Interview mit Hannes Barfuss
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Der Bündner Musiker Hannes Barfuss setzt sich ein für die Jugendkulturförderung. Ein politisches Lied, welches für viel Aufruhr sorgt. Was den ehemaligen Sänger der Band "And Her Name Is Violet" genau beschäftigt und wie es zu diesem Song gekommen ist, erzählt er uns im Interview. Ein Thema, das die ganze Schweiz angeht.hitparade.ch: Du scheinst die Gitarre sehr gut im Griff zu haben. Wann hast du mit der Musik angefangen?
Hannes: Als Kind habe ich Klavierstunden genommen. Ich war zu jung, und es ging ziemlich daneben. Nachher wollte ich mindestens vier Jahre lang keine Musik mehr machen. Mit etwa 14 Jahren habe ich mir meine erste Gitarre gekauft. Ein Freund von mir hatte eine E-Gitarre, und dem sind immer alle Frauen nachgelaufen. Ich dachte wohl, es läge an der Gitarre, war aber nicht so. Auf jeden Fall spiele ich jetzt auch wieder Klavier, und das sogar sehr begeistert.
hitparade.ch: Du machst momentan Schlagzeilen mit deinem Song "Vo Khuur obanaba", welcher schon in der ersten Woche mehr als 10'000 Views hatte. Was war der Ausschlag gebende Punkt? Hattest du schon lange Zeit vorher im Kopf, dass etwas getan werden muss?
Hannes: Dieses Polizeigesetz gegen die Jugendfreiheit, welches ja nur ein Teil des Ärgers ist, war ein Volksentscheid. Es wurde beschlossen, als ich noch nicht 18 Jahre alt war, fand es aber schon von Anfang an völlig daneben. Was den Ausschlag gab, war, dass das Openair in Chur keine Bewilligung bekommen hat. Es wurde beschwichtigt, bei dem Entscheid sei alles korrekt abgelaufen. Nun ja, meiner Meinung nach stimmt schon das nicht ganz - ausserdem haben wir keinen Ort hier für die Jugendkultur, also wo sollen wir denn sonst hin wenn nicht in den öffentlichen Raum, der uns allen gehört?! Da wollte ein Verein ein Openair veranstalten. Sie hätten 100%ige Kostendeckung gehabt, es hätte Sponsoren gegeben, es wäre perfekt organisiert gewesen, und dann scheitert es an einem beschissenen Bewilligungsentscheid. Was mich am meisten nervt, ist, dass diese Entscheide wohl durch einzelne Anwohner, die sich am Lärm stören, entstehen. Es wird sofort gedacht, dass die Jugendlichen heutzutage sowieso nur herumsaufen.
Nochmal zurück zur Jugendkulturförderung: Uns wird stets gesagt, man habe kein Geld und so weiter. Ich finde, es ist keine Frage des Geldes, sondern die Frage lautet: Wie viel ist euch eure junge Generation wert? Das Geld wäre durchaus da, es wird nur seltsam verteilt: Die Bahnhofstrasse aufzureissen und teure Granitsteine als Hingucker für Touristen hineinzupflanzen scheint wichtiger zu sein als endlich einmal die Lücke des Kulturangebots für 17- bis 30-Jährige zu schliessen. Ich glaube aber, dass wir in dieser Hinsicht etwas erreichen können, wenn wir positiven, sympathischen Druck ausüben.
hitparade.ch: Auch die Schliessung von Clubs scheint durch einzelne Lärmklagen in der ganzen Schweiz ein Problem zu sein, wie zum Beispiel das "Abart" in Zürich, in welchem schon legendäre Bands gespielt haben.
Hannes: Wenn wenige Anwohner das Scheitern eines Anlasses oder Clubs entscheiden können, finde ich das Willkür. Es ist generell daneben, wenn man denkt, dass das Anliegen von 20 Anwohnern wichtiger ist als die restlichen 1'000 Leute, sei es ein Festival oder ein Club, den es schon seit Jahren gibt und vorher da war. Es gibt in den Schweizer Städten genug wunderschöne Wohngebiete ausserhalb der Treffpunkte für Junge. Ich verstehe nicht, wieso man in einer Ausgangsmeile wohnt, wenn man sich wegen des Lärms gestört fühlt.
hitparade.ch: Den Song "Vo Khuur obanaba", den man sich auf YouTube anhören kann, kommt dem einen oder anderen Hörer ein bisschen bekannt vor von der Melodie her…
Hannes: Ja genau, die Melodie ist von dem Song "Stop Crying Your Heart Out", von der Band Oasis. Es ist mein Oasis-Lieblings-Song, doch momentan kann ich ihn nicht singen, wenn hier in Chur so viel Scheisse abläuft. Man könnte den Songtitel umbenennen in "Start Crying Your Heart Out".
hitparade.ch: Du hast auch zur friedlichen Demo aufgerufen, welche sich schnell bei den Jugendlichen, Stadträten und Medien herumgesprochen hat; mehrere hundert Jugendliche haben sich dazu versammelt. Auch in Bern gab es eine Demonstration gegen das Club-Sterben und die Regeln der Stadt für die Jugendlichen, welche zur Einschränkung führen. Viel Aufsehen, doch kann etwas verändert werden?
Hannes: Es ging alles friedlich wie gedacht und das hat mich gefreut. Ein gutes Beispiel ist das Zitat des Stadtpräsidenten von Chur, Christian Boner. Im aktuellen Bericht von "Schweiz aktuell" zitiert er: " Wenn einzelne Leute unzufrieden sind, ja". Ich finde das eine unglaubliche Ignoranz. Das Gleiche könnten wir umkehren, wenn wir bedenken, dass solche Regeln bestehen durch einzelne Leute, die sich ab Lärm und den Jugendlichen nerven, ein wirklich schwaches Argument. Die Polizeigesetze sind Volksentscheide, es gibt eine Möglichkeit, dies zu ändern: Man müsste zuerst eine Initiative ausarbeiten, welche der Prüfung standhält, dann braucht es genügend Unterschriften, was aber kein Problem sein sollte und schlussendlich geht es darum, viele junge Leute zum Abstimmen zu bringen, denn die meisten stimmen nicht ab, weil es auch kompliziert übermittelt wird oder sich viele mit Politik gar nicht beschäftigen. Es sollten aber auch ältere Leute abstimmen, und zwar solche, die nicht so schnell Vorwürfe machen und sich leicht von den Zeitungen beeinflussen lassen, wenn schon wieder etwas von einigen Schlägern geschrieben wird. Was genau politisch unternommen wird, ist aber noch Gegenstand der Diskussion. Es wird viel Schlechtes über die heutige Jugend geschrieben, doch wir sind nicht so schlimm, wie es dargestellt wird. Durch die negativen Schlagzeilen entstehen viele Vorurteile und schlechte Meinungen über die ganze junge Generation. Wir wollten auch genau deshalb die Demo friedlich und positiv gestalten und das ist uns gelungen. Wir möchten zeigen, dass wir diese restriktiven Polizeigesetze nicht brauchen, dass man uns nicht als missraten abstempeln darf.
hitparade.ch: Du hast den Song "Vo Khuur obanaba" bei "SoundCloud" gratis zur Verfügung gestellt; es ist nicht dein Ziel, damit Geld zu verdienen, sondern den Jugendlichen eine Message zu vermitteln. Doch was hältst du als Musiker generell von Gratis-Streaming-Programmen?
Hannes: Ich bin wahrscheinlich bei diesen Filesharing-Programmen nicht ganz derselben Meinung wie meine Musiker-Kollegen. Ich finde, es ist nicht mehr zeitgemäss, darauf zu bestehen, dass die Leute noch CDs kaufen. Das Internet bietet so viele positive Möglichkeiten und man stellt sich denen völlig quer. Würden die Leute heutzutage noch so viele CDs kaufen, würde man so viele andere Möglichkeiten blockieren, die uns heute zur Verfügung stehen. Beharrt man auf diese 12 cm grossen Scheiben, dann gäbe es auch keine Alternativen und ich bin überzeugt, dass es in Zukunft und auch jetzt schon geniale Ideen gibt. Man sollte sich nicht allzu schwer gegen die Entwicklung sträuben. Fairerweise muss ich hinzufügen, dass ich momentan nicht den Anspruch habe, von Musik zu leben, das hat sicher Einfluss auf meinen Blickwinkel.
hitparade.ch: Mit "And Her Name Is Violet" hast du in Englisch gesungen, der Stil ging Richtung Indie-Rock. Der aktuelle Song "Vo Khuur obanaba" ist auf akustischem Niveau. Was singst du lieber?
Hannes: Es gibt keinen Musik-Stil, den ich nicht mag. Ich habe letztens Greis getroffen und mit ihm ein bisschen musiziert und Robin Rehmann (Radio DRS Virus) hat gefragt, ob ich vorhätte, immer Rock zu machen. Aber nein! Vielleicht mache ich in 5 Jahren mongolischen Obertongesang, hihi. Man sollte aber auch unterscheiden zwischen Kunst um der Kunst willen und zielgerichteter Kunst. Der Song "Vo Khuur obanaba" ist ganz klar ein zielgerichtetes, meinetwegen ein politisches Lied. Lieder und Bilder sagen mehr als komplizierte Gesetzestexte. Bei Musik, der es darum geht, aktuelle Probleme anzusprechen, könnte ich jetzt auch nicht einfach so sagen: "Ich höre auf, morgen interessiert mich das nicht mehr!" - Denn es geht darum, etwas zu verändern!
hitparade.ch: Das heisst, wir werden bald neue Politik-Songs hören?
Hannes: Ich habe den Song zusammen mit Rico Oechsle gemacht, und wir werden bestimmt in nächster Zeit neues Song-Material liefern.
hitparade.ch: Zu guter Letzt, was hältst du von den Schweizer Alben-Charts? Kannst du einen kurzen Kommentar abgeben?
Die Toten Hosen - Ballast der Republik
Hannes: Mit den Toten Hosen wächst man auf. Finde ich eigentlich ein ganz starkes Album.
Nora Jones - Little Broken Hearts
Hannes: Kenne das Album nicht, finde sie aber recht gut.
Unheilig - Lichter der Stadt
Hannes: Finde ich eine sympathische Art, Schlager zu machen. Wenn man es auf der humorvollen Ebene nimmt, sind sie echt gut!
Adele - 21
Hannes: Ist super, ganz cool!
Jack White - Blunderbuss
Hannes: Echt geil, ich glaube, mein Mitmusiker Rico hat diese CD zu Hause!
Die Ärzte - auch
Hannes: Sind nicht so der Rede wert.
Züri West - Göteborg
Hannes: Ja, sind ganz gut.
Bastian Baker - Tomorrow May Not Be Better
Hannes: Finde ihn nicht schlecht, aber auch nicht so gut.
Interview durchgeführt: Sonja Eberhard
Redaktion: Sonja Eberhard, Gabi Wegmüller