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Interview mit der Ersten Allgemeinen Verunsicherung

Foto HRSchulz





"30 Jahre gibt's die EAV - warum? Das weiss man nicht genau!" Zwei Dekaden nach dem skurrilen Hitmedley "Kann denn Schwachsinn Sünde sein?" gingen wir gemeinsam mit Frontmann Klaus Eberhartinger dem Phänomen der österreichischen Satire-Combo wieder einmal auf den Grund und sprachen über die Kraft aus der Bosheit sowie die anstehende Fussball-EM.

hitparade.ch: Nach mehreren Jahrzehnten bei der Plattenfirma EMI habt ihr im Jahre 2005 zu Sony BMG gewechselt. Wie kam es dazu? Was hat sich bei der neuen Plattenfirma nun verändert?
Klaus: Unser Vertrag bei der EMI war bereits 2003 ausgelaufen. Damals hatten wir eigentlich ganz grundsätzlich die Schnauze voll von dem mechanischen Trott, Platten machen zu müssen. Da wir 10 Millionen Platten verkauft hatten, konnten wir uns das leisten. Wir haben auch unseren kontinuierlichen Abstieg gut verkraftet. Jeder, der oben ist und glaubt, dass er immer oben bleibe, ist dumm. Ich finde es auch durchaus gut, dass jeder irgendwann Platz machen muss für andere. Nach langen Durststrecken geht es erfahrungsgemäss dann auch immer wieder aufwärts.
Das, was Du als Musiker tust, musst Du zwingend gerne machen. In dem Paradies, in dem Thomas Spitzer und ich seit 15 Jahren wohnen, in unseren Häusern in Kenia am Indischen Ozean, haben wir versucht, eine Aussteigerideologie zu betreiben. Ein bisschen lesen, ein bisschen Charity - doch das befriedigte uns nicht. Es war eine heilvolle Erfahrung, zu spüren, dass Nichtstun eine Tortur ist für jemanden, der noch etwas loszuwerden hat. Natürlich haben wir jedes Jahr eine Handvoll Galas gespielt, damit die Band wieder einmal etwas zu tun hatte. Ich hab dann aber irgendwann gesagt: "Lasst uns doch noch mal eine Platte machen!" Und so begaben wir uns wieder auf die Suche nach einer Plattenfirma. Die BMG ist damals dann eigentlich sehr schnell aufgesprungen. Das war schon lange meine Traumfirma. Denn die BMG in München gehörte einfach zu unserem Kulturkreis. In Deutschland fühle ich mich eher auf der Achse Wien-Berlin-München zu Hause.
EMI gehört da eher in die Karnevalszone als Kölner Firma und wir hatten daher eigentlich nie einen guten Draht zueinander. Wir hatten gewissermassen immer Erfolg "trotz" und nicht "wegen" dieser Plattenfirma.

hitparade.ch: War es nicht unbefriedigend, auf dem ersten Album bei Sony BMG - 100 Jahre EAV - in erster Linie alte Hits zu recyclen?
Dass die BMG sich bei unserem ersten Album gleich die alten Hits krallen wollte, kann ich verstehen. Das ist das Spiel der Musikindustrie. Und nach 30 Jahren auf der Bühne kann man sich gewissermassen in einem buddhistischen Gleichmut baden, wenn die Leute um einen zu gierigen Geiern werden. Wir wollten im Anschluss die neuen Versionen gleich vors Publikum tragen. So entstand die 100-Jahre-Tournee, die sehr gut gelaufen ist. Das war wirklich toll und hat sowohl uns als auch dem Publikum sehr viel Spass gemacht.

hitparade.ch: Das Cover des letzten Studioalbums bei EMI - Frauenluder - kam intellektueller, psychedelischer daher als alle bisherigen CDs von Euch.
Klaus: Sag das mit dem psychedelisch nicht so laut! Das ist ein Gemälde von Thomas Spitzer. Er bereitet derzeit ja gerade auch eine Vernissage vor und präsentiert dort ein paar äusserst interessante Stile. Wir wollten unser Vorhaben, mit dem Album etwas ganz anderes zu machen, auch optisch erkennbar machen. Ich finde das Bild unglaublich ästhetisch.

hitparade.ch: Das neue Cover ist ja wieder ein Comic. Wie entstehen solche Cover?
Klaus: Thomas ist als Absolvent der Kunstakademie auch hier der Zeichner. Er hat ja auch die EAV damals für seine Promovierung missbraucht. Er kann eben sehr gut Comics zeichnen. Auch der Nasenbär, den ich ja eigentlich hasse, wurde von ihm entwickelt.

hitparade.ch: Auf "Amore XL" präsentiert sich die EAV deutlich ernsthafter als auf früheren Alben. Seid ihr auf Inhalte gestoßen, bei welchen ihr die satirische Form für ungeeignet erachtet habt?
Klaus: Nein, das hat damit absolut nichts zu tun. Wenn man in unserem Alter schon noch mal ins Business zurückkehrt und sich das noch mal freiwillig antut, dann kann man sich auch einen gewissen Luxus gönnen. Freiwillig deshalb, weil sowohl Thomas als auch ich ohne von Existenzängsten geplagt zu werden, im Paradies bleiben könnten. Aber wenn man dann doch noch einmal zurückkehrt, will man sich den Luxus gönnen, das zu machen, was man will. Das ist unter anderem auch die Ernsthaftigkeit, die wir uns zuvor nie getraut haben.
Bei "Dann & Wann" zum Beispiel geht es um die Toleranz gleichgeschlechtlichen Beziehungen gegenüber, da wir finden, dass es im Jahre 2008 Zeit wäre, das vatikanische Boot zu verlassen.
Bei "Panga panga" geht es um die Beschneidung der Frau. Zu letzterem gibt es weltweit sehr beachtliche Ziffern. Erfreulicherweise wurde das Thema jetzt auch kürzlich bei der Berlinale durch Catherine Deneuve thematisiert. Das erscheint mir sehr wichtig, da es eine wirklich grausame Angelegenheit ist.
Es finden sich aber auf "Amore XL" auch echte Liebeslieder wie "Herz gestohlen" oder "Für Dich". Wobei letzteres ein Pop-Song ist, der von einigen Fans für seine Stromlinienförmigkeit kritisiert worden ist, Das sind aber einfach Sachen, die wir uns jetzt erlauben, obwohl man von der EAV sonst anderes gewohnt ist.
Selbstverständlich befindet sich auf dem Album aber auch Typisches wie "100 Jahre Oma" oder "Ein Freund". Lieder mit Kraft aus der Bosheit, die ich sehr mag.

hitparade.ch: Wie muss man sich den Entstehungsprozess eines EAV-Albums vorstellen? Wie häufig sitzt ihr, wenn ihr nicht gemeinsam auf Tournee seid, zusammen und arbeitet an neuen Songs? Welche Rolle spielt dabei neben den Urgesteinen Spitzer und Eberhartinger der Rest der Truppe?
Klaus: Thomas ist der Motor und das ist er auch immer schon gewesen. Er ist im Wesentlichen Texter und Komponist, brütet einsam vor sich hin. Und bevor's ihm den Arsch zerreisst, komme ich dann hinzu. Er kommt nämlich in der Regel erst mit rudimentären Ideen daher, die man dann schon ausarbeiten muss, da es zuweilen Steissgeburten sind, oder die einen dringenden Kaiserschnitt benötigen. Im Studio begeben wir uns gemeinsam auf die Suche, ob sich eine Idee überhaupt auszahlt bzw. in einer ansprechenden Form realisieren lässt. Kurt Keinrath, der seit 15 Jahren Studiomaster und Kapellmeister ist, ist eigentlich der dritte EAVler, der bei der Gestaltung der Aufnahmen mitwirkt. Die anderen Leute der Band sind für die Live-Auftritte da.

hitparade.ch: Hat euer Leben in Afrika euch auch künstlerisch beeinflusst?
Klaus: Nein. Da müssten wir ganz was anderes machen. Dann könnte man es nicht mehr unter der Ägide EAV laufen lassen.

hitparade.ch: In eurer musikalischen Karriere haben sich eure Wege gekreuzt mit anderen österreichischen Musikgrößen wie Christian Kolonovits oder Gert Steinbäcker von STS. Wie intensiv ist der Kontakt mit den alten Weggefährten heute noch?
Klaus: Das sind alles gute Freunde… und das meine ich nicht zynisch.

hitparade.ch: Die Fussball-EM steht vor der Tür. Rainhard Fendrich singt "Wir sind Europa". Was ist Eure Botschaft zum Fussballfest und wird man sie musikalisch von Euch zu hören bekommen?
Klaus: Hätten wir ein Lied geschrieben, wäre es ein Bösartiges geworden. Ich werde mir die Spiele anschauen. Es wird sicher hervorragende und auch lustige Spiele geben. Es wird ein paar Abschüsse geben, dafür wird Österreich sorgen. Österreich hat schlechten und nicht wirklich wichtigen Fußball, deshalb werden wir uns auf die Gastgeberrolle konzentrieren, denn das können wir wirklich gut. Österreich kann ja auch nur gewinnen. Sollten wir früh ausscheiden, war das dann sowieso klar und es hat's jeder gewusst. Sollten wir aber doch weiter kommen, sind alle vor lauter Glück kaum zu bremsen. In der Schweiz sieht es da schon etwas anders aus, wobei dies auch nicht immer so war. Den jetzigen Erfolg habt ihr in erster Linie einem Nationaltrainer zu verdanken, der irgendwann einmal Jugendtrainer war und einer der Männer ist, die ein Handerl für Fussball haben.

hitparade.ch: Was darf das Publikum von eurer aktuellen Live-Tournee erwarten? Werden viele neue Songs zu hören sein oder greift ihr in erster Linie auf die altbewährten Klassiker zurück?
Klaus: Teils, teils. Natürlich muss man alte Hits dabei haben. Einfach vom Erkennungswert her braucht man das. Obwohl natürlich meistenteils Leute kommen, die uns auch kennen. Wir haben auch ein paar ältere Schmankerln dabei, die man nicht mehr so in Erinnerung hat. Und natürlich auch etliche neuere Nummern. Es ist auch die eine oder andere ernsthafte Nummer dabei, aber ohne Ironie geht's nicht.

hitparade.ch: Was ist es für ein Gefühl, wenn selbst nach über 20 Jahren die Besucher bei Konzerten Songs wie "Küss die Hand schöne Frau" oder "Märchenprinz" ausgelassen mitsingen?
Klaus: Das passt schon so. Es gibt Schlimmeres (lacht). Es haben sich nunmehr etliche EAV-Songs zu Evergreens entwickelt.

hitparade.ch: Sind eure Fans mit euch älter geworden oder sind viele davon teilweise jünger als eure Songs?
Klaus: Das ist verschieden. Natürlich gibt es Fans, die älter geworden sind. Die Altersgruppe, die uns so wirklich kennt, wäre wohl 40+. Es gibt aber auch viel Jüngere studentischen Alters, die damals kleine Kinder waren. Oder dann ganz andere, die uns jetzt einfach neu entdecken und toll finden.

hitparade.ch: Vor einigen Monaten gab es in den Medien über eine bandinterne Hochzeit zu lesen. Erzähl mal davon…
Klaus: Na ja, das war die Präsentation der "Amore XL". Man macht eine Platte und will dann schon mit Marketing etwas drauf aufmerksam machen. "Liebe" ist eine alte Idee von Thomas und mir und das wollte man dann auf den Pressefotos umsetzen. Auf der Bühne haben wir das ja nicht hingekriegt mit Männern und Frauen. Für die Pressefotos sollte dann aber das Paar Spitzer / Eberhartinger schon da sein. Ich habe ja schon so einige Erfahrungen mit den Frauenklamotten und ich konnte es Thomas nicht wirklich antun, seinen Bart abzumachen. Deshalb habe ich dann die Frau gespielt und Thomas den Mann. Und es war wirklich lustig. Wir haben dann eine wirkliche Hochzeit auf einem wirklichen Standesamt gefeiert. Der Plattenchef hat die Rede gehalten. Eine Woche später haben wir uns in München wieder feierlich scheiden lassen.

hitparade.ch: Wie geht es musikalisch bei euch weiter. Gibt es schon Pläne für ein neues Album?
Klaus: Nein, das ist noch zu früh, aber die Möglichkeit besteht. Die Wahrscheinlichkeit besteht sogar.

hitparade.ch: Zu den Top 10 der aktuellen Schweizer Hitparade. Kannst du deine Kommentare abgeben?
10. Mika - Happy Ending
Klaus: Mika kennt man natürlich. Er ist ein toller Künstler, der sensationell aufgeschlagen hat und seither die Aufmerksamkeit auf sich gezogen hat. Das ist ja das Wichtigste. Da kannst du noch soviel Talent haben, man muss trotzdem erstmal auf sich aufmerksam werden.

9. Ich + Ich - Stark
Klaus: Das ist ja die Humpe mit diesem Sänger. Die Produktionsqualitäten von der Humpe sind bekannt. Sie hat aber jetzt auch noch das richtige Gesangspendant gefunden und das läuft sehr gut so.

8. Alicia Keys - No One
Klaus: Ich glaube, das konkrete Lied kenne ich nicht. Doch Alicia Keys war gut und wird immer gut sein. Besonders dann, wenn sie die Phase überwunden hat, wo sie auch bei den ganzen Bad Boys und den ganzen Puff Daddys geliebt werden möchte. Wenn sie sich dann mal richtig emanzipieren kann, dann kann sie auch eine richtig Grosse werden.

6. Rihanna - Don't Stop The Music
Klaus: Das ist doch alles schwarzer Retortenpop aus Amerika. Man nehme ein halbwegs gut aussehendes, möglichst junges Mädel, welches natürlich stimmlich schon was kann. Davon gibt es etliche in Amerika. Und dann schreibt man ihr eine Nummer auf den Leib. Da gibt es Produzenten, die das wirklich gut können.

5. Lenny Kravitz - I'll Be Waiting
Klaus: Lenny Kravitz ist einfach Lenny Kravitz. Erstaunlicherweise einer der wenigen Schwarzen, die Gitarrenrock machen.

4. DJ Ötzi & Nik P.Ein Stern (... der deinen Namen trägt)
Klaus: Ein Phänomen. Und es liegt schon irgendwie an der Stimme von Gerry Friedle. Der hat irgendein Charisma in seiner Stimme, welches alte Hits wieder hervorhebt.

3. Stefanie Heinzmann - My Man Is A Mean Man
Klaus: Habe ich jetzt gerade nicht im Ohr, sie ist aber eine Schweizerin, richtig?

2. Timbaland presents OneRepublic - Apologize
Klaus: Timbaland ist eine mörderische Produktionsschmiede. Da ist noch nichts raus gekommen, das nicht funktioniert hat.

1. Leona Lewis - Bleeding Love
Klaus: Sony BMG wird mich schlagen, wenn ich sage, dass ich jetzt spontan gerade nicht weiss, welcher Song das ist.