Interview mit Ina Müller
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Die vor allem in Norddeutschland bekannte Moderatorin und Sängerin Ina Müller war diesen Oktober bei uns zu Gast im Kaufleuten. Wir haben sie vor dem Konzert zum Interview eingeladen.
hitparade.ch: Wie verlief die Zeit zwischen diesem und unserem letzten Interview? Du hast damals von einem halben Jahr Musik und einem halben Jahr TV erzählt. Verlief es so, wie du es geplant hast?
Ina Müller: Ja! Ich habe versucht, nicht mehr als ein halbes Jahr Musik und nicht mehr als ein halbes Jahr TV zu machen und das hat funktioniert. Ich wurde für den Echopreis nominiert und durfte mir den Fernsehpreis für die „Inas Nacht“-Sendung abholen. Alles ist gut – ich brauche dieses Jahr keinen Sex mehr. Jetzt kommt eine Tournee und dann musikalisch wieder für eine gewisse Zeit nichts…
hitparade.ch: Wir haben schon beim letzten Mal über Plattdeutsch gesprochen, du setzt dich ja für Erhaltung der Sprache ein. Wie sehr ist sie gefährdet?
Ina: Ich wusste gar nicht, dass ihr in der Schweiz mitkriegt, dass es auch bei uns einen lustigen Dialekt gibt. Eurer Schwiizerdütsch – ist das eine eigene Fremdsprache? Ich spreche Spanisch, ich spreche Italienisch, ich spreche Schwiizerdütsch…
hitparade.ch: Nicht ganz. Es ist schon eher ein Dialekt.
Ina: Plattdeutsch ist eine eigene Fremdsprache. Ich singe ja noch immer plattdeutsche Lieder. Solange die Sprache es selbst schafft, zu überleben, soll sie es tun, das ist die Evolution. Wenn sie es nicht schafft, ist sie eben irgendwann weg.
hitparade.ch: „Platt is nicht uncool“ lautet der Titel eines deiner Alben. Denkst du, dass die Jugend Plattdeutsch tatsächlich uncool findet?
Ina: Das war zu meiner Jugendzeit uncool. Wer plattdeutsch sprach, war ein Bauerkind. Ich sprach Plattdeutsch und ich war ein Bauernkind. Man wollte aber kein uncooles Kind vom Bauernhof, sondern ein Einzelkind eines Lehrerpaares sein und in der Stadt wohnen. Heute hat das Norddeutsche an Erotik und Coolness gewonnen. Dadurch vielleicht auch das Plattdeutsche – so mein Eindruck. Wenn man Plattdeutsch lernen will, es aber nicht als Sprache gebraucht, ist das jedoch schwierig. Warum soll einer Plattdeutsch sprechen? Es gibt kein Plattdeutschland. Eure Sprache ist der Knaller!
hitparade.ch: Wir haben immer mehr deutsche Einwanderer bei uns…
Ina: …das ist ja gerade ein Thema bei euch, stimmt!
hitparade.ch: Die meisten Deutschen hier weigern sich, Schweizerdeutsch zu sprechen, weil sie Angst haben, das klinge peinlich.
Ina: Das verstehe ich. Ich empfinde das Schwiizerdütsch aus als enorm schwer. Man muss das doch als Baby schon lernen, damit sich die Mundhöhle anders formt. Das „ch“ ist für uns sehr schwer auszusprechen. Ich denke, man kann eher als Schweizer Hochdeutsch lernen als umgekehrt. Ich glaube, der Schweizer sollte deswegen nicht beleidigt sein.
hitparade.ch: Einige Schweizer sind mit der Situation nicht zufrieden, weil sie meinen, sie würden in Deutschland leben.
Ina: Was nervt euch denn? Habt ihr Angst, dass es nicht mehr so schweizerisch ist? Oder habt ihr Angst, dass diese arroganten Deutschen irgendwann zu viel sind? Das ist doch ein bisschen so?
hitparade.ch: Es gibt sicher einige Schweizer, die so denken.
Ina: Warum arbeiten die Deutschen hier? Weil sie hier mehr verdienen und mehr gebraucht werden? Ist das der Grund? Was machen die meisten? Sind sie Banker? Wo ist der Eklat zwischen den Schweizern und den Deutschen? Ist der Deutsche ein arroganter Sack, der meint, er sei etwas Besseres?
hitparade.ch: Der Deutsche sagt halt, was er denkt.
Ina: Und dafür hasst der Schweizer den Deutschen?
hitparade.ch: Die Deutschen, die schon hier leben, regen sich ja auch bereits über die neuen deutschen Einwanderer auf.
Ina: Okay. Ich finde das eine schwierige Diskussion, weil eigentlich jeder Deutsche anders ist. Ich empfinde mich auch nicht als DIE Deutsche. So wie es auch nicht DEN Schweizer gibt. Ich habe schon sehr sympathische Schweizer kennen gelernt, aber auch schon sehr unsympathische. Und ich denke, das ist auch in Deutschland so. Ich glaube euch, dass es gewisse Probleme gibt, weil ihr euch umstellen müsst. Aber glaub mir, es gibt auch sympathische Deutsche. Sag mir Bescheid, wenn ich hier bleiben darf. Ich würde gerne nach Zürich ziehen, aber ich habe gehört, dass er gar keine Wohnungen mehr gibt.
hitparade.ch: In der Stadt ist es sehr schwer, eine Wohnung zu finden, ja.
Ina: Ich habe gehört, dass in einem Radio am Tag der Deutschen Einheit hochdeutsch moderiert wurde. Katastrophe, oder?
hitparade.ch: Ich war am Anfang schon erstaunt! Zuerst hörte ich die Nachrichten auf Deutsch und dachte, dass das nun wieder so sei, das war ja schon früher so. Dann kam das Wetter, die Verkehrsnachrichten – alles auf Deutsch, das ganze kam dann ein wenig holprig rüber, dass man dann schnell gemerkt hat, dass das irgendein Scherz sein muss.
Ina: Ich überlege gerade, wie das bei uns gewesen wäre. Wen mögen wir Deutschen nicht? Mir fällt niemand ein, aber für euch war es wahrscheinlich komisch, wie?
hitparade.ch: Einer mir sehr sympathischen deutschen Radiomoderatorin bei einem Schweizer Privatradio, wurde ja die Autoscheibe eingeschlagen und sie wurde bedroht. Ich fand das sehr schade, da ich ihr gerne zugehört habe.
Ina: Warum seid ihr so engstirnig, ich verstehe das nicht.
hitparade.ch: Das ist ein kleiner Teil. Über 99 Prozent finden das gut und dann braucht es einen kleinen Teil, der das nicht schätzt…
Ina: Das steht euch auch nicht. Autoscheiben einschlagen, das steht dem Schweizer nicht.
hitparade.ch: Kommen wir zurück zur eigentlichen Frage: Du bist für den Erhalt des Plattdeutschen und nun kommen immer mehr Deutsche in die Schweiz und sprechen hochdeutsch.
Ina: Seid nicht so hart – die können es nicht. Ganz ehrlich: Ich wollt doch auch nicht, dass wir Schwiizerdütsch sprechen.
hitparade.ch: Ich fände es toll! Die Italiener und Spanier können es ja auch.
Ina: Wenn ich hier leben würde, würde ich dann Schwiizerdütsch sprechen können?
hitparade.ch: Man muss sich einfach trauen!
Ina: Meine Freundin hat lange hier gelebt und spricht nun eure Sprache auch perfekt. Die war zehn Jahre hier.
hitparade.ch: Es geht also!
Ina: Ja, es geht. Ich weiss natürlich nicht, ob sie es perfekt spricht oder ob es einfach für mich perfekt klingt. Oder ob ihr lacht, wenn sie spricht. Aber wenn ich hier aus dem Geschäft gehe, sage ich auch: „Auf Wiederluege!“ Aber man darf hier auch „tschau“ sagen, oder?
hitparade.ch: Eher weniger!
Ina: Wie denn? „Servus“?
hitparade.ch: „Adieu“.
Ina: „Adieu“ – das ist doch französisch. Nicht „Auf Wiederluege“?
hitparade.ch: „Uf Wiederluege“. Mein Arbeitskollege denkt, dass ihn alle auslachen, wenn er es probieren würde. Aber man muss irgendwann anfangen.
Ina: Das ist es! Ich habe auch nur durch meinen englischen Tontechniker meine Hemmungen überwunden, mein völlig falsches Englisch einfach mal zu sprechen, sonst hätte ich mich nie getraut. Ich würde mit dem Deutschen nicht so hart ins Gericht gehen. Der Deutsche ist sich nicht zu stolz, eure Sprache zu sprechen, sondern er findet sie extrem schwer. Und bevor er sich zum Affen macht, spricht er deutsch. Er hat ja das grosse Glück, dass ihr in auch versteht. Seid nicht so hart zu uns… Eure Sprache ist enorm schwer, viele Worte sind auch nicht herzuleiten.
hitparade.ch: …also, machen wir weiter…
Ina: ...ich habe doch schon erwähnt, wie sehr ich diese Stadt liebe?
hitparade.ch: Musikerin, Moderatorin, Kabarettistin, Autorin – welche dieser Tätigkeiten ist dir am wichtigsten und welche würdest du am ehesten aufgeben?
Ina: Ich fand die Idee, ein Buch zu schreiben, zuerst super. Aber ich habe erstens keine Zeit dafür und zweitens schreibt heute jeder ein Buch. Ina, musst du auch noch ein Buch schreiben? Auf der Bühne stehen und moderieren – das kann ich. Das sollte ich machen.
hitparade.ch: Dein aktuelles Programm lautet „Liebe macht taub“ – wie ist dies zu interpretieren?
Ina: Liebe macht blind, das weiss jeder. Der Titel soll ein bisschen zum Nachdenken anregen. Es wird auch immer schwieriger, kesse Titel zu finden. Und langweilige Titel wie „Mein Herz und ich“ will ich nicht.
hitparade.ch: Welche Themen sprichst du noch an?
Ina: Männer, Frauen und ihre Differenzen. Es geht um Beziehungen, Trennungen, Begegnungen. Darüber kann ich nicht genug reden.
hitparade.ch: Hast du Feedback von Männern?
Ina: In Nürnberg standen etwa zwanzig Männer ganz vorne und haben geklatscht. Ich denke, dass der Mann mit diesen Themen viel anfangen kann. Aber es ist eigentlich für die Paare gedacht. Die Männer sind bei meinen Witzen natürlich öfter die Opfer, aber wenn Männer über Frauen Witze zu machen haben – nur zu. Ich veräpple die Männer gerne.
hitparade.ch: Ja, und wie war das Feedback?
Ina: Die meisten sagen: „Ja, Ina, du hast es auf den Punkt gebracht.“ Ich mag die Männer, aber ich nehme sie eben auch gerne auf den Arm.
hitparade.ch: Was sind die Unterschiede zum Vorgängeralbum?
Ina: „Weiblich, ledig, 40“ war Kleinkunst, weniger musikalisch bzw. poppig, sehr thematisch. Dieses Album beinhaltet Popsongs. Aber Ina bleibt Ina.
hitparade.ch: Alte Songs wirst du aber auch spielen?
Ina: Ja, es ist eine Mischung. Die tollen Lieder aus dem alten Programm und die tollen Lieder aus der neuen CD – das ist das perfekt.
hitparade.ch: Das Album ist in Deutschland auf Platz 6 eingestiegen. Wie hast du es erfahren und hast du dich gefreut?
Ina: Ich habe die niedlichste und kleinste Plattenfirma der Welt. Ich wusste, dass am Montag die sogenannten Trends kommen würden und mir wurde dann sofort mitgeteilt, dass ich wohl auf Platz 6 einsteigen würde. Das war schon toll. Sie wollten ja viele Interviews organisieren und ich war nicht so begeistert, da ich singen und nicht immer das Gleiche erzählen will. Aber es hat sich gelohnt, dass ich immer wieder über mein Album gesprochen habe. Die Plattenfirma hatte einmal mehr Recht!
hitparade.ch: Schweizer Künstler haben es schwer, sich in Deutschland durchzusetzen, ausser durch Castingshows wie Stefanie Heinzmann. Wie sieht es für die Deutschen in der Schweiz aus?
Ina: Stefanie Heinzmann ist so toll! Stefan Raab macht das auch cool. Aber zu deiner Frage: Der letzte Abend im Kaufleuten war richtig cool. Ausserhalb von Zürich werde ich wohl nicht viel erreichen. Vielleicht wird das eine oder andere Lied im Radio gespielt – aber da läuft auch in Deutschland nicht viel.
hitparade.ch: DRS 1 spielt deine Lieder immer wieder.
Ina: Wirklich? Das ist aber toll. Aber ich weiss zu wenig, was der Schweizer so hört.
hitparade.ch: Du hast schon viel erreicht in deinem Leben. Was für Ziele hast du noch?
Ina: Ich habe schon viel erreicht – aber ich bin überhaupt kein Promi. Verstehst du, was ich meine? Bei Thomas Gottschalk kann man sagen, er hätte alles erreicht – bei mir nicht. Ich würde gerne mal auf eine Bühne treten, begleitet mit Feuerwerk, so wie Herbert Grönemeyer. Ich will mal eine richtig grosse Halle füllen – jedoch ohne auf die kleinen verzichten zu müssen. Fernsehtechnisch habe ich ein Ziel: Mir treu zu bleiben und nicht des Geldes wegen einem anderen Angebot, das nicht zu mir passt, zu verfallen.
hitparade.ch: Füllst du in Norddeutschland keine grossen Hallen?
Ina: Doch, doch, es sind oft zwischen fünf- und zehntausend Leute pro Holle. Aber ich meine das Feuerwerk, die Pyro-Technik.
hitparade.ch: Zum Schluss noch die Top 10 der Schweizer Charts.
Ina: Das mache ich gern!
9. Jack White & Alicia Keys – Another Way To Die
Ina: Purer Rock, gefällt mir ganz gut.
7. Kid Rock – All Summer Long
Ina: Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich dieses Lied nervt. Ein altmodischer, schon eine Million Mal dagewesener Song in G mit vier Akkorden. I hate it! Ich hasse Kid Rock und seinen Song. Wenn dieses Lied am Morgen im Radio läuft, muss ich es ausschalten, sonst bin ich herpesgefährdet.
6. Coldplay – Viva La Vida
Ina: Ganz toll!
5. Amy Macdonald – This Is The Life
Ina: Höre ich ganz gerne, bei uns hat sie, so viel mir ist, sogar zwei Songs in den Charts.
4. Rihanna – Disturbia
Ina: Dazu habe ich keinen Bezug. Gesäuselmusik. Ah, uh, ah, yeah!
3. Gabriella Cilmi – Sweet About Me
Ina: Schöner Song. Keine Ahnung, was das für eine Sängerin ist.
hitparade.ch: Sie ist 16.
Ina: Ehrlich?
2. Katy Perry – I Kissed A Girl
Ina: Schönes Lied.
1. P!nk – So What
Ina: Sie hatte schon bessere Songs, der Song ist aber okay. Die Person mag ich aber so gerne: Sie ist die beste und authentischste Sängerin, die ich kenne. Und wenn ich so etwas wie ein Vorbild habe, ist es Pink. Aber das geht ja kaum; ich bin eine alte Frau und Pink ein junges, weltweit berühmtes Ding. Ich mag ihre Authenzität. Coole Braut!
hitparade.ch: Ina, vielen Dank für das Interview!
hitparade.ch: Wie verlief die Zeit zwischen diesem und unserem letzten Interview? Du hast damals von einem halben Jahr Musik und einem halben Jahr TV erzählt. Verlief es so, wie du es geplant hast?
Ina Müller: Ja! Ich habe versucht, nicht mehr als ein halbes Jahr Musik und nicht mehr als ein halbes Jahr TV zu machen und das hat funktioniert. Ich wurde für den Echopreis nominiert und durfte mir den Fernsehpreis für die „Inas Nacht“-Sendung abholen. Alles ist gut – ich brauche dieses Jahr keinen Sex mehr. Jetzt kommt eine Tournee und dann musikalisch wieder für eine gewisse Zeit nichts…
hitparade.ch: Wir haben schon beim letzten Mal über Plattdeutsch gesprochen, du setzt dich ja für Erhaltung der Sprache ein. Wie sehr ist sie gefährdet?
Ina: Ich wusste gar nicht, dass ihr in der Schweiz mitkriegt, dass es auch bei uns einen lustigen Dialekt gibt. Eurer Schwiizerdütsch – ist das eine eigene Fremdsprache? Ich spreche Spanisch, ich spreche Italienisch, ich spreche Schwiizerdütsch…
hitparade.ch: Nicht ganz. Es ist schon eher ein Dialekt.
Ina: Plattdeutsch ist eine eigene Fremdsprache. Ich singe ja noch immer plattdeutsche Lieder. Solange die Sprache es selbst schafft, zu überleben, soll sie es tun, das ist die Evolution. Wenn sie es nicht schafft, ist sie eben irgendwann weg.
hitparade.ch: „Platt is nicht uncool“ lautet der Titel eines deiner Alben. Denkst du, dass die Jugend Plattdeutsch tatsächlich uncool findet?
Ina: Das war zu meiner Jugendzeit uncool. Wer plattdeutsch sprach, war ein Bauerkind. Ich sprach Plattdeutsch und ich war ein Bauernkind. Man wollte aber kein uncooles Kind vom Bauernhof, sondern ein Einzelkind eines Lehrerpaares sein und in der Stadt wohnen. Heute hat das Norddeutsche an Erotik und Coolness gewonnen. Dadurch vielleicht auch das Plattdeutsche – so mein Eindruck. Wenn man Plattdeutsch lernen will, es aber nicht als Sprache gebraucht, ist das jedoch schwierig. Warum soll einer Plattdeutsch sprechen? Es gibt kein Plattdeutschland. Eure Sprache ist der Knaller!
hitparade.ch: Wir haben immer mehr deutsche Einwanderer bei uns…
Ina: …das ist ja gerade ein Thema bei euch, stimmt!
hitparade.ch: Die meisten Deutschen hier weigern sich, Schweizerdeutsch zu sprechen, weil sie Angst haben, das klinge peinlich.
Ina: Das verstehe ich. Ich empfinde das Schwiizerdütsch aus als enorm schwer. Man muss das doch als Baby schon lernen, damit sich die Mundhöhle anders formt. Das „ch“ ist für uns sehr schwer auszusprechen. Ich denke, man kann eher als Schweizer Hochdeutsch lernen als umgekehrt. Ich glaube, der Schweizer sollte deswegen nicht beleidigt sein.
hitparade.ch: Einige Schweizer sind mit der Situation nicht zufrieden, weil sie meinen, sie würden in Deutschland leben.
Ina: Was nervt euch denn? Habt ihr Angst, dass es nicht mehr so schweizerisch ist? Oder habt ihr Angst, dass diese arroganten Deutschen irgendwann zu viel sind? Das ist doch ein bisschen so?
hitparade.ch: Es gibt sicher einige Schweizer, die so denken.
Ina: Warum arbeiten die Deutschen hier? Weil sie hier mehr verdienen und mehr gebraucht werden? Ist das der Grund? Was machen die meisten? Sind sie Banker? Wo ist der Eklat zwischen den Schweizern und den Deutschen? Ist der Deutsche ein arroganter Sack, der meint, er sei etwas Besseres?
hitparade.ch: Der Deutsche sagt halt, was er denkt.
Ina: Und dafür hasst der Schweizer den Deutschen?
hitparade.ch: Die Deutschen, die schon hier leben, regen sich ja auch bereits über die neuen deutschen Einwanderer auf.
Ina: Okay. Ich finde das eine schwierige Diskussion, weil eigentlich jeder Deutsche anders ist. Ich empfinde mich auch nicht als DIE Deutsche. So wie es auch nicht DEN Schweizer gibt. Ich habe schon sehr sympathische Schweizer kennen gelernt, aber auch schon sehr unsympathische. Und ich denke, das ist auch in Deutschland so. Ich glaube euch, dass es gewisse Probleme gibt, weil ihr euch umstellen müsst. Aber glaub mir, es gibt auch sympathische Deutsche. Sag mir Bescheid, wenn ich hier bleiben darf. Ich würde gerne nach Zürich ziehen, aber ich habe gehört, dass er gar keine Wohnungen mehr gibt.
hitparade.ch: In der Stadt ist es sehr schwer, eine Wohnung zu finden, ja.
Ina: Ich habe gehört, dass in einem Radio am Tag der Deutschen Einheit hochdeutsch moderiert wurde. Katastrophe, oder?
hitparade.ch: Ich war am Anfang schon erstaunt! Zuerst hörte ich die Nachrichten auf Deutsch und dachte, dass das nun wieder so sei, das war ja schon früher so. Dann kam das Wetter, die Verkehrsnachrichten – alles auf Deutsch, das ganze kam dann ein wenig holprig rüber, dass man dann schnell gemerkt hat, dass das irgendein Scherz sein muss.
Ina: Ich überlege gerade, wie das bei uns gewesen wäre. Wen mögen wir Deutschen nicht? Mir fällt niemand ein, aber für euch war es wahrscheinlich komisch, wie?
hitparade.ch: Einer mir sehr sympathischen deutschen Radiomoderatorin bei einem Schweizer Privatradio, wurde ja die Autoscheibe eingeschlagen und sie wurde bedroht. Ich fand das sehr schade, da ich ihr gerne zugehört habe.
Ina: Warum seid ihr so engstirnig, ich verstehe das nicht.
hitparade.ch: Das ist ein kleiner Teil. Über 99 Prozent finden das gut und dann braucht es einen kleinen Teil, der das nicht schätzt…
Ina: Das steht euch auch nicht. Autoscheiben einschlagen, das steht dem Schweizer nicht.
hitparade.ch: Kommen wir zurück zur eigentlichen Frage: Du bist für den Erhalt des Plattdeutschen und nun kommen immer mehr Deutsche in die Schweiz und sprechen hochdeutsch.
Ina: Seid nicht so hart – die können es nicht. Ganz ehrlich: Ich wollt doch auch nicht, dass wir Schwiizerdütsch sprechen.
hitparade.ch: Ich fände es toll! Die Italiener und Spanier können es ja auch.
Ina: Wenn ich hier leben würde, würde ich dann Schwiizerdütsch sprechen können?
hitparade.ch: Man muss sich einfach trauen!
Ina: Meine Freundin hat lange hier gelebt und spricht nun eure Sprache auch perfekt. Die war zehn Jahre hier.
hitparade.ch: Es geht also!
Ina: Ja, es geht. Ich weiss natürlich nicht, ob sie es perfekt spricht oder ob es einfach für mich perfekt klingt. Oder ob ihr lacht, wenn sie spricht. Aber wenn ich hier aus dem Geschäft gehe, sage ich auch: „Auf Wiederluege!“ Aber man darf hier auch „tschau“ sagen, oder?
hitparade.ch: Eher weniger!
Ina: Wie denn? „Servus“?
hitparade.ch: „Adieu“.
Ina: „Adieu“ – das ist doch französisch. Nicht „Auf Wiederluege“?
hitparade.ch: „Uf Wiederluege“. Mein Arbeitskollege denkt, dass ihn alle auslachen, wenn er es probieren würde. Aber man muss irgendwann anfangen.
Ina: Das ist es! Ich habe auch nur durch meinen englischen Tontechniker meine Hemmungen überwunden, mein völlig falsches Englisch einfach mal zu sprechen, sonst hätte ich mich nie getraut. Ich würde mit dem Deutschen nicht so hart ins Gericht gehen. Der Deutsche ist sich nicht zu stolz, eure Sprache zu sprechen, sondern er findet sie extrem schwer. Und bevor er sich zum Affen macht, spricht er deutsch. Er hat ja das grosse Glück, dass ihr in auch versteht. Seid nicht so hart zu uns… Eure Sprache ist enorm schwer, viele Worte sind auch nicht herzuleiten.
hitparade.ch: …also, machen wir weiter…
Ina: ...ich habe doch schon erwähnt, wie sehr ich diese Stadt liebe?
hitparade.ch: Musikerin, Moderatorin, Kabarettistin, Autorin – welche dieser Tätigkeiten ist dir am wichtigsten und welche würdest du am ehesten aufgeben?
Ina: Ich fand die Idee, ein Buch zu schreiben, zuerst super. Aber ich habe erstens keine Zeit dafür und zweitens schreibt heute jeder ein Buch. Ina, musst du auch noch ein Buch schreiben? Auf der Bühne stehen und moderieren – das kann ich. Das sollte ich machen.
hitparade.ch: Dein aktuelles Programm lautet „Liebe macht taub“ – wie ist dies zu interpretieren?
Ina: Liebe macht blind, das weiss jeder. Der Titel soll ein bisschen zum Nachdenken anregen. Es wird auch immer schwieriger, kesse Titel zu finden. Und langweilige Titel wie „Mein Herz und ich“ will ich nicht.
hitparade.ch: Welche Themen sprichst du noch an?
Ina: Männer, Frauen und ihre Differenzen. Es geht um Beziehungen, Trennungen, Begegnungen. Darüber kann ich nicht genug reden.
hitparade.ch: Hast du Feedback von Männern?
Ina: In Nürnberg standen etwa zwanzig Männer ganz vorne und haben geklatscht. Ich denke, dass der Mann mit diesen Themen viel anfangen kann. Aber es ist eigentlich für die Paare gedacht. Die Männer sind bei meinen Witzen natürlich öfter die Opfer, aber wenn Männer über Frauen Witze zu machen haben – nur zu. Ich veräpple die Männer gerne.
hitparade.ch: Ja, und wie war das Feedback?
Ina: Die meisten sagen: „Ja, Ina, du hast es auf den Punkt gebracht.“ Ich mag die Männer, aber ich nehme sie eben auch gerne auf den Arm.
hitparade.ch: Was sind die Unterschiede zum Vorgängeralbum?
Ina: „Weiblich, ledig, 40“ war Kleinkunst, weniger musikalisch bzw. poppig, sehr thematisch. Dieses Album beinhaltet Popsongs. Aber Ina bleibt Ina.
hitparade.ch: Alte Songs wirst du aber auch spielen?
Ina: Ja, es ist eine Mischung. Die tollen Lieder aus dem alten Programm und die tollen Lieder aus der neuen CD – das ist das perfekt.
hitparade.ch: Das Album ist in Deutschland auf Platz 6 eingestiegen. Wie hast du es erfahren und hast du dich gefreut?
Ina: Ich habe die niedlichste und kleinste Plattenfirma der Welt. Ich wusste, dass am Montag die sogenannten Trends kommen würden und mir wurde dann sofort mitgeteilt, dass ich wohl auf Platz 6 einsteigen würde. Das war schon toll. Sie wollten ja viele Interviews organisieren und ich war nicht so begeistert, da ich singen und nicht immer das Gleiche erzählen will. Aber es hat sich gelohnt, dass ich immer wieder über mein Album gesprochen habe. Die Plattenfirma hatte einmal mehr Recht!
hitparade.ch: Schweizer Künstler haben es schwer, sich in Deutschland durchzusetzen, ausser durch Castingshows wie Stefanie Heinzmann. Wie sieht es für die Deutschen in der Schweiz aus?
Ina: Stefanie Heinzmann ist so toll! Stefan Raab macht das auch cool. Aber zu deiner Frage: Der letzte Abend im Kaufleuten war richtig cool. Ausserhalb von Zürich werde ich wohl nicht viel erreichen. Vielleicht wird das eine oder andere Lied im Radio gespielt – aber da läuft auch in Deutschland nicht viel.
hitparade.ch: DRS 1 spielt deine Lieder immer wieder.
Ina: Wirklich? Das ist aber toll. Aber ich weiss zu wenig, was der Schweizer so hört.
hitparade.ch: Du hast schon viel erreicht in deinem Leben. Was für Ziele hast du noch?
Ina: Ich habe schon viel erreicht – aber ich bin überhaupt kein Promi. Verstehst du, was ich meine? Bei Thomas Gottschalk kann man sagen, er hätte alles erreicht – bei mir nicht. Ich würde gerne mal auf eine Bühne treten, begleitet mit Feuerwerk, so wie Herbert Grönemeyer. Ich will mal eine richtig grosse Halle füllen – jedoch ohne auf die kleinen verzichten zu müssen. Fernsehtechnisch habe ich ein Ziel: Mir treu zu bleiben und nicht des Geldes wegen einem anderen Angebot, das nicht zu mir passt, zu verfallen.
hitparade.ch: Füllst du in Norddeutschland keine grossen Hallen?
Ina: Doch, doch, es sind oft zwischen fünf- und zehntausend Leute pro Holle. Aber ich meine das Feuerwerk, die Pyro-Technik.
hitparade.ch: Zum Schluss noch die Top 10 der Schweizer Charts.
Ina: Das mache ich gern!
9. Jack White & Alicia Keys – Another Way To Die
Ina: Purer Rock, gefällt mir ganz gut.
7. Kid Rock – All Summer Long
Ina: Ich kann dir gar nicht sagen, wie sehr mich dieses Lied nervt. Ein altmodischer, schon eine Million Mal dagewesener Song in G mit vier Akkorden. I hate it! Ich hasse Kid Rock und seinen Song. Wenn dieses Lied am Morgen im Radio läuft, muss ich es ausschalten, sonst bin ich herpesgefährdet.
6. Coldplay – Viva La Vida
Ina: Ganz toll!
5. Amy Macdonald – This Is The Life
Ina: Höre ich ganz gerne, bei uns hat sie, so viel mir ist, sogar zwei Songs in den Charts.
4. Rihanna – Disturbia
Ina: Dazu habe ich keinen Bezug. Gesäuselmusik. Ah, uh, ah, yeah!
3. Gabriella Cilmi – Sweet About Me
Ina: Schöner Song. Keine Ahnung, was das für eine Sängerin ist.
hitparade.ch: Sie ist 16.
Ina: Ehrlich?
2. Katy Perry – I Kissed A Girl
Ina: Schönes Lied.
1. P!nk – So What
Ina: Sie hatte schon bessere Songs, der Song ist aber okay. Die Person mag ich aber so gerne: Sie ist die beste und authentischste Sängerin, die ich kenne. Und wenn ich so etwas wie ein Vorbild habe, ist es Pink. Aber das geht ja kaum; ich bin eine alte Frau und Pink ein junges, weltweit berühmtes Ding. Ich mag ihre Authenzität. Coole Braut!
hitparade.ch: Ina, vielen Dank für das Interview!