin ich dabei, egal was wir tun, ich bin dabei!", sagte ich ihm darum.
hitparade.ch: Wie seid ihr zu den Gölä-Liedern gekommen? Die Texte verstandet ihr nicht, musstet ihr da blind darauf vertrauen, dass ihr die darin vorkommenden Gefühle auch so spürt?
David: Wir achteten speziell auf seinen Gesang. Nur schon beim Sprechen hört man, ob jemand wütend oder fröhlich ist - das ist beim Singen nicht anders. Zum Glück haben wir noch von früher viele Erfahrungen im Umschreiben von Liedern. Wir arbeiteten damals oft in diesem Bereich und konnten nicht immer auswählen, für wen wir schrieben. So mussten wir einfach gut zuhören, das Wichtige erkennen und beibehalten.
hitparade.ch: Gölä, wie hast du die Songs ausgewählt?
Gölä: Das war einfach, weil ich die auswählte, die ich am meisten mag. Es war mir eine grosse Ehre, dass ich die Lieder auf meine Art spielen durfte. Sie sagten, ich soll sie so spielen, als hätte ich sie komponiert!
hitparade.ch: Die Bellamy Brothers spielen deine Lieder auf Englisch. Hast du schon einmal daran gedacht, ihre Lieder in Schweizerdeutsch zu präsentieren?
Gölä: Daran habe ich in der Tat kürzlich einmal gedacht. Vielleicht versuche ich es eines Tages. Da gibt es ja das "Bett im Kornfeld"-Cover.
Howard: Ein extremes Beispiel…
David: …Ja, und eine schlechte Übersetzung. Es gibt auch noch eine andere Band mit zwei deutschen Brüdern, die ein Lied von uns übersetzt hat - "Himbeereis zum Frühstück", heisst das.
Howard: Genau! Diese Version hatte überhaupt nichts zu tun mit dem Original, welches "Crossfire" heisst - ich weiss nicht, wie die darauf gekommen sind. Das unheimliche daran ist, dass einer der beiden Brüder einige Jahre später Selbstmord beging, indem er aus einem Fenster sprang.
hitparade.ch: Euer Debut-Album erreichte in den US-Pop-Charts Platz 1 und der Song "Let Your Love Flow" war ein grosser Hit. Habt ihr je daran gedacht, im Pop-Bereich Musik zu machen oder wolltet ihr immer Country-Interpreten sein?
Howard: Wir kategorisieren Musik nicht gerne. Unser Ziel war es, immer gute Songs zu schreiben. Wir machten uns dabei keine Gedanken darüber, in welche Schublade wir damit passen. Wenn ein Lied einen guten Text, eine gute Melodie und viel Gefühl hat, kann nichts schief gehen. Unser erster Hit war wirklich ein Pop-Hit. Man muss bedenken, dass dies zu einer Zeit passierte, als die grosse Disco-Zeit begann. Da machten wir uns schon Gedanken, wie wir für dieses Genre Lieder schreiben sollen!
David: Unsere Musik unterscheidet sich heute wenig von der Zeit, als wir Pop-Hits landeten. Unser Label war ausserdem ein totales Pop-Label.
Howard: Ja, genau, die sagten uns, dass Country tot sei.
David: Und wir meinten: "Tja, das ist nun einmal das, was wir machen!" und begannen mit Country erfolgreich zu werden. "Beautiful Body" war zum Beispiel ein grosser Hit!
Howard: In den Country-Charts kam "Beautiful Body" auf Platz 1 und auch in der englischen Hitparade landeten wir damit ganz vorne - was ganz speziell ist, denn letztere hatte überhaupt nichts mit Country zu tun.
David: Unsere Plattenfirma hasste England.
Howard: Sie erzählten uns, es gäbe dort keinen Markt für unsere Musik, darum engagierten wir ein unabhängiges Promotion-Team, was damit endete, dass "Beautiful Body" "Lied des Jahres" wurde. Darum hören wir nicht auf Plattenfirmen!
Gölä: Es heisst immer, Gitarrenmusik sei tot, aber schaut euch James Blunt oder Amy Macdonald an - die sind unglaublich erfolgreich! Hört wirklich nicht darauf, was die Labels sagen!
hitparade.ch: Nach über 30 Jahren auf Tour gibt es Lieder von euch, die ihr nicht mehr hören könnt und live nicht gerne spielt?
David: Ich würde sagen, solange das Publikum die Lieder mag, sind wir motiviert, sie live zu spielen. Wenn du 10'000 Fans vor dir hast, die auf "Let Your Love Flow" warten, ist es etwas anderes, als wenn du das Lied alleine für dich oder für die Band singst. Du willst für die Zuhörer das Beste geben!
Howard. Das Geheimnis ist es, keine Songs aufzunehmen, mit denen du nicht ein Konzert eröffnen möchtest.
David: Genau, denn mit diesen Liedern musst du lange zurechtkommen.
hitparade.ch: Welches sind eure Favoriten?
Howard: Natürlich mögen wir "Old Hippie" sehr, aber auch "You Ain't Just Whistlin' Dixie". In dem Lied geht es um unsere Heimat im Süden. "Let Your Love Flow" verdanken wir sehr viel, weil es uns eine Menge Türen geöffnet hat. Der Song langweilt mich bis jetzt nicht.
hitparade.ch: Wie gross war deine Nervosität, als die gemeinsamen Aufnahmen für das Album begannen, Gölä?
Gölä: Genau genommen habe ich meinen Teil in der Schweiz aufgenommen und sie in den Staaten. Howard: Es wurde viel hin und her gemailt. Sie haben das Album zusammengeschnitten und -gefügt.
hitparade.ch: Du warst also gar nie in Florida?
Gölä: Doch, schon. Aber nur fürs Abmischen und um Ferien zu machen.
hitparade.ch: Was war das für eine Erfahrung für dich, zum ersten Mal mit den Bellamy Brothers zu arbeiten?
Gölä: Es war sehr cool, genau genommen sogar einfacher als mit meiner eigenen Band. Wir hatten keine grosse Diskussionen oder Meinungsverschiedenheiten. Viel mehr wollten wir uns besser kennenlernen anstatt zu arbeiten.
David: Zusammen gingen wir nach Nashville, wo wir im alten "Ryman Auditorium" kurz auftraten. Dort standen vor uns schon Dolly Parton und Patsy Cline auf der Bühne. Leider war Nashville gerade ziemlich überschwemmt, darum mussten wir um unseren Auftritt bangen. Aber das "Raymond" hat eine lange Geschichte und die muss weitergehen. Nach diesem Gig verbrachten wir noch viel Zeit zusammen, gingen an den Strand, assen, sprachen über Musik und lernten uns besser kennen. Wir haben viel gemeinsam, was unsere Musikgeschmäcker angeht. Wir alle mögen guten Country, guten Rock und guten Blues - gute Musik eben.
hitparade.ch: Was denkt ihr, ist der Grund, dass genau ihr, als einer der wenigen Country-Acts, in Europa Erfolgt habt?
Howard: Das fanden wir bisher nicht heraus. Wir haben einfach Glück! Und wenn wir es versuchten, wir könnten gar nicht anders klingen. Ich glaube, das war ein Geschenk, damit haben wir nichts zu tun. Irgendwie trafen wir den Nerv der Welt.
Gölä: Ich glaube, es ist, weil es kein richtiger Country ist. Dazu klingen die Melodien zu melodiös und eher poppig, ihr macht ein wenig Frauenmusik. Frauen mögen Musik, bei der man Liebe machen kann. Und das machen die Beiden genau.
Howard: Da könntest du recht haben.
David: Wir sind uns gewohnt, auf den Rhythmus zu hören, so sind wir aufgewachsen. Viele erstaunte es, dass wir in unseren Liedern auch Reggae verwendeten, der wurde bisher nicht in der Country-Musik eingesetzt.
Howard: Das war auch nicht einfach, die meisten dachten, wir seien verrückt in Nashville und sie tun es immer noch.
David: Wir sind damit aufgewachsen, den Jamaikanern beim Orangenpflücken zuzuhören. In Florida hatten wir Rock, Hispanic- und Country-Musik. The Allman Brothers Band hörten wir genauso wie Slim Whitman. All diese verschiedenen Elemente inspirierten uns. Als Kinder sangen wir zum Beispiel auch in der Kirche! Die Leute realisieren oft nicht, welche grossartigen Melodien der Gospel beinhaltet!
hitparade.ch: Viele eurer CDs erschienen unter Curb/Warner Brothers und eine bei Atlantic Records. Danach habt ihr in den 90er Jahren euer eigenes Label gegründet. War das rückblickend eine gute Idee, gab es Dinge, auf die ihr überhaupt nicht vorbereitet wart?
David: Wir waren auf gar nichts vorbereitet, aber die Entscheidung war trotzdem genau richig - etwas vom wichtigsten, was wir je gemacht haben. Obwohl wir keine Ahnung hatten, wie so ein Label zu führen ist.
Howard: Wir wussten nur, dass wir Geld verdienen, wenn wir CDs unter unserem eigenen Label verkaufen.
David: Curb ist meisterlich im Geld stehlen. Die 35 Jahre mit dieser Plattenfirma war ein einziger, seltsamer Trip.
Howard: In den Staaten ist das CD Verkaufen ein Ding, damit Geld zu verdienen, das andere.
hitparade.ch: Gölä und die Bellamy Brothers sind beide bekannt für grossartige Performances. Werden eure Fans die Möglichkeit haben, euch zusammen live zu sehen?
David: Ja, wir sind gemeinsam auf Tour vom 3. Bis 13. Dezember, wo wir total 8 oder 9 Konzerte geben.
hitparade.ch: Tretet ihr auch ausserhalb der Schweiz auf?
David: Nicht auf dieser Tour, aber wir werden sehen. Vielleicht können wir noch andere Märkte anstreben.
hitparade.ch: Gölä, du versuchtest vor einigen Jahren im Ausland durchzustarten. Dieses Projekt wäre jetzt natürlich die Gelegenheit, diesen Versuch wieder aufzugreifen. Was sind deine Erwartungen an dieses Projekt?
Gölä: Das Lustige ist, ich hatte nie wirklich Erwartungen, sondern liess einfach alles geschehen. Ich bin einfach froh, dass ich mit den Bellamy Brothers zusammenarbeiten darf. Erwartungen mag ich nicht.
hitparade.ch: Was denkt ihr über Göläs internationale Karriere?
Howard: Weil wir jetzt Freunde sind, hoffen wir natürlich, dass er Millionen von CDs verkauft.
David: Wir sind uns ähnlich, ich denke, darum klappt unsere Zusammenarbeit auch so gut.
Howard: Unsere Erwartungen halten wir jeweils möglichst niedrig. Wenn gute Dinge passieren, sind sie umso schöner!
David: Wir hatten ein gutes Jahr, in dem viel unerwartet Gutes passierte. Da waren beispielsweise verschiedene Nominationen für diverse Awards und natürlich das Projekt mit Gölä.
hitparade.ch: David's Söhne Jessie und Noah machen ebenfalls Country und haben schon eure Konzerte eröffnet. Was ist das für ein Gefühl für euch und habt ihr schon einmal versucht, mit eurem Vater und der ganzen Familie aufzutreten?
David: Ja, das haben wir in Interlaken, aber nur mit den Söhnen, weil mein Vater gestorben ist. Wir waren schon öfters mit den Jungs auf Tour, sie haben übrigens ein neues Projekt, das im Herbst erscheint. Sie veröffentlichen eine Texas-Single im nächsten Monat und dann ein neues Album.
hitparade.ch: Mit 20 Nummer 1-Hits und einer Rekordzahl an Nominierungen für diverse renommierte Country-Awards, gibt es noch andere Dinge, die ihr sowohl persönlich als auch beruflich erreichen wollt?
Howard: Nichts, das direkt mit Country zu tun hat, aber andere Dinge, die uns wichtig sind. Viele dieser Verleihungen sind sowieso ein Witz.