Interview mit Bligg«Dieses Album ist eine Herzensangelegenheit»
15.11.2019
hitparade.ch: Du hast zu Deinem 20. Bühnenjubiläum ein Unplugged-Album mit Deinen grössten Hits gemacht. Wie war es für Dich, Deine alten Songs wieder auszugraben und neu zu interpretieren?
Bligg: Das war schon speziell! Ich habe teilweise die Texte nicht mehr gekannt (lacht). Ich höre mir meine Diskografie ja nicht dauernd an. Ich musste mir gewisse Songs neu verinnerlichen. Ich hatte aber auch einige Backflashes! Ich habe mittlerweile fast 240 Songs veröffentlicht, und bei jedem hängt eine Geschichte daran. Da kamen viele Erinnerungen auf. Beispielsweise ist "Frei wie en Vogel" in einer Zeit entstanden, in der es mir überhaupt nicht gut ging. Wenn ich diesen Song spiele, ruft es genau diese Bilder in mir hervor. So geht es wahrscheinlich auch den Fans. Jeder verbindet einen Song mit etwas eigenem.hitparade.ch: Es sind einige grosse Hits auf dem Album. Wie ist das bei Dir eigentlich: Spürst Du während des Songwritings, welche Songs zu Hits werden, oder bist Du jeweils überrascht, wenn einer total einschlägt?
Bligg: Es ist spannend, wie unterschiedlich die Dinge wahrgenommen werden. "Legändä & Heldä" wird vom Publikum geliebt! Ich selbst halte ihn für einen durchschnittlichen Bligg-Song. "Rosalie" war ein Lied, das ich erst gar nicht aufs Album nehmen wollte. Ich hätte nie gedacht, dass genau dieser Song zu einem der bekanntesten Bligg-Songs werden würde. Wenn ich ganz nach meinem eigenen Geschmack gehen würde, wären ganz andere Songs im Fokus.hitparade.ch: Wie hast Du die Auswahl getroffen?
Bligg: Ein Künstler wie ich, der einen solch grossen Katalog mit so vielen Hits hat, oder auch Songs, die keine Hits sind, aber gern gehört werden, ist es extrem schwierig, eine solche Auswahl zu treffen. Das merken wir auch, wenn wir auf Tour sind. Wenn wir die Setlist zusammenstellen, die einfach kein Ende nimmt. Inzwischen haben wir Fans aus vier Generationen, und alle haben andere Favoriten. Das Album ist eine Art "Best Of", mit den bekanntesten Hits von mir. Ich habe aber bewusst auch einige unbekanntere Nummern in die Tracklist aufgenommen, damit man auch noch etwas zu entdecken hat. Beispielsweise "Frei wie en Vogel" oder "Angela", ein Song für meine Mutter. Und ein Song ist sogar brandneu.hitparade.ch: Die neuen Songs sind ja nicht nur unplugged, sie haben sich teilweise auch stilistisch verändert…
Bligg: Genau! Mir war wichtig, den Songs einen neuen Charakter zu verpassen. Ich wollte nicht einfach nur die E-Gitarre durch eine akustische Gitarre ersetzen, das wäre plump gewesen. "Manhattan" ist zwar noch nah am Original, aber beispielsweise "Musigg i dä Schwiiz" ist komplett anders. Der ist zu einer Bossanova-Nummer geworden, die wohl ziemlich überraschen wird. Ich glaube, es ist uns gelungen, den Songs neues Leben einzuhauchen. Es war als Künstler eine extreme Herausforderung! Es sind Songs, die man seit Jahren so spielt.hitparade.ch: Wie bist Du da herangegangen?
Bligg: Ich habe den Text behalten und den ganzen Rest gelöscht. Ich habe jeden Song von Grund auf neu aufgebaut. Ich habe auch bewusst die Originale nicht angehört, damit ich mich wirklich davon abgrenzen und frisch an die Songs herangehen konnte. Wir haben viel gemeinsam ausprobiert, viel auch wieder verworfen – und ich legte Wert darauf, dem Zuhörer ein neues Klangerlebnis verschaffen zu können. Jetzt haben wir ein Ergebnis, das mich riesig freut. Dieses Album ist eine Herzensangelegenheit. Was ich aber dazu noch sagen muss: Wir hatten hier eine etwas andere Ausgangslage. Wir wollten nämlich erst kein Album produzieren, sondern nur eine kleine Unplugged-Live-Tour machen. Deswegen haben wir bereits während der Kreation der neuen Versionen die Live-Umsetzung im Hinterkopf gehabt.hitparade.ch: Und wieso gab es dann trotzdem ein Album?
Bligg: Erstens, weil wir viele positive Rückmeldungen erhalten haben. Die Songs seien super so, und dass es doch schade wäre, das nicht festzuhalten. Zum anderen muss man sagen: Ein Album zu produzieren kostet nun einmal Geld. Ich hatte kein Budget dafür. Da wir aber eine super Zusammenarbeit mit Generali und Sie als Partner im Rücken haben, konnte es nun doch umgesetzt werden. Die Firma hat uns bei der Album-Produktion grosszügig unterstützt.hitparade.ch: Wieso ist Marc Sway bei "Us Mänsch" nicht mehr dabei?
Bligg: Den Refrain singe ich auf der Unplugged Version alleine. Das war eine ziemliche Herausforderung. Logisch, ich hätte Marc anrufen können, der wohnt nicht weit weg und ist ein guter Freund von mir. Aber ich wollte halt wirklich etwas anderes aus dem Song machen. Mir ist klar, dass ich ihm gesanglich nicht das Wasser reichen kann - Singen ist ja nicht meine Kernkompetenz! Aber ich glaube, es ist auf seine eigene Art auch sehr cool geworden.hitparade.ch: Es gibt auch einen neuen Song von Dir zu hören: "Frohi Wiehnacht". Ein zynischer Song über Weihnachten. Ist es nicht unbedingt Dein liebster Feiertag?
Bligg: Ich glaube, ich empfinde Weihnachten sehr ähnlich wie viele andere Schweizer auch. Es gibt diese wunderschöne Seite des Zusammenkommens, der Dekorationen, der leuchtenden Augen. Die andere, düstere Seite ist das masslose Konsumverhalten, das für mich global gesehen nicht stimmt. Wir feiern uns ins Koma, während andere nicht wissen, was sie morgen essen. Ich will hier aber nicht den Moralapostel spielen. Im Endeffekt ist es ein augenzwinkernder Blick auf Weihnachten.hitparade.ch: Wie haben Deine Fans auf die ersten Veröffentlichungen reagiert?
Bligg: 14 Fans hatten vorab die Gelegenheit, bei einer kleinen Live-Session auf dem Uetliberg in die Songs hineinzuhören. Wir machten das Showcase mit und für SRF 3 und wir hatten damals nur wenig Zeit, das Ganze zu proben, es war noch nicht ausgereift. Es war eine solide Sache, die Fans vor Ort hatten grosse Freude. Dies hatte mich zusätzlich gepusht, ein Album daraus zu machen. Ich glaube, ich bin karrieretechnisch an einem Punkt, an dem ein solches Album, das ja eigentlich eine Art "Greatest Hits"-Album ist, gerechtfertigt ist. Das ist wie bei einer Biografie. Ich glaube, um eine Biografie zu schreiben, sollte man doch einiges erlebt haben, es setzt einen Erfahrungswert voraus und man sollte etwas zu erzählen haben. Ich finde, es steht nicht jedem zu, eine Biografie zu schreiben. Das ist nun wie bei diesem Unplugged-Album: Ich finde es schräg, wenn ein Musiker zwei Alben veröffentlicht und dann schon ein Unplugged-Album macht. Ausser, es ist ein Konzept-Album mit neuen Songs natürlich.hitparade.ch: Du zeigst, passend zu Deinem Album, auch Dein Gesicht unplugged: Dein Bart ist ab! Hast Du Dich selbst rasiert? Oder ist das Cover-Bild fake?
Bligg: Ich habe es teilweise selbst gemacht. Mich kennt man seit 20 Jahren mit Bart. Ich mich selbst auch. Und mein erfolgreichstes Album war "Bart aber herzlich". Die Assoziation "Bligg und Bart" ist also gegeben. Und als ich meinem Grafiker sagte, dass es ein Unplugged-Album geben wird, ist er sofort mit dieser Idee gekommen. Genau so nackt, wie die Musik daherkommt, soll Bligg nun auf dem Cover sein. Ich bin ja bekannt dafür, mit einem Augenzwinkern an die Dinge heranzugehen. Und dass man mich nun mit Schnauz sieht, zeigt: Das ist Bligg reduziert. Ich werde dann auch auf der Unplugged Tour mit Schnauz auf der Bühne stehen – und die Klamotten und die ganze Aufmachung werden an die 30er Jahre erinnern. So wie das Platten-Cover auch.hitparade.ch: Fandest Du es sehr schräg, Dich selbst ohne Bart zu sehen?
Bligg: Ja! Mein Sohn verglich mich mit Super Mario. Ich habe auch zum ersten Mal meine Narben wiedergesehen, die von einem Skateboard-Unfall aus meiner Jugendzeit stammen.hitparade.ch: Wie gefällt Deinem Sohn eigentlich Deine Musik? Ist er Bligg-Fan?
Bligg: Er ist jetzt viereinhalb Jahre alt. Seit etwa zwei Jahren hört er Musik aktiv und singt auch mit. Ich habe jedoch immer versucht, diese Bligg-Geschichte von ihm fernzuhalten. Das eine ist privat, das andere Geschäft. Ich will auch nicht, dass er im Kindergarten damit konfrontiert wird. Vor genau zwei Jahren war der Song "Us Mänsch" im Radio sehr präsent. Und da hat er es selbst gecheckt. Dann hat er im Auto jeweils mitgesungen und das war schon ein schönes Gefühl. Da habe ich sogar ein wenig feuchte Augen bekommen (lacht). Inzwischen hat er mich sogar auch schon "Bligg" genannt, wenn er meine Aufmerksamkeit wollte. Es interessiert ihn jetzt, deswegen habe ich ihm ein paar Alben gegeben.hitparade.ch: Du machst auf deinem YouTube-Kanal (BliggTV) einen Vlog namens "APROPOS - "Ein Bligg hinter die Kulissen". Im neusten Beitrag sieht man Deine Fans, wie sie Deine Musik feiern. Mal eine Guggen-Musik, die Deine Songs spielt, dann wieder ein Kinderchor, der "Rosalie" singt… Wie fühlt sich das für Dich an, solche Bilder zu sehen?
Bligg: Es ist ein sehr spezielles, grossartiges Gefühl. Natürlich weiss ich, dass Schulchöre und Guggen-Musiken meine Songs spielen. Aber die Möglichkeit, diese Bilder zu sehen und das zu hören, die gibt es noch nicht so lange. Erst seit Zeiten von Social Media. Wenn ich als Künstler in jungen Jahren eine CD veröffentlicht habe, da hatte ich keine Ahnung, wie meine Fans aussehen und wie ihnen die CD gefällt. Erst bei den Konzerten erhielt ich Feedback und sah, welche Menschen meine Musik hören. Heute kriegst Du bereits am Release-Tag die ersten Feedbacks. Das hat sich natürlich gewaltig verändert. Ich kann jetzt die Früchte sehen, die ich früher gesät habe.hitparade.ch: Gratulation zur Silber-Auszeichnung für Deinen "Tannenschnaps", den Du selbst braust!
Bligg: Danke! Der Schnaps ist ein Hobby und Liebhaberei. Eigentlich war es nie mein Plan, ein alkoholisches Getränk auf den Markt zu bringen, gerade auch, weil ich eine Vorbildfunktion habe und keinen Alkohol propagieren möchte. Bei mir und meinem Team war es aber über Jahre eine feste Tradition, vor dem Konzert gemeinsam mit einem Schnaps anzustossen. Mehr aus Spass kam ich dadurch auf die Idee, einen eigenen Schnaps zu kreieren. Aus dieser Schnapsidee wurde der "Tannenschnaps". Ein komplettes Schweizer Produkt, bei dem ich beim ganzen Prozess vom Geschmack bis zur der Entstehung der Flasche bis zur Etikette involviert bin.Interview durchgeführt:
Bettina Wyss-Siegwart
Bettina Wyss-Siegwart
Redaktion:
Bettina Wyss-Siegwart
Bettina Wyss-Siegwart
Linktipps:
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