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Interview mit Blay
"Es prallen zwei Welten aufeinander"

17.05.2021
Was passiert, wenn man zwei grossartige, erfolgreiche Musiker in ein Studio stellt? Ein Heimspiel! Bligg und Marc Sway haben sich auf neues Terrain gewagt und gemeinsam ein Mundart-Album mit zehn eigenen Songs veröffentlicht. Und damit wurde aus Bligg und Sway ganz einfach "Blay". Was mit einer Idee angefangen hat, ist ein Grossprojekt voller Leidenschaft, Herz und Freude geworden.
hitparade.ch: Bligg, ich kann mich an unser letztes Gespräch erinnern: Da sagtest Du, dass Du Deinen guten Freund Marc Sway seit Jahren versuchst, zu einem Mundart-Album zu überreden. Ist das jetzt Deine Methode, ihn dazu zu bringen?
Bligg: Absolut! Seine Stimme passt extrem gut zu Mundart. Und bereits seit "Us Mänsch" waren alle der Meinung, dass wir unbedingt weiter zusammen Musik machen sollten, weil das so unglaublich gut harmoniert hat.

hitparade.ch: Marc, wie fühlt es sich für Dich an, ein komplettes Mundart-Album zu machen?
Marc: Grundsätzlich ist es nicht komplett neu für mich, Mundart zu singen. Aber ein ganzes Album so zu machen ist tatsächlich Neuland für mich. Normalerweise konnte ich hin- und herswitchen.

hitparade.ch: Fühlt es sich stärker nach Seelenstrip an, wenn man in der Sprache singt, die die Leute in der Schweiz besser verstehen?
Marc: Oh ja! Das ging mir bereits bei "Hemmigslos liebe" so. Und lustigerweise sind meine persönlichsten Songs tatsächlich auf Schweizerdeutsch. Ich habe aber keine Angst, meine Gefühle zu zeigen. Zumindest musikalisch nicht.

Denkmal
D'Schueh
Rägetanz
D'Wüsseschaft
Papa
Geiler
Wiederseh
Liebesbrief
Sanduhr
Wind
hitparade.ch: Das Album "Heimspiel" ist seit einigen Tagen draussen. Wie waren die ersten Reaktionen? Habt Ihr Bligg- und Sway-Fans zusammengeführt, oder eher ein neues Publikum erreicht?
Bligg: Es ist noch etwas früh, um das beurteilen zu können. Ich kann mir aber gut vorstellen, dass wir neue Hörer*innen ansprechen, da wir weder Bligg noch Sway sind - sondern eben Blay. Wir haben die Lateinamerikanischen Klänge genauso weggelassen wie die typischen Bligg-Traditionsklänge der Schweizer Musik. Wir haben etwas komplett Neues kreiert.

hitparade.ch: Ihr kommt aus verschiedenen musikalischen Richtungen. Was verbindet Euch am meisten?
Bligg: Musik ist ein globales Esperanto. Marc und ich machen beide traditionelle Musik. Daher sind wir gar nicht so weit voneinander weg. Und als Privatpersonen erst recht nicht, denn wir konsumieren tatsächlich die gleiche Musik.
Marc: Ich war immer ein Rap-Fan. Als ich 15 Jahre alt war, habe ich mehrheitlich Hip Hop, R&B und Soul gehört. Bligg hingegen ist ein grosser Fan von melodiöser Musik. Wir sind also Fans des jeweils anderen Musikstils, und das macht natürlich auch etwas aus.

hitparade.ch: Zwei Solokünstler, die seit so vielen Jahren gewohnt sind, einen eigenen Workflow in Sachen Songwriting und Produktion zu haben, teilen sich plötzlich diesen Prozess: Wie gut geht das?
Bligg: Beide haben 20 Jahre lang ihre Art gehabt, an ein Album-Projekt heranzugehen und einen klaren Prozess, wie das Songwriting funktioniert. Und es ist genau so: Es prallen zwei Welten aufeinander. Wir mussten uns tatsächlich erst an die Arbeitsweise des jeweils anderen gewöhnen. Es war ein Findungsprozess, der jedoch erstaunlich schnell funktionierte. Das Ganze lief in drei Phasen ab. Phase eins war, den Workflow des anderen zu begreifen. Phase zwei, die beiden Workflows miteinander zu kombinieren. Und die letzte Phase war die spannendste: nämlich, eine neue Arbeitsmethode zu erarbeiten. Eine, die man noch gar nicht kannte.
Marc: Im ersten Moment war es befremdend, sich auf neue Prozesse einzulassen. Aber sehr schnell haben wir gespürt, wie lehrreich das Ganze ist - und wie viel Kreativität so etwas auslösen kann.
Bligg: Wir sind beide sehr weltoffen. Das ist ein Pluspunkt in einem solchen Prozess.

hitparade.ch: Ihr seid schon viele Jahre gute Freunde. Ich könnte mir vorstellen, dass gemeinsames Songwriting stark verbindet. Habt Ihr voneinander Seiten kennengelernt, die Ihr vorher nicht gekannt hattet? Beim Texten spricht man sicher auch mehr über Gedanken und Erfahrungen.
Marc: Man lernt sich tiefer und auf einer neuen Ebene kennen. Eine Album-Produktion ist eine Extremsituation. Und einen Freund in einer Extremsituation kennenzulernen, ist etwas ganz Neues. Jetzt, da das Album veröffentlicht ist, können wir entspannen und geniessen. Doch während der Produktion ist man angespannt. Es ist wie bei einer Geschäftseröffnung. Man braucht Toleranz, Offenheit und Respekt, damit die Zusammenarbeit gut läuft.

hitparade.ch: Blay ist weder Bligg noch Sway - sondern eben etwas ganz Neues. Wie würdet Ihr den Stil beschreiben?
Bligg: Es ist eine Mixtur. Ich denke, Kontraste spielen auf unserem Album eine grosse Rolle. Wir waren musikalisch von Anfang an sehr offen und daher lässt es sich nicht so leicht in eine Schublade packen. Ich denke aber, es ist etwas vom Schönsten, wenn Musik eine eigene Identität hat. Und ich würde sagen, das ist uns mit "Heimspiel" gelungen.
Marc: Unsere Gemeinsamkeit ist, dass wir Musik wirklich lieben. Das hat uns sehr viele Möglichkeiten für Spielereien und Inspiration gegeben. Ich denke, Kontraste trifft es ganz gut.

hitparade.ch: Bei welchem Song habt Ihr Euch am meisten aus dem Fenster gelehnt - am meisten von Eurer sonstigen, alleinigen Arbeitsweise, entfernt? Wenn ich raten darf: Ich tippe auf den Song "Geiler"?
Bligg: Haha, damit liegst Du ziemlich richtig. Da sind wir sehr weit gegangen bei diesem Song. Da haben wir uns keine Grenzen gesetzt - und es freut mich, dass man das so gut spürt. Für mich persönlich ist auch "Papa" weit weg von meinem eigentlichen Stil. Ein solcher Song wäre auf einem Bligg-Album nicht typisch. Zumindest musikalisch nicht.

hitparade.ch: "Papa" handelt davon, dass man aufgrund seiner Arbeit seine Kinder zu wenig sieht. Ging es Euch bei dieser Albumproduktion auch so?
Bligg: Klar! Ich bin genau in dieser Zeit wieder Papi geworden. Als Musiker bist du viel unterwegs, auch an Wochenenden. Man sieht seine Kinder weniger. Ich denke, es kennen auch sonst viele berufstätige Eltern dieses Problem, dass man abends nach Hause kommt und nur noch kurz etwas von den Kindern hat, weil sie dann ins Bett gehen. "Papa" ist eigentlich ein Trost-Song für das Kind.

hitparade.ch: Wem gilt der Song "Sanduhr"?
Bligg: Gemeinsam zu texten war grundsätzlich eine Challenge für uns. Wir haben zu Beginn sehr viel Zeit miteinander verbracht, ohne auch nur einen Ton Musik zu machen. Einfach nur, um gemeinsame Nenner zu finden. Wir beide haben ein Geschwister verloren. Bei dieser Thematik war sofort klar, dass uns ähnliche Gefühle verbinden. So war das Thema für "Sanduhr" sehr schnell klar. Dennoch haben wir lange an diesem Song gefeilt. Ich hatte es auch mit meiner Mutter abgeklärt, ob ich diesen Song so bringen kann.

hitparade.ch: Im Video zu "Wiederseh" erlebt man mit Euch einen grossartigen Roadtrip durch die Schweiz. Wie lange habt Ihr gebraucht für dieses Video? Habt Ihr das ganze Jahr über gedreht?
Bligg: Das ist echt lustig, dass Du das so empfindest. Warum denkst Du, es sei eine lange Zeit im Video verstrichen?
hitparade.ch: Naja, es sind verschiedene Jahreszeiten zu sehen. Einmal hüpft ihr in den See, dann wieder seid Ihr warm eingepackt und man sieht verschneite Berge. Und ganz grundsätzlich wirkt es sehr authentisch und wie ein echter Roadtrip.
Bligg (lacht): Das Video ist in vier Tagen entstanden.
hitparade.ch: Waaaaaas? Echt?
Bligg: Jawohl! Der Brienzersee war zu dem Zeitpunkt nur 6 Grad kalt.
Marc: Der Roadtrip war aber echt. Es war erst eine Schnapsidee, dass wir uns einen Camper kaufen sollten. Dann haben uns Leute angeschrieben, wir sollen sie doch da und dort besuchen kommen. Und so entstand der Plan, mit einem Camper quer durch die Schweiz zu fahren und damit eine Wiederseh-Tour zu machen. So haben wir unsere Fans wieder gesehen und haben viele tolle Dinge erlebt.

hitparade.ch: Was war bis jetzt Euer Highlight?
Bligg: Oh, da gab es so vieles. Wir haben eine Zucht besucht von Berner Sennenhunden. Das war so unglaublich niedlich! In Aarau durften wir das Chlauschlöpfen ausprobieren, in Glarus haben wir Pasteten gemacht und in Luzern haben wir einen Apéro auf einem der schönsten Seen der Schweiz genossen. Es ist eine grossartige Erfahrung.

hitparade.ch: Ein paar grosse Highlights folgen hoffentlich noch! Die Songs strotzen vor Energie und müssen dringend auf die grosse Bühne. Zurzeit ist es ja schwierig, etwas zu planen. Wie geht Ihr bezüglich Live-Tour vor?
Marc: Im Frühling 2022 ist eine kleine Clubtour geplant, die wir hoffentlich realisieren können. Wir hoffen, einige Konzerte zu spielen, um das Ganze dann im Dezember 2022 im Hallenstadion Zürich mit einem grossen Showdown beenden zu können.
Bligg: Das Ganze ist erst in einem Jahr. Doch wir freuen uns schon jetzt wie verrückt darauf.

hitparade.ch: Und wieso ist für Euch bereits jetzt klar, dass die Blay-Ära im Dezember 2022 zu Ende gehen wird?
Marc: Als wir auf den Namen "Blay" kamen, wurde uns klar, dass alle Paare mit diesen Namenskombinationen sich irgendwann wieder trennen. Brangelina, Strelanie... Und als Taminique auch noch getrennte Wege gingen, da zog es uns die Schuhe aus (lacht).
Bligg: Ich denke, wir machen die ganze Sache auch wertvoller, wenn wir sie zeitlich begrenzen. Aber im Endeffekt werden wir dann sehen, was noch alles passiert.
Interview durchgeführt:
Bettina Wyss-Siegwart
Redaktion:
Bettina Wyss-Siegwart


Denkmal
D'Schueh
Rägetanz
D'Wüsseschaft
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Geiler
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Liebesbrief
Sanduhr
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