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Interview mit "Die Prinzen"

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Es kennen wohl alle ihre Hits wie "Gabi und Klaus" und "Mann im Mond". Die Prinzen sind gerade auf Jubiläumstour und feiern ihr 20-jähriges Bestehen. Wir haben Sebastian Krumbiegel in München zum Interview getroffen.

hitparade.ch: Ihr wart ja vor Kurzem in der Schweiz. Ihr wart an der Summer Night Party in Walenstadt. Wie war es für Euch, wieder einmal in der Schweiz zu sein?
Sebastian: Wir haben uns total gefreut, wieder in die Schweiz zu kommen. Das Komische an dem Abend war, dass wir einfach zu spät dran waren. Da hat vor uns irgend eine Hit-Band gespielt, das war ein schönes Konzert, aber die Leute mussten vorher schon weg. Das war für uns ein bisschen traurig. Wir freuen uns immer, wenn wir zu Euch in die Schweiz kommen dürfen, aber an dem Abend war einfach ein bisschen der Wurm drin. Die Hälfte der Leute war nicht mehr da, als wir nachts um halb zwei aufgetreten sind. Es wäre alles früher geplant gewesen und es hat sich alles nach Hinten verschoben. Das Festival war aber schön, es ist eine herrliche Gegend da. Wir haben es sehr genossen, es war halt einfach ein bisschen spät.

hitparade.ch: Wann wart ihr denn das vorletzte Mal in der Schweiz?
Sebastian: Das ist bestimmt auch schon wieder zwei Jahre her.

hitparade.ch: Wie wirkt das Schweizer Publikum auf Euch? Gibt es da Unterschiede zum deutschen Publikum?
Sebastian: Nein, ich glaube da gibt es keinen grossen Unterschied. Uns fragen die Leute in Deutschland immer, ob wir einen Unterschied zwischen Osten und Westen merken. Ich glaube, dass das Prinzen-Publikum eine überdurchschnittlich hohe Intelligenz auszeichnet und Schönheit (lacht). Nein, wir merken wirklich keine bedeutenden Unterschiede. Es gibt natürlich Mentalitätsunterschiede zwischen Norden und Süden, aber die merkt man sowieso. Die merkt man auf der Strasse oder in der Kneipe genauso. Prinzen-Konzerte sind einfach immer Party.

hitparade.ch: Ihr feiert jetzt das 20-jährige Jubiläum. Sind die Prinzen-Fans mit Euch gewachsen oder habt ihr noch immer Teenager im Publikum?
Sebastian: Das ist genau das Phänomen, worüber wir uns so freuen: Dass einerseits die Leute mit uns gewachsen sind, dass aber auch neue Leute nachkommen. Dass wir heute merken, dass sogar Kinder im Publikum dabei sind, die mit ihren Eltern zusammen kommen. Also die Eltern, die vor 20 Jahren Prinzen-Fans waren, bringen jetzt ihre Kinder mit. Und die zwingen die ja nicht dazu. Wir merken ab und zu, dass da fünf- oder sechsjährige Kinder auf den Schultern ihrer Väter sitzen und absolut textsicher unsere Sachen mitsingen. Und auch die Lieder, die schon 15-20 Jahre alt sind. Das freut uns natürlich wirklich sehr. Wir haben nicht das Gefühl, wir werden älter und das Publikum auch, sondern das Publikum "wächst nach".

hitparade.ch: Könnte das auch daran liegen, dass Ihr in Deutsch singt und Euch jeder versteht?
Sebastian: Ich denke, das liegt wirklich daran. Wir bekommen viel Post und viele Mails aus dem nichtdeutschsprachigen Ausland, von Leuten, die sagen, dass sie mit unserer Musik Deutsch lernen. Ich war vor 1.5 Jahren in Amerika und dort stehen wir in den Schulbüchern drin und die Kinder lernen mit Songs wie "Millionär" den Konjunktiv. Und die sagen, dass sie mit unseren Texten gut Deutsch lernen können, weil wir uns gut artikulieren, man versteht uns. Im Gegensatz zu einem Grönemeyer oder Udo Lindenberg, die ins Mikro nuscheln (lacht).

hitparade.ch: Aber an so etwas habt Ihr nicht gedacht, als Ihr mit den Prinzen angefangen habt, oder?
Sebastian: Nein, das wäre ja grössenwahnsinnig gewesen. Aber natürlich ist das toll, wenn man seiner Musik am anderen Ende der Welt begegnet. Das ist ja nicht nur Amerika, wir haben auch Fans in Japan. Da gibt es weltweit eine Gemeinde, die uns dank YouTube und dank des Internets verfolgt und die dann teilweise wirklich an die Konzerte kommen. Wir haben eine japanische Fangruppe, die sich, wenn wir auf Tour sind, regelrecht frei nehmen, durch Deutschland reisen und sich etwa 15 Konzerte angucken.

hitparade.ch: Du hast YouTube erwähnt. Wie steht Ihr zu Plattformen wie Myspace, Twitter oder Facebook?
Sebastian: Ich finde das eine wunderbare Erfindung. Man merkt auch, was das politisch ausrichtet. Man kann nach Nordafrika gucken und sieht, was dort passiert. Durch Facebook und Twitter entstehen da ganz neue Bewegungen. Diese neue Technik kann auch die Freiheit transportieren. Ich finde das sehr faszinierend, wenn man sich das mal anguckt. Man sagt ja, dass die Revolution in Nordafrika durch Facebook und Twitter unter die Leute kommt und dass diese Plattformen das Transportmittel der Idee ist. Für die Musik ist es auch gut, aber natürlich muss man über die Urheberrechte nachdenken. Und damit bin ich selbst ein wenig überfordert. Ich habe da keine richtige Meinung dazu. Wenn mein 15-jähriger Sohn zu mir kommt und sagt, er wünscht sich Peter Fox oder Linkin Park, ob ich ihm das brennen könne, dann sage ich: "Hm, die Leute verdienen doch ihr Geld damit, genau wie wir, überleg' doch mal, wünsch' es Dir lieber zum Geburtstag oder spare und kauf' es Dir", dann mault er ein bisschen 'rum. Und dann kommt er zwei Wochen später aus der Schule nach Hause mit einer Festplatte wo drei Wochen Musik drauf sind. Und dann weiss ich auch nicht, wie ich da reagieren soll. Es ist meiner Ansicht nach wirklich ein weites Feld. Es ist Quatsch, die Leute zu kriminalisieren, weil: Es ist möglich, was da möglich ist. Aber man sollte den Leuten immer wieder sagen: "Wenn Euch die Musik so mitreisst und ihr aber dafür kein Geld ausgebt, dann sorgt ihr auch dafür, dass eine Musik ausstirbt". Vielleicht ist das eine ganz normale, digitale Revolution, so wie es auch einmal die industrielle Revolution gab. Ich weiss nicht, wie ich damit umgehen soll. Wir sind in der schönen Lage, dass wir von unserer Musik leben können, aber wenn man denkt, wie das früher gelaufen ist… Ich will dem ja nicht hinterherheulen. Es ist wie es ist und wir leben damit. Aber es ist auf jeden Fall umstritten. Meiner Meinung nach geht es nicht, wenn man sagt, es sei nichts wert. Es ist etwas wert! Wenn da Jemand ist, dem etwas einfällt, sei es nun ein Buchschreiber, ein Filmemacher oder ein Musikschaffender, der sollte schon auch dafür bezahlt werden. Du gehst ja auch nicht zum Bäcker und sagst: "Gib mir mal ein paar Brötchen umsonst". Es ist wirklich ein schwieriges Problem und ich kann mich da gar nicht richtig positionieren. Ich bin kein Maschinenstürmer, ich weiss, dass das alles möglich ist. Ich versuche, den Leuten einfach immer zu erklären, dass gewisse Bands in der nächsten Generation nicht mehr da sein werden, wenn man sie nicht unterstützt.

hitparade.ch: Ihr seid ja jetzt 20 Jahre lang stabil geblieben, es gab keine Veränderungen innerhalb der Band seit der Gründung. Das ist schon sehr speziell. Gab's da auch mal Krisen?
Sebastian: Klar, na logisch. Wäre ja schräg, wenn es das nicht gegeben hätte. Ich glaube aber, dass wir mittlerweile klug genug sind, mit Krisen umzugehen. Ausserdem sind wir nicht dafür da, von irgendwelchen Krisen zu erzählen. Es kriselt in jeder Ehe, es kriselt in jeder Beziehung, in jeder Freundschaft. Und trotzdem ist das nicht die Botschaft, die Du nach aussen trägst. Wir sind wirklich sehr froh und sehr dankbar, dass wir uns schon so lange kennen, denn so wissen wir, wie wir miteinander umgehen können. Und wir können uns so auch untereinander gegenseitig Freiheiten gewähren, seien es Soloprojekte oder dass wir uns in eine andere musikalische Richtung orientieren und mit anderen Leuten zusammen Musik machen. Das ist sicher auch ein Grund, warum wir überhaupt noch zusammen sind. Wenn Du nur aufeinanderhockst, dann geht man einander irgendwann auf die Nerven und dann geht's irgendwann nicht mehr. Ich glaube da wirklich fest daran, dass das auch ein Programm ist, einander Freiheiten zu gewähren und auch mal über den Tellerrand hinaus gucken zu lassen. Diese Eindrücke kann man dann auch wieder mit in die Band hineinnehmen. Ich war grad gestern Abend an einem Konzert von KIZ, einem Berliner Hip Hopper. Ich finde ganz grossartig, was die machen, die Texte sind intelligent, wenn auch hart. Die machen sich ein bisschen über die ganzen Gangsta Hip Hopper lustig. Das war gestern in einem Club mit 600 Leuten, es war rappelvoll. Ich war mit meinem Sohn zusammen da und total begeistert. Damit will ich sagen: Man sollte immer mit offenen Augen durch die Gegend rennen. Ohne zu versuchen, etwas zu kopieren. Ich habe vorhin zu Matthias, unserem Bassisten gesagt, das ist eine andere Generation, die machen komplett andere Musik als wir. Wenn wir jetzt versuchen würden, das nachzuäffen, dann wäre das völlig schwachsinnig. Aber dass uns das beeinflusst, ist ganz normal. Ich höre ganz viel verschiedene Musik. Ich bin ja mit klassischer Musik gross geworden, wie wir alle. Im Thomanerchor Leipzig mit Johann Sebastian Bach. Danach hab' ich Popmusik gehört. Angefangen bei den Beatles, die uns wohl alle musikalisch irgendwie beeinflusst haben, über Queen zu den ganzen Brit-Pop-Sachen bis hin zu Hip Hop. Ich versuche eigentlich immer, ohne jetzt einen auf Berufsjugendlicher zu machen und irgendwelchen Trends hinterherzuhecheln, mich zu interessieren, was läuft. Und wenn junge Bands etwas zu erzählen haben, kann mich das kicken und inspirieren.

hitparade.ch: Ihr habt einen sehr einzigartigen Stil, den Ihr trotz Eurer klar erkennbaren Weiterentwicklung immer weitergezogen habt. Wie konntet Ihr jahrelang Eurem Stil treu bleiben? Woran liegt es, dass man Prinzen-Sound sofort erkennt?
Sebastian: Wir haben nie einen Masterplan, bei dem wir sagen, die nächste Platte müsse so oder so klingen. Wir schlafen mit dem Ohr an der Wand, wir lassen uns beeinflussen von Dingen, die rund um uns herum passieren und machen die Musik, die wir mögen. Das kann geschmacksmässig auch mal in ganz unterschiedliche Richtungen gehen, aber dafür sind wir eine Band. Wir lassen verschiedenste Stile zu und was am Ende dabei herauskommt, ist das, was die Prinzen ausmacht. Was die Prinzen zusammenhält, sind am Ende die fünf Stimmen, die wir haben. Anders singen können wir nicht und wollen wir auch gar nicht. Wir machen das seit 20 Jahren so und machen es hoffentlich auch noch die nächsten 20 Jahre.

hitparade.ch: Zu Euren Anfangszeiten habt Ihr ausschliesslich a cappella Musik gemacht. Könntet Ihr Euch vorstellen, wieder vermehrt solche Musik zu machen?
Sebastian: Wir machen das teilweise immer noch. An den Konzerten ist oft auch etwas A-cappella-mässiges dabei. Aber wir sind uns einig, dass wir nicht eine reine, puristische A cappella Band sind. Wir setzen uns keine Grenzen, es ist nichts verboten. Es ist alles erlaubt, es geht am Ende um die Musik und um Kunst. Und da solltest Du alles, was Dir gefällt, zulassen. Man sollte nicht sagen: "Das hat nichts mit a cappella zu tun, deswegen machen wir das nicht". Wir haben Instrumente dazugenommen und haben auch auf den Platten immer wieder reine a cappella Songs drauf. Die Klammer sind nur die fünf Stimmen. Alles Andere, was dazu kommt, ist möglich und nicht verboten.

hitparade.ch: Der Titel Eures Jubiläumsalbums ist "Es war nicht alles schlecht". Was war denn schlecht? Und: Ist der Titel auch eine Anspielung auf die DDR?
Sebastian: Jens hat da neulich so etwas gesagt. Er hat gesagt: "Ich hab' keine Fehler gemacht, ich hab' Erfahrungen gesammelt". Ich glaube, das ist eine ganz gute Einstellung. Dinge, die Du getan hast, kannst Du sowieso nicht mehr ändern. Und logisch haben wir bestimmt schon Entscheidungen getroffen, die nicht optimal waren, vielleicht haben wir wirklich "Fehler" gemacht. Aber sich danach deswegen zu zerfleischen und zu sagen: "Das war ja ein Riesenfehler, warum haben wir das nur gemacht", ist Unsinn. Es war eine Erfahrung, aus der man schlauer werden kann und dann passiert es nicht noch einmal. Ich glaube, es ist sowieso immer klüger, nach vorne zu gucken statt sich darüber aufzureiben, was in der Vergangenheit war und was man da eventuell falsch gemacht haben könnte. Wir gucken nach vorne und versuchen das zu machen, was wir am besten können, nämlich singen und Songs schreiben. Und ja, der Titel "Es war nicht alles schlecht" ist natürlich auch eine Anlehnung an diese ganze DDR-Sache. Wir haben versucht, das ein bisschen auf's Korn zu nehmen. Das Lied hat Tobias kurioserweise in London geschrieben. Tobias lebt in London und hat gesagt, dass er dadurch, dass er diesen Abstand zu Leipzig und Deutschland grundsätzlich hat, ein solches Lied schreiben konnte. In dem Lied geht es um nostalgische Gefühle, wie wir sie Alle haben. Wir denken oft, wie war das denn damals in unserer Kindheit, als wir das erste Mal verknallt waren, als wir das erste Mal gezeltet haben oder irgendwelche Sachen. Das sind Erfahrungen, die wir Alle gemacht haben, wir in Ostdeutschland, andere in Westdeutschland, Ihr in der Schweiz. Auf der ganzen Welt haben sich die Leute irgendwann das erste Mal verliebt und die ersten Erfahrungen gesammelt. Und genau darum geht es in diesem Lied. Wir spielen natürlich mit diesem Ossi-Ding. Wir wollen aber auch sagen, dass wir mit dieser "Ostalgie" eigentlich nichts am Hut haben. Es geht um Nostalgie, und das ist eine Sache, die erlaubt und normal ist. Wir Alle denken gerne an unsere Jugend zurück.

hitparade.ch: Wo wären die Prinzen heute, wenn es keine Wiedervereinigung gegeben hätte?
Sebastian: Ich glaube, die Prinzen würde es so gar nicht geben. Muss man schon so sagen. Vielleicht wären wir eine a cappella Band, das waren wir damals auch, zu Ostzeiten. Doch wir sind uns darüber im Klaren, dass wir extrem viel Glück hatten in den letzten 20 Jahren. Wir hatten vor allem das Glück, die richtigen Leute zur richtigen Zeit zu treffen. Das darf man nie unterschätzen. Man sollte nie so grössenwahnsinnig sein und sagen, wir sind die Grössten und die Tollsten und die Besten. Es gibt ganz viele Leute, die ganz gross und ganz toll sind und die wunderbare Musik machen, die aber nie das Glück haben, am richtigen Ort zur richtigen Zeit die richtigen Leute zu treffen. Und weil der Erfolg nicht kommt, geben sie auf oder verschwinden sonst in der Versenkung. Ich sehe das alles daher mit einer gesunden Portion Demut. Ich danke unserem Schicksal, dass wir Annette Humpe oder auch Udo Lindenberg getroffen haben. Das waren Leute, die uns wirklich geholfen haben, die uns Wege gezeigt und Türen aufgemacht haben. Ich weiss nicht, wo die Prinzen heute wären, aber es würde sie wohl so nicht geben. Man weiss es nie. Es ist eine müssige Frage, interessantes Gedankenspiel. Ich denke, wenn es die Wiedervereinigung nicht gegeben hätte, würden wir hier nicht sitzen und dieses Gespräch führen. Aber ich glaube ja, um das mal ein bisschen umzudrehen, die Wiedervereinigung hätte es irgendwann gegeben.

hitparade.ch: Und wenn alles ein Jahr später passiert wäre?
Sebastian: Dann hätten wir uns ein Jahr später getroffen (lacht). Aber wie gesagt: Gegeben hätte es sie sowieso. Wir haben ja vorhin über Twitter und Facebook und Nordafrika geredet. Die Leute haben keine Lust, sich verarschen zu lassen. Auch die Leute im Osten hatten das damals nicht. Und wir als Leipziger, wo die ganze Sache im Oktober 1989 ja ihren Höhepunkt erreicht hatte, waren da als Studenten wirklich mittendrin und haben erlebt, wie das war. Und es wäre sowieso dazu gekommen. Wenn es nicht im Oktober 1989 passiert wäre, dann halt ein halbes Jahr oder ein Jahr später. Die Ungaren haben die Grenzen aufgemacht, Gorbatschow hatte seine Perestroika losgelassen… Genau wie jetzt in Nordafrika. Die Leute merken, dass sie sich nicht von irgendwelchen machtbesessenen Typen verarschen lassen müssen. Das ist, glaube ich, eine ganz einfache Sache. Das alles wäre irgendwann passiert, nur schon durch die digitale Revolution. Ich bin mir da sicher.

hitparade.ch: Für Euer aktuelles Album habt Ihr ja einige Songs neu aufgenommen, unter Anderem "Gabi und Klaus 2.0". Wie habt Ihr die Songauswahl getroffen für dieses Best-Of-Album?
Sebastian: Wir haben uns zwar nicht gestritten, mussten aber schon konstruktiv diskutieren. Jeder hat seine Lieblingslieder. Am Ende haben wir einerseits natürlich die Hits genommen, andererseits aber auch ein paar Geheimtipps. Dass wir beispielsweise diese Titelmusik von Jim Knopf mit draufgenommen haben, von dieser Trickfilmserie, ist sicher ein Geheimtipp. Wir haben da immer sehr viel Post gekriegt und die Leute wollten wissen, auf welchem Tonträger dieser Song zu finden sei, da sie den Song immer im Fernsehen hören und so sehr mögen. Die Platte ist ein Mix aus Hits und Lieblingsliedern.

hitparade.ch: Welches ist denn Dein ganz persönliches Prinzen-Lieblingslied?
Sebastian: Das wechselt immer wieder. Wenn wir auf Tour sind, dann wechselt es sowieso immer, weil wir die Songs anders spielen als auf den CDs. Wir sehen unsere Songs nicht als unveränderbare Gemälde, sondern wir sehen die sehr lebendig. So wie wir momentan "Alles nur geklaut" oder "Schwein sein" live spielen, klingen sie ganz anders als vor 10 Jahren. Momentan ist die Fortführung von "Gabi und Klaus" mein Lieblingslied. Weil es halt eine Geschichte ist, wo die Leute merken, dass sie nun nach langer Zeit weitergeht. Das ist immer ein sehr schöner Aha-Effekt, wenn wir den live spielen.

hitparade.ch: Und wer kam auf die Idee, diesen Song so weiterzuführen?
Sebastian: Die Idee stand schon eine Weile im Raum. Da komme ich wieder auf die Leute zurück, die uns beeinflusst und uns Tipps gegeben haben. Man muss versuchen, sein eigenes Ding zu machen, aber sei so klug und nimm Tipps und Ratschläge von Leuten an, denen Du vertraust. Unser erster Verleger, den wir hatten, Peter Meise, der hat schon vor 10 Jahren gesagt: "Macht doch mal eine Fortsetzung von Eurem allerersten Lied, von "Gabi und Klaus". Was ist aus denen geworden?" Und jetzt, als es um diese Platte ging, da hab' ich diese Idee wieder aufgegriffen und mich mit Annette Humpe in Verbindung gesetzt und hab' sie gefragt, wie sie das denn machen würde. Ich hatte bereits ein Demo gemacht mit neuer Musik. Und Anette hat gesagt: "Nein, mach das nicht! Nimm die Musik, die schon da ist. Mach das genau so. Erzähl nur die Geschichte im Text weiter". Dann haben wir uns den Text mehrere Male hin und her gemailt und telefoniert… Irgendwann ist der Song dann so 'rausgekommen. Das hatte nicht nur etwas mit mir zu tun, sondern mit ganz vielen Leuten, die mich beeinflusst haben. Wie auch der Song von Tobias "Es war nicht alles schlecht" mit uns Allen etwas zu tun hat. Wir sind eine Band, wir treffen Leute, wir sind offen und versuchen, uns Tipps geben zu lassen. Wir lassen uns beeinflussen und versuchen aber genau das zu machen, was wir können.

hitparade.ch: Hättet Ihr rein theoretisch alte Songs wie "Ich kann nicht rappen", "Liebe im Fahrstuhl" oder "Portemonnaie" noch drauf?
Sebastian: Es ist auf jeden Fall schwierig nach diesen vielen Platten... Wir müssten auf jeden Fall in den Proberaum gehen. Wir hätten sie garantiert noch drauf, aber wir müssten das nochmals üben. So ganz spontan würde das jetzt wohl nicht funktionieren. Es würde wohl schon bei den Texten hapern. Ich finde das ja immer sehr faszinierend, wie die Leute, die vor der Bühne stehen, unsere Texte auswendig können. Wir hatten auch schon die Situation, dass ich einen Texthänger hatte, weil ich den Faden verloren habe, und da hat das Publikum dann weitergesungen, um zu helfen. Das ist wirklich wunderbar. Wir müssten uns jetzt aber schon nochmals 'ransetzen, wenn wir solche Songs wieder gemeinsam singen müssten.

hitparade.ch: Aber hört Ihr Euch denn Eure alten Alben ab und zu noch an?
Sebastian: Ich seh' hier grad Dein iPhone liegen, ich bin ja auch Apple User und... Wir können ja gleich nochmals an Steve Jobs denken... Das war eine traurige Geschichte. Wo war ich? Ah ja, also: Ich bin auch Apple User und habe einen iPod und ein iPhone. Da hab ich viel Musik drauf und stelle dann immer "Random" ein. Da kommt dann immer wieder Zeug, das ich seit Ewigkeiten nicht gehört habe. Eigene und auch fremde Sachen. Also, ich setze mich jetzt nicht hin und lege eine Prinzen CD in die Stereoanlage und tanz' dazu ab, aber ich hör's mir schon an. Und ab und zu kommt auch mal wieder etwas im Radio. Wir stehen zu dem, was wir gemacht haben und finden das nach wie vor gut.

hitparade.ch: Was erwartet die Fans auf Eurer Jubiläums-Tour?
Sebastian: Erstmal wirklich die Hits, die wir gemacht haben. Teilweise haben wir sie in ein anderes Gewand getaucht. Wir haben das in den letzten Jahren immer versucht zu machen, in der letzten Dekade - wie das klingt - haben wir angefangen, Akustik-Versionen der einzelnen Songs zu machen. Wir wollten es Unplugged machen, ohne Synthesizer und ohne Computer und ohne Loops. Wir hatten einen Flügel auf der Bühne und vier akustische Gitarren und natürlich unsere Stimmen. Irgendwann war das dann aber ausgereizt für uns. Wir haben einfach gemerkt, dass man in Locations 'reinkommt, in die man nicht 'reinkommt, wenn man sein Knall-Puff-Peng-Programm macht. Wir haben beispielsweise eine lange Kirchentour gemacht, wir haben in 50 Kirchen gespielt in Deutschland. Das war für uns eine wahnsinnige Erfahrung. Das waren alles Sachen, wo wir uns gesagt haben, wir wollen unseren Spass beibehalten. Wir wollen nicht an einen Punkt kommen, wo wir auf die Bühne gehen und sagen "Oh Mann, jetzt müssen wir schon wieder 'Küssen verboten' singen". Deswegen machen wir ein solches Lied, das 20 Jahre alt ist, auch mal ein wenig anders als damals. Die "Es war nicht alles schlecht" - Platte ist eben auch so entstanden, dass wir uns über Annette Humpe einen Produzenten gesucht haben, der "Ich+Ich" produziert in Berlin. Und den haben wir gebeten, die alten Gesangsspuren zu nehmen und sie so aufzubereiten, dass es moderne Popmusik wird. Der Charme und die Unschuld der Aufnahmen von vor 20 Jahren wurde so beibehalten, aber wir konnten damit eine neue Sache machen. Das ist uns gelungen und genauso wird es jetzt auch live klingen. Die Leute werden sich sicherlich über einige Dinge wundern.

hitparade.ch: Nach 20 Jahren Bühnenerfahrung: Ist man da überhaupt noch nervös, bevor man eine Bühne betritt?
Sebastian: Ich bin immer nervös, wenn ich auf die Bühne gehe. Da spielt es keine Rolle, ob ich vor 10'000 Leuten oder vor 50 Leuten spiele. Ich finde das gesund. Das ist kein "fishing for compliments", ich glaube einfach, das ist normal. Ich glaube, wenn ich irgendwann einmal abgezockt auf die Bühne gehe, dann sollte ich lieber aufhören. Das wäre nicht gut. Man sollte immer Respekt haben vor dem, was man tut, und auch vor dem Publikum. Ich bin immer angespannt. Es ist nicht so, dass ich hibbelig werde, anfange zu zittern und einen trockenen Mund kriege, aber es ist eine Anspannung und Aufgeregtheit da. Und das ist gut so.

hitparade.ch: Was für Pläne habt Ihr nach der Tour? Ist ein neues Studioalbum geplant?
Sebastian: Das ist eine schwierige Frage. Also, dass wir weitermachen ist klar. Am liebsten nochmals zwanzig Jahre. Man weiss halt nicht, wo das Leben einen hinführt und was da alles noch passiert. Ich glaube aber, es ist auch an der Zeit, einmal etwas völlig Neues auszuprobieren und etwas ganz Anderes zu machen. Vielleicht etwas, das die Leute nicht von uns erwarten. Wir sind momentan dabei, uns da ein Konzept zu erspinnen. Ich kann noch nicht sagen, was es sein wird, denn ich weiss es selbst noch nicht genau. Es ist noch nicht in dem Topf, in dem es kochen soll. Jedenfalls sind wir nach wie vor gut unterwegs im Kopf und wollen nicht unsere eigene Oldie-Band werden. Das macht keinen Spass und wir wollen auch nicht einem alten Hit hinterherrennen. Wir wollen einfach das tun, was wir können. Das ist Singen und Songs schreiben. Mal gucken, was daraus wird.

hitparade.ch: Und die Schweizer Fans dürfen auf ein Konzert hoffen?
Sebastian: Unbedingt. Das war vorhin vielleicht ein bisschen ein blöder Einstieg von mir, wegen dem Konzert in Walenstadt. Es war halt wirklich irgendwie schade, weil wir die Konzerte in der Schweiz immer sehr gerne gemocht haben. Wenn ich beispielsweise ans Volkshaus Zürich denke: Das waren für uns immer absolute Highlights.

hitparade.ch: Kommen wir zur Top 10 der Schweizer Alben-Charts. Kannst du sie kommentieren?

James Morrison - The Awakening
Sebastian: James Morrison find' ich klasse, den hab ich neulich bei Harald Schmidt gesehen. Fand ich sehr gut.

David Guetta - Nothing But The Beat
Sebastian: David Guetta find' ich auch okay.

Rosenstolz - Wir sind am Leben
Sebastian: Das ist mainstreamige Popmusik. Böse könnte man sagen, es ist der kleinste gemeinsame Nenner. Das wäre aber zu böse. Wir kennen die ganz gut, wir haben fast zusammen angefangen. Und ich freue mich total für die Beiden, dass sie es wieder gebacken gekriegt haben, nach dieser ganzen BurnOut-Geschichte. Was ist das, warum Menschen immer wieder zusammenklappen, dieser Leistungsdruck in unserer Gesellschaft, das ist nicht gesund und das wissen wir Alle auch. Ich freue mich, dass die Beiden nun wieder da sind, wo sie hingehören.

Adele - 21
Sebastian: Adele find' ich grossartig. Sie ist nicht Amy Winehouse, das muss man sagen. Ich sage das jetzt nicht, weil sie tot ist, aber für mich ist Amy Winehouse etwas Besonderes. Sie hat so tief in ihre Seele blicken lassen, so etwas habe ich zum letzten Mal bei Janis Joplin gehört in den 60er Jahren. Aber Adele ist 'ne grossartige Platte. Sie hat auf dieser Scheibe auch einen Song von "The Cure" gecovert. Das finde ich interessant. Das war einfach ein Lied, das ihr gefallen hat.

Red Hot Chili Peppers - I'm With You
Sebastian: Vor denen verneige ich mich zutiefst. Ich kenne die neue Platte noch nicht. Bin ein grosser Fan, hab sie auch schon live erlebt.

Pink Floyd - The Dark Side Of The Moon
Sebastian: Das ist ein Klassiker! Es gab ja diese unsägliche Trennung zwischen U- und E-Musik. Unterhaltungsmusik und ernstzunehmende Musik. Das lehne ich ab, das ist doch Schwachsinn! Am Ende ist die Musik auf "The Dark Side Of The Moon" klassische Musik. Das ist ein Klassiker, genau wie die Beatles auch Klassiker sind. Einfach Musik, die die Leute in 50 oder 100 Jahren noch hören werden. Ich hab' kürzlich mal wieder den Mozart-Film "Amadeus" gesehen. Da ist mir mal wieder bewusst geworden, dass der auch Popmusik gemacht hat. Er hat Musik für seinen Kaiser, der ihn bezahlt hat, Musik gemacht, aber am Ende haben die Leute auf der Strasse seine Melodien mitgesungen und gepfiffen. Man sollte diese komische Unterscheidung endlich mal über Bord werfen. Wer weiss, ob die Sachen, die heute in den Top 10 sind, ob die in 10 oder 50 Jahren noch Jemand kennt. Ich weiss es nicht, ich will es mir nicht anmassen, zu behaupten. Aber die Beatles, das glaube ich zumindest, werden auch in 100 Jahren noch gehört. Und wir sehen ja hier: Pink Floyd mit "The Dark Side Of The Moon" ist auch immer noch in aller Ohr, dabei ist es schon etwa 30 Jahre alt. Da kommt mein Sohn und sagt "Hey, ich hab' heut 'Yesterday' gehört. Geiles Lied" (lacht). Und dann sag' ich: "Hey Paul, guter Geschmack".

hitparade.ch: Und die Prinzen stehen dann auch noch immer in den Schulbüchern…
Sebastian: Das wäre jetzt fast blasphemisch, die Prinzen mit den Beatles zu vergleichen. Aber natürlich freuen wir uns, wenn auch wir die Zeit überdauern. Wir freuen uns, wenn wir sehen, dass 10-jährige Kinder unsere Musik hören. Dann haben wir wohl nicht allzu viel falsch gemacht, glaube ich.

Blink 182 - Neighbourhoods
Sebastian: Find' ich gut!

Nirvana - Nevermind
Sebastian: Es ist ja auch wieder 20 Jahre her, seit diese Platte erschienen ist und ich hab' mir mal wieder die Tagebücher von Kurt Cobain nochmals gelesen. Sie sind ziemlich chaotisch, aber grossartig! Es war damals etwas Neues und ich glaube auch hier, dass das klassische Musik ist. Es gibt ja Leute, die sagen, Kurt Cobain und Nirvana seien überschätzt, nur weil er sich damals die Kugel gegeben hat. Wenn Du Dir die Musik aber anhörst, dann spürst Du, dass da so viel Gefühl, Schmerz, Verzweiflung und Liebe drinsteckt. Wie gesagt, es ist kein Zufall, dass Sachen wie Pink Floyd und Nirvana mit alten Sachen wieder in die Charts kommen. Das heisst, die Leute mögen es noch immer, und da freue ich mich darüber.
Interview durchgeführt: Bettina Siegwart, Steffen Hung
Redaktion: Bettina Siegwart