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Interview mit Marc Storace von Krokus



Seit 30 Jahren ist die erfolgreichste CH-Rockband Krokus "on the road"! Sie haben Musik-Geschichte geschrieben, den "echten Rock'n'Roll" erlebt, Hochs gefeiert und Tiefs gemeistert! Und sie tönen noch immer frisch und kraftvoll wie eh und je. Das zeigen sie auf ihrem neuen Album "Hellraiser", gerade veröffentlicht wurde. Wir durften Marc Storace zum Interview einladen und einige Fragen stellen.

hitparade.ch: Euer erstes Album kam vor dreissig Jahren auf den Markt. Wie fühlt sich das an?
Marc Storace: Dreissig Jahre… mein erstes Album war "Metal Rendez-Vous" (veröffentlicht 1980). Das war mein Debüt. Es fühlt sich sehr gut an, dass eine Band so lange bestehen kann. Normalerweise lebt eine Band ja nur ca. 6 Jahre und dann ist Schluss. Es gibt Bands, die haben nur einen Hit und dann lösen sie sich wieder auf. Wir haben gerade das 15. Album in dreissig Jahren gemacht. Ich finde es eine Leistung, jedes 2. Jahr ein Album zu veröffentlichen.

hitparade.ch: Es gab viele Wechsel in eurer Band…
Marc Storace: …sehr viele Wechsel, ein riesiges Karussell.

hitparade.ch: Von den Gründungsmitgliedern ist schon seit vielen Jahren niemand mehr dabei.
Marc Storace: Das Gründungsmitglied ist sowieso schon tot, das war Tommy Kiefer. Tommy hat die Band mit Chris von Rohr und noch 2 anderen gegründet. Dann gab es nochmals 2 und dann die erste internationale Erfolgsformation. Das war für "Metal Rendez-Vous".

hitparade.ch: Wie könnt ihr euch noch mit der Band von damals, der 70er-Jahre-Formation, identifizieren?
Marc Storace: Ich versuche mich gar nicht mit etwas zu identifizieren, von dem ich nicht Teil war. Für mich fing alles mit "Metal Rendez-Vous" an. Damals stiess ich zur Band. Davor war Krokus eigentlich der Opening Act für "Tea", meiner ersten Schweizer Band.

hitparade.ch: Wieso feiert ihr euer 30jähriges Bestehen nicht mit einem speziellen Best Of Album, wie das sehr viele Bands machen?
Marc Storace: Vielleicht gibt es ja noch etwas, wer weiss? Wir müssen ja nicht schon jetzt sagen, was Santa Claus noch bringt.

hitparade.ch: Ihr wart ja eine der ersten Schweizer Bands und konntet vor 25 Jahren den amerikanischen Markt erobern. Wie sieht es heute mit den Erfolgen in Amerika aus?
Marc Storace: Es ist schwieriger, härter und vor allem ist der Markt in verschiedene andere Medien und Musikstile aufgespaltet. Damals gab es weder Hip-Hop, noch Techno, noch House. Ich betrachte es als Riesenrad an, das sich dreht und momentan ist Hardrock wieder "on the top".

hitparade.ch: Wieso denkst du, dass es heutzutage für eine Schweizer Band schwieriger ist sich international zu etablieren? Ihr habt es ja auch geschafft und heute gelingt ja fast niemandem mehr der Durchbruch.
Marc Storace: International begann ich mit "Tea", der ersten Schweizer Rockband überhaupt. Pioniermässig haben wir Grossbritannien erobert und auch in Hamburg gespielt. Damals lernte ich, dass das Ausland nicht einfach ist. Das dritte Album von "Tea" war nicht erfolgreich und unser Plattenvertrag wurde nicht verlängert. Mit Krokus und "Metal Rendez-Vous" stiegen wir sofort in den Lokalcharts ein. Viele ausländische Plattenlabels wurden so auf Krokus aufmerksam und wollten einen "licensing deal". Wir hatten Glück, "Metal Rendez-Vous" war ein gutes Album, auch wenn die Produktion natürlich nicht mehr den heutigen Anforderungen entspricht. Durch das Touren konnten wir uns weiter etablieren. Amerika hat uns beobachtet. Als eine Anfrage kam, nahmen wir das Risiko auf uns, gingen rüber und es hat geklappt. Wir spielten in Chicago an den Festspielen. Dort waren John Kalodner und Butch Stone. Damals haben wir Butch Stone kennen gelernt. Zu jener Zeit waren noch immer Harry Sprenger und Heinz Meier von "Free & Virgin Agency Zürich" unsere Manager. Butch Stone übernahm dann langsam in Amerika und etwa ein Jahr später war er für die ganze Welt zuständig. Er pushte uns und machte für unsere Band bis zu einem gewissen Grad alles richtig. Wir haben aber auch sehr hart für den Erfolg gearbeitet. Aber es ist schon fantastisch. Du machst den Job, von dem du immer geträumt hast. Es ist zwar anstrengend, aber du stehst am Morgen auf und weisst, dass du deinen Lieblingsjob machst. Man muss aber auch bereit sein, auf gewisse Dinge zu verzichten, z.B. bist du weg von zu Hause. Der Erfolg wurde uns nicht einfach auf dem Silbertablett präsentiert.

hitparade.ch: Aber war es früher einfacher als heute, international bekannt zu werden?
Marc Storace: Ich glaube, die Musikindustrie war damals schon mehr auf Hardrock und Rock 'n' Roll eingestellt. Aber diese Musikrichtung kommt wieder. Heute wollen die Amerikaner nach Europa gehen und hier spielen. Aber der Hardrock lebt auch in Amerika wieder auf.

hitparade.ch: Welchen Stellenwert hat die Rockmusik momentan in der Schweiz, wenn man bedenkt, dass Pop, Hip-Hop, R&B omnipräsent sind?
Marc Storace: Ich glaube, Techno wird zuerst verschwinden, vielleicht nicht für immer, ich meine, Rock verschwand ja auch. Die Musikrichtung geht dann in den "Underground". Die Musik wird zwar noch in gewissen Clubs gespielt, aber ist der grossen Masse nicht mehr bekannt. Die Musikrichtung ist dann sozusagen noch da, aber am unteren Teil des Riesenrades. Hardrock kommt wieder hoch, noch höher als jetzt.

hitparade.ch: Findest du, dass die Medien momentan dem Rock, dem Metal und ähnlichen Musikrichtungen zu wenig Aufmerksamkeit schenken?
Marc Storace: Ich bin erstaunt, was wir in Deutschland momentan für eine Riesenkampagne haben und vor allem wie viele Rockradios es wieder gibt. Du kannst keine Kampagne machen, wenn es keine Medien gibt. Aber es gibt überall Radiostation. Der grösste strahlt für sechs Millionen Menschen aus, der kleinste für 150'000; eine unglaubliche Maschinerie. Wir haben einen neuen "Licensing Deal" mit Gadget Records, das ist unser Plattenlabel in Zürich und "Licensing Deals" mit AFM Records in Deutschland und Locomotive Records in Amerika. Ich glaube, es geht nun viel, viel besser, vor allem besser als mit "Rock The Block" (der Krokus-CD aus dem Jahre 2003). Das war vor drei Jahren und der Rock ist seither wieder grösser geworden.

hitparade.ch: Wo siehst du die wesentlichen Unterschiede für einen Musiker wie dich von heute im Vergleich zu vor dreissig Jahren?
Marc Storace: Vor zwanzig, dreissig Jahren war ich entsprechend jünger, da konnte ich die Koffer packen und überall sein, heutzutage habe ich mehr Verantwortung, auch der Band gegenüber. Ich bin der Älteste und am längstem mit dabei und habe auch am meisten Erfahrung und will, dass die Band davon profitieren kann. Damals konnte man mit der Freundin leben und man war weniger in ein System integriert. Heute sind auch die Lebenskosten viel teurer. All das macht es heute schon schwieriger, vor allem wenn du noch keinen Namen hast. Wir konnten jetzt mit dem Namen aus den 80er-Jahren viel schneller nach Amerika gehen. Momentan ist das für eine neue Band nicht direkt möglich - no way! Zuerst gehen die "Revival Bands". Wir sind sozusagen ein "Classic Rock Act". Eine neue Band hat es da bedeutend schwieriger. Aber es hängt auch von der Infrastruktur ab. Eine Schweizer Band kann auch ein Album machen, direkt in die Staaten gehen und versuchen, dort einen Deal abzuschliessen. Aber man muss schon vorher sehr genau wissen, was man in seinem Leben erreichen will. Das Leben geht schnell vorbei und wenn du eine Lehre machst und dann einsteigen willst, darfst du nicht viel Zeit verlieren. Es ist in jedem Fall nicht einfach.

hitparade.ch: Seit 1976 habt ihr ganz viele Studienalben veröffentlicht. Welches ist für dich das aussergewöhnlichste, das beste Krokus Album?
Marc Storace: "Metal Rendez-Vous" war super gut, "Headhunter" war fast ein Konzeptalbum, dort passt alles zusammen und es beinhaltet viel Metal. "Headhunter", "Screaming In The Night", "Eat The Rich", "Stayed Awake All Night" spielen wir noch immer live, da es einfach gewaltig rockt. Mit diesem Album hatte Krokus damals auch die grösste Tournee überhaupt. Damals waren wir fast drei Monate von Küste zu Küste unterwegs und spielten jede Nacht vor durchschnittlich 25'000 Kids. Das war einfach unglaublich! Während der Tournee war "Headhunter" die Nummer 24 in den Billboard Charts. Jetzt bin ich natürlich total happy wegen "Hellraiser", da es Ähnlichkeiten zu "Metal Rendez-Vous" und "Headhunter" aufweist. Seit Mandy (Meyer) bei uns in der Band ist, haben wir wieder mehr Gitarrensoli, die mich ein wenig an Tommy Kiefer erinnern - R.I.P. Tommy. Auch haben wir vermehrt Slide-Gitarren, welche für das Feeling ideal und auch sehr melodisch sind. Wir haben auf "Hellraiser" den Einfluss harmonischer eingeteilt. "Hellraiser" basiert nicht nur auf AC/DC, sondern zu einem guten Teil auch auf Led Zeppelin, Deep Purple, Aerosmith und Free. Daher ist es bluesiger und groovt mehr. Es ist fantastisch!

hitparade.ch: Wie kamt ihr auf den Titel "Hellraiser"? Ist das eine Hommage an Ozzy Osbourne und Motörhead, die auch schon einen Titel mit "Hellraiser" hatten?
Marc Storace: Nein, das war nur ein logischer Schritt. Der Song "Hellraiser" ist schon vorher released worden. "Hellraiser" wurde zuerst geschrieben und war auf dem Soundtrack des Films "Handyman" von Marco Rima. Darum war es schon in den Charts und auch bereits bekannt. Wir dachten, dies ist der schnellste Link zum ganzen Album. Ausserdem klingt "Hellraiser" schon sehr rockig.

hitparade.ch: Was für einen Stellenwert haben Hitparadenerfolge heute noch für euch? Ist euch das heute egal?
Marc Storace: Nein, das ist sehr wichtig. Es sei denn, du bist eine Liveband, die keine CDs aufnimmt und hast immer eine Menge Leute an den Konzerten und musst darum keine CDs verkaufen. Heute fragen viele, warum man überhaupt noch eine CD macht, wenn sie dann ja doch nur illegal runter geladen wird und man als Band nichts kriegt. Vielleicht ist das ja auch so. Ich glaube aber, dass der Rockfan die Original CD mit dem Booklet, mit allem drum und dran in den Händen halten will. Ich meine, die sammeln das ja auch. Früher hatten wir Vinyl. Ich fand das sowieso besser, da das Cover grösser war. Bei den CDs ist das Cover leider immer so klein. Dafür sind im Booklet die Texte drauf. Ich war an dessen Produktion aktiv beteiligt. Booklets haben mich schon immer interessiert. Es war ein super Teamwork mit Tom und Stefan Järmann. Tom macht zusammen mit Markus auch unsere Website. Er lebt in L.A. und wir haben hauptsächlich über das Internet kommuniziert. So war es auch mit Dennis Ward, unserem Produzenten. Gadget Records kam zuerst auf uns zu und fragte, ob wir nicht einen Schweizer Produzenten wollten. Heute gäbe es gute. Wir sagten, dass wir das wissen. Wir wollten im Studio aber eine amerikanische Stimme hören. Ich habe auch mit englischen Produzenten gearbeitet, aber nur der amerikanische Groove ist so beruhigend. Dennis Ward ist ein spezieller Mensch. Er ist selber Musiker, spielt Bass und singt. Er weiss, was es heisst, auf der Bühne zu stehen, er weiss, was es heisst, zu poppig zu sein oder zu rockig oder zu chaotisch. Wir sprechen die gleiche Sprache. So haben wir etwas Rundes geschaffen.

hitparade.ch: Kannst du dir erklären, warum noch nie eine Krokus-Single in den Schweizer Charts war?
Marc Storace: Ich dachte, "Bedside Radio" war mal in den Charts gewesen? "Tokyo Nights" auch nicht? "I Want It All" auch nicht? Siehst du, ich versteh' davon nichts. Wir schreiben eben nicht für die Single Charts, sondern wir schreiben ein Album. Ein Stück darauf muss immer Radio tauglich sein. Nicht Hausfrauenrock. Schon Rock, aber ein bisschen sanfter. Damit du das auch am Morgen beim ersten Kaffee hören kannst. Nur für die, die den harten Rock nicht so mögen, sind da ein oder zwei, auf diesem Album sogar drei Songs dieser Art zur Verfügung. Aber "Angel Of My Dreams" ist schon ein richtiger Ohrwurm. Der Song geht rein und bleibt dort. Mal schauen, was passiert. Aber für uns ist das nicht die Hauptsache. Wir beschlossen auch keine Single zu veröffentlichen. Wir verkaufen uns als Rockband. Darum gibt es nur eine Single für die Radios und das reicht. Wir wollen die ganze CD kaufen. Nur dort hörst du dann, wie es richtig rockt und teilweise ganz bös donnert.

hitparade.ch: Wenn jemandem die Single "Angel Of My Dreams" gefällt, wird er dann auch vom Album begeistert sein?
Marc Storace: Das haben schon einige gesagt und auch auf unsere Website so geschrieben. Einer schrieb, es tönt nach mehr. Ich nehme an, er meint, wenn das so tönt, dann müssen auf dem Album noch einige Bomben sein, die am Radio nie gespielt werden. Wir haben von Journalisten ein so tolles Feedback erhalten, das ist fast nicht zu glauben. Ich glaube, es zeigt, wenn du mit Herz und Seele an etwas arbeitest und daran glaubst, dann kann etwas sehr Gutes dabei rauskommen, womit man die Leute befriedigen kann. Letzten Endes geht es ja darum, gewisse Marktlücken zu schliessen und Leute zu befriedigen. Die Leute wollen ja nicht nur Death Metal, Speed Metal, Black Metal, die wollen auch guten Hardrock, Classic Hardrock hören.

hitparade.ch: Ihr geht ja auf Europatournee. Was wird man dort hören? Ist das ein Mix von alten und neuen Songs?
Marc Storace: Das bereitet uns immer Kopfzerbrechen. Was spielen und was nicht? Ich habe viele Stunden damit verbracht, immer wieder darüber geschlafen. Man überlegt sich immer wieder, ist es richtig, diesen einen Song nicht zu spielen, ist es richtig, diesen anderen Song zu spielen. Jeder in der Band will eine Menge neuer Songs spielen. Aber das macht keinen Sinn. Wir haben die Erfahrung gemacht, auch bei anderen Bands gesehen, dass die Kids vor allem die Klassiker hören wollen. Darum sind wir sehr vorsichtig, was wir aus dem Programm raus nehmen. Aber es gibt immer Leute, die dann enttäuscht sind, und fragen, warum genau ihr Favorit nicht gespielt worden ist. Andere fragen, warum wie von der neuen CD diesen, aber nicht jenen Song gespielt haben. Aber so ist das halt. Wir haben höchsten zwei Stunden Zeit. Die andere Variante ist, an jedem Ort zwei Konzerte mit zwei verschiedenen Sets zu spielen. Vielleicht ist das ja die Zukunft, wer weiss?

hitparade.ch: Was sagst du zur aktuellen Top 10 der Schweizer Hitparade?
Marc Storace: Beyoncé hab ich gehört. Ich hab die MTV Music Awards gesehen. Dort hat sie doch diesen Song gespielt. Das ist halt nicht meine Szene, auch Justin Timberlake nicht. Rihanna kenne ich nicht. Pussycat Dolls mit Snoop Dog, das lieben meine Kinder. Nelly Furtados "Maneater", nein, ich habe lieber das alte "Maneater" von Daryl Hall and John Oates. Shakira? Ich mag Shakira, nicht weil sie eine sexy Frau ist. Sie hat eine gute Stimme, sie ist eine richtige Stimmakrobatin. Es gibt viele Sachen, die turnen mich nicht an, wie zum Beispiel die Pussycat Dolls oder Beyoncé, aber die kommen im Radio, ob ich will oder nicht. Dann schalte ich aber nicht ab. Ich höre auch gerne, was die Massen hören, weil das ein Teil des Lebens ist.

hitparade.ch: Vielen Dank für das Interview.