BALD KOMMT DAS GROSSE LOCH - Interview mit Krokus
Krokus - Big Rocks
1. N.I.B.
2. Tie Your Mother Down
3. My Generation
4. Wild Thing
5. The House Of The Rising Sun
6. Rockin' In The Free World
7. Gimme Some Lovin'
8. Whole Lotta Love
9. Summertime Blues
10. Born To Be Wild (Version 2017)
11. Quinn The Eskimo
12. Jumpin' Jack Flash
13. Backseat Rock N' Roll (Version 2017)
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Das neue Studio-Album "BIG ROCKS" ist in erster Linie eine stimmige Rockparty, aber zugleich die DNA der legendärsten Schweizer Rockband. Die Rolling Stones gingen zu ihren Bluesroots zurück, Krokus zu ihren Rockroots.
Das Resultat ist mehr als ein Cover-Album. HP sprach mit dem Produzenten und Bassisten Chris von Rohr.
Wie geht es Dir und wie geht es dem mittlerweile 43-jährigen Pflänzchen KROKUS?
Es ist immer gut wenn ein Album endlich fertig ist und du es freigeben kannst. Gerade für mich als Produzent waren die letzten 7 Monate eine extrem strenge Zeit. Du musst auf alles achten, auf jeden Ton, jedes Arrangement, den Klang, die Interpretation und auch auf das ganze Design inklusive Video. Es ist ein Puzzle so gross wie der Petersplatz in Rom. Das braucht höchste Konzentration und ist meine Aufgabe als Produzent. Trotzdem bist du immer froh, wenn es dann vorbei ist und die ersten freudigen Feedbacks kommen. Jetzt entscheiden die Fans.
Als bekannt wurde, dass KROKUS ein neues Album in der Pipeline haben und es sich dabei um ein reines Cover-Album handelt, haben sich auf sozialen Netzwerken wie Facebook, viele, vor allem Schweizer Fans, darüber moniert. Darum direkt: Warum ein Cover-Album?
Nach zwei Studio-Alben und einem Live-Album wollten wir schlicht einmal etwas anderes machen – uns endlich einen langersehnten Wunsch erfüllen. Herausgekommen ist ein Party-Hammer, eine Liebeserklärung an unsere Helden. Die Songs, die wir darauf covern sind unsere Muttermilch – unsere DNA. Wegen diesen Stücken sind wir überhaupt zu dem geworden, was wir heute sind. Es besteht zu jedem dieser Lieder eine persönliche Beziehung. Wir haben uns bewusst für diese grossen Hinkelsteine entschieden und nicht die Nachtschattengewächse. Das Album heisst ja auch "Big Rocks" und nicht "Bonsai Rocks". Darauf sind Trouvaillen, bei denen selbst wir ins Staunen kamen, was man mit ihnen alles so anstellen kann.
Es ist ja so, dass Cover-Alben – wie auch Best Of- und Live-Alben – häufig den etwas faden Geschmack von Ideenlosigkeit haben. Und trotzdem stand bis vor kurzem an der Spitze der Album-Charts ein Cover-Album der Rolling Stones… Ist das ein neuer Trend oder wie ist dieses bis dato doch eher heikel bewertete Thema zu bewerten?
Schau, es gibt nur gute oder schlechte Musik - und vor allem nur gute und schlechte Songs. Entscheidend ist, wie viel Herzblut und Eigentouch du hineinbringen kannst. Für uns musste das ganze einfach nach Krokus klingen und zwar 1000%, in jeder Hinsicht. Sonst hätten wir die Übung sofort abgebrochen. Wir sind dieses Album mit der genau gleichen Sorgfalt, mit dem genau gleichen Aufwand angegangen, wie ein reguläres Krokus-Album, und das hört man auch. Wir alle sind überzeugt, dass man noch in 10 Jahren von diesem Album sprechen wird - nicht zuletzt, weil diese Songs unzerstörbar sind und es uns gelungen ist, ihnen ein neues Gesicht zu geben.
Die Titelauswahl liest und hört sich an wie ein "Best Of Rock-Klassiker" - wie wurde da selektioniert, was auf die Platte kommt und was nicht? Und gab es seitens der einzelnen Musiker Favoriten-Songs?
Demokratie ist gut, solange jemand am Schluss sagt, wo es langgeht.
In dem Fall waren das Gitarrist Fernando und ich. Natürlich mit Absprache unseres Sängers, der hier eine tragende Rolle spielt.
Gewisse Songs mussten wir vergessen wie z.B "Foxy Lady" von Jimy Hendrix, weil die Tonart für Marc Storace nicht passte. Wir hätten das Riff 3 Töne nach oben transferieren müssen, dadurch klangen dann die Gitarren nicht mehr so ballsy und songgerecht, also vergassen wir diese Idee. So ging es mit ein paar Songs - sie klangen einfach nicht mehr nach Krokus. Zum Glück passierte das aber nicht mit unseren Favoriten.
Erstaunlich ist sicher für viele Fans und Hörer, dass AC/DC nicht berücksichtigt wurden – was verwundert, da die Band ein grosser Einfluss für KROKUS war und die Stimme von Sänger Marc Storace deren des verstorbenen Bon Scott sehr ähnelt.
Das wäre dann doch zu einfach gewesen und mein Ansatz war immer "Don't touch what is perfect"! Wenn du etwas nicht wirklich verbessern kannst, interpretations- und soundmässig, dann lass es sein. AC/DC, Motörhead, Deep Purple, The Doors, etc., kamen für uns nicht in Frage - gerade auch wegen des Gesangs. Marc ist ein Hammersänger, aber er muss sich selbst bleiben können, das heisst, er muss in einer gewissen Tonlage singen, um nach Storace und Krokus zu klingen und sein Potential voll auszuschöpfen. Und es bringt ja nichts, wenn dann ein AC/DC-Song genau so klingt wie das Original.
Auffällig ist auch die Neuaufnahme des alten KROKUS-Songs "Backseat Rock N' Roll", der bereits 1980 auf dem ersten Album mit Marc Storace - "Metal Rendez-vous" - veröffentlicht wurde. KROKUS covern sich selbst?
Wir brauchten einfach noch einen Up Tempo-Song und suchten endlos. "Johnny B. Goode" von Chuck Berry oder "Rock 'n Roll" von Led Zeppelin fanden wir zu overdone, andere auch. Plötzlich intonierte einer unserer Gitarristen dieses "Backseat"-Riff… Und wir jammten den Song - danach gab es eigentlich keine Fragen mehr. Er passte perfekt und wir konnten ihn auch mit unserem heutigen Groove deutlich besser spielen als damals vor 35 Jahren (…lacht…), hoffentlich auch…!
Auch "Jumping' Jack Flash" von den Stones ist überaus gelungen, finde ich.
Ja, dieser Song lag uns von Anfang an und ich möchte hier einen der schärfsten Musikkritiker der Schweiz, Nick Joyce, zitieren: "Die Rolling Stones haben diesen Song immer unter seinem Wert verkauft. Krokus rehabilitieren ihn sozusagen". Wir haben auf jeden Fall versucht, dem Song einen neuen Touch zu geben und das ist, so glauben wir, gelungen.
Mir persönlich imponiert die Frische des Albums – die Qualität des Sounds, die eingestreuten Twin-Gitarren, es klingt knackig und jung. Super gut hört man das in der Neil Young-Hymne "Rockin' In The Free World".
Um das ging es ja: Taufrisch muss das Ganze klingen - kein müder Aufguss. Und wenn etwas richtig Spass macht, dann kommt es auch so. "Rockin' In The Free World" ist einer unserer Faves - den wir dann auch in London zu einem Video verfilmt haben. Er hat auch ein klares, sozialpolitisches Statement: Wir leben in einer zunehmend kaputten Welt, die eben alles andere als "free" ist, aber diese Welt ist nicht verloren. Wir sollten zu ihr nur etwas mehr Sorge tragen, sonst fliegt uns die ganze Scheisse noch um die Ohren.
Auch der Gesang auf dem Album göttlich! Sänger Marc Storace singt immer noch mit einer ungeheuren Wucht – gut nachzuvollziehen im Zeppelin-Klassiker "Whole Lotta Love" oder "The House Of The Rising Sun".
Ja, ich staune immer wieder, auch als Produzent, was möglich ist mit Marc. Man kann ihn richtig herausfordern und das muss man auch, um diese Top-Qualität zu erreichen. Wo andere längst unten durch singen, brilliert Marc auch in den Höhen! Es war eine harte, aber sehr erfreuliche Zusammenarbeit bei "Big Rocks" und das hört man in jedem Track. Marc und ich verstehen uns besser, je älter wir werden, und das erfreut uns beide und trägt auch Früchte.
Und wie ist das Zusammenspiel von Mandy und Fernando, den Gitarristen?
Sie ergänzen sich perfekt. "Speedking" Mandy fährt die mehr opulent, moll-lastigen, verschlungenen Leads und "Riffgott" Fernando die erdigen, bluesigen Krokus-typischen; eine herrliche Mischung, die gerade in diesen Songs voll zum Tragen kommt. Da kann man Neues entdecken, das wir so noch nie machten. Und wir Rhythmusdruiden unten im Beatbereich halten das Ganze schön tight zusammen, damit die Lead-Zampanos ihre Solo-Salti vollbringen können.
Drums und Bass scheinen besser denn je zu harmonieren…
Ja wir haben uns sehr schnell gefunden, der Flavio und ich. Es macht wirklich Spass und wir sind ständig am smilen, weil es so gut gelingt. Rock n' Roll ist Rhythmus - sagt Steven Tyler von Aerosmith. Ich kann ihm da nur beipflichten; wenn es da stimmt und groovt, kommt meist auch der Rest gut.
Ihr scheint auf Kriegsfuss mit dem Radio zu stehen…?
Sie eher mit uns (…lacht…). Aber man muss präziseren. Ein paar Private spielen uns, aber das Staatsradio findet jedes Mal eine andere Ausrede: Einmal ist es zu heavy, einmal zu oldfashioned und diesmal ist es halt ein Cover-Album… Fazit des arroganten Gremiums:" 'Big Rocks' findet bei uns nicht statt!". Da muss man schon staunen, denn die meisten grausamen Songs, die sie in ihrer austauschbaren, täglichen Pop-Wassersuppe servieren, sind langweilige Kopien von Kopien von Kopien. Ein f***ing Joke, aber für uns ist das ganze Gehupe nichts Neues. Das läuft seit 1978 so und unser Gitarrist Fernando sagt zu Recht: Wenn die uns einmal richtig zu spielen beginnen, müssen wir eigentlich aufhören (…lacht…)! Es lohnt sich immer wieder, den offenen Brief des geschätzten Kollegen Kutti MC an den Chef von SRF 3 zu lesen! Verändert hat sich seither nämlich nullkommanix…
(Anmerkung der Redaktion: Hier der Link zum genannten Brief von Kutti MC: https://www.facebook.com/srf3/posts/10152624807073402)
Das ist krass!
Es geht übrigens auch nicht darum, eine arrivierte, Schweizer Band wie Krokus in eine Heavy Rotation-Position zu hieven, nein, sondern schlicht um Wertschätzung des Schaffens einer professionellen Band - egal wie gross oder klein sie ist. Das wäre der Auftrag des gebührenfinanzierten Staatsradios. Und es muss auch erwähnt sein, dass viele Leute - vor allem beim SRF 1, aber auch SRF 3 - einen sehr guten Job machen, doch bei einer gewissen Redaktoren-Riege in leitenden Positionen wird zu wenig ernsthaft gearbeitet, sie machen es sich zu leicht. Dazu herrscht das altbekannte Schnäbivermessen-Theater, wo es ganz zuletzt um Musik, vor allem um Egos und persönlichen Sympathien mit den jeweiligen Künstlern geht. Es ist offensichtlich, dass diese Jungs in ihren abgesicherten Elfenbeintürmen sich aufführen wie Könige, die glauben alles im Griff zu haben, aber den Kompass zur Hörerschaft oft komplett verloren haben. Nur unsere Zwangsgebühren halten diese Leute am Leben, nicht ihre Leistung. An dumpfer Arroganz ist das kaum zu übertreffen und ich habe ja weiss Gott schon Einiges gesehen in meinem Leben. Aber wisst ihr was? Sollen sie doch ihre durchsichtigen Spielchen, ihre pseudowitzigen Bubi-Sprüche und Dudelsounds bringen, denn jedes überbordende und dazu seelenlose Zwangs-Monopol geht irgendwann einmal zu Ende. Dann werden all die frustrierten, erfolglosen Ex -Musiker und Möchtegern-Scharfrichter wieder dahin verschwinden wo sie herkamen. Ich sag's dem Nachwuchs immer wieder: Bleibt euch selbst und kriecht ihnen vor lauter Angst, nicht gespielt zu werden, nicht in den Arsch - niemand muss diese Scheisse fressen und kuschen vor Menschen, die ihre Macht missbrauchen auf unsere Kosten.
Starke Worte! Gehen wir wieder zu Erfreulicherem: Bald kann man euch endlich wieder live erleben. Werden die Zuschauer bei euren Konzerten nun überwiegend Cover-Songs kredenzt bekommen oder wie gedenkt ihr das bei Konzerten anzugehen?
Wir werden wie bei jedem neuen Album-Release 2-3 neue Songs in's Live-Repertoire mischen. Ich finde es eher mühsam, wenn Bands ihre neuen Werke überstrapazieren und dabei die alten, bewährten Songs, die die Fans wollen, vergessen. Abgesehen davon haben wir ja tonnenweise eigenes, sehr starkes Material, das gespielt werden will.
In der Tat! Die Platte wird weltweit veröffentlicht – 2015 waren KROKUS Teil einer Rock-Cruise in den USA. Hat euch das Spass gemacht? Wird es wieder Konzerte von Japan bis in die Staaten geben?
Sehr! Wir haben bereits wieder neue Cruise-Angebote - diesmal von Miami nach Jamaika (…lacht…) Endlich einmal ein würdiges Ziel!
Aber zuerst kommt jetzt eine Europa-Tour, die Schweizer Konzerte und Festivals. Dann im Herbst wieder Amerika. Wir freuen uns alle sehr.
Immer wieder und aktuell anlässlich des Releases von "Big Rocks" gibt es hier in der Schweiz seitens der Kritiker und deren Mitläufer ein Chris von Rohr-Bashing. Gehört schon fast dazu. Ich erfahre dich als einen netten, angenehmen, eloquenten, belesenen und kurzweiligen Gesprächspartner… Warum, denkst du, ist teilweise eine Abneigung gegen deine Person so offenkundig?
Nun, wer mich wirklich kennt, weiss, dass ich ein umgänglicher, freudiger, in's Leben verliebter Zeitgenosse bin. Offen und zugänglich. Und ich gehöre sicher nicht zu den lebenden Toten, die uns leider immer wieder überall begegnen. Dazu kommt: Wer in diesem Land selbstbewusst - wohlverstanden, nicht arrogant - auftritt und dazu noch Erfolg hat, wird schnell heruntergebashed. Alle Tannen im Wald haben gefälligst gleich hoch zu sein, sonst werden sie heruntergesägt. Ich bin da wahrlich nicht der Einzige, der das erlebt. Aber wie sagen die Seelenklempner: Wenn dich etwas bei einem anderen Menschen besonders aufregt, hat es immer auch etwas mit dir selbst zu tun. Das hat definitiv etwas. Nein, mittlerweile ist das Neid- und Frustgeheule für mich im Preis inbegriffen und es würde mir wohl schon fast fehlen. Hauptsache, meine Liebsten, meine Tochter, meine Freunde und meine Band-Genossen verstehen und schätzen mich. Man kann doch als extrovertierter Dude nicht verlangen, von allen geliebt zu werden. Jeder Mensch ist nun einmal anders und ich bin halt Chris die Röhre. Jetzt noch auf's Alter hin schweigsam oder mundzahm werden… Na ja… (…lacht…), …das nähme mir nicht einmal mein Hauszwerg ab.
Wie siehst du die Zukunft des Rock'n'Roll?
Es ist ganz klar, dass diese bestimmte Spezies des Hardrocks am Aussterben ist. Das prägende Zeitalter geht zu Ende. Ich vergleiche es gerne mit der Klassik, mit den Hochzeiten von Bach, Mozart, Beethoven: Die ging auch einmal zu Ende. Ich sage allen Freunden: Geht die Dino-Rocker wie Rolling Stones, AC/DC, Aerosmith, Black Sabbath, ZZ Top und natürlich auch Krokus noch schauen, denn bald ist das alles vorbei und es kommt das grosse Loch, weil all diese Hammer-Bands schlicht nicht ersetzbar sind. Traurig aber wahr. So sieht's aus.
Das Resultat ist mehr als ein Cover-Album. HP sprach mit dem Produzenten und Bassisten Chris von Rohr.
Wie geht es Dir und wie geht es dem mittlerweile 43-jährigen Pflänzchen KROKUS?
Es ist immer gut wenn ein Album endlich fertig ist und du es freigeben kannst. Gerade für mich als Produzent waren die letzten 7 Monate eine extrem strenge Zeit. Du musst auf alles achten, auf jeden Ton, jedes Arrangement, den Klang, die Interpretation und auch auf das ganze Design inklusive Video. Es ist ein Puzzle so gross wie der Petersplatz in Rom. Das braucht höchste Konzentration und ist meine Aufgabe als Produzent. Trotzdem bist du immer froh, wenn es dann vorbei ist und die ersten freudigen Feedbacks kommen. Jetzt entscheiden die Fans.
Als bekannt wurde, dass KROKUS ein neues Album in der Pipeline haben und es sich dabei um ein reines Cover-Album handelt, haben sich auf sozialen Netzwerken wie Facebook, viele, vor allem Schweizer Fans, darüber moniert. Darum direkt: Warum ein Cover-Album?
Nach zwei Studio-Alben und einem Live-Album wollten wir schlicht einmal etwas anderes machen – uns endlich einen langersehnten Wunsch erfüllen. Herausgekommen ist ein Party-Hammer, eine Liebeserklärung an unsere Helden. Die Songs, die wir darauf covern sind unsere Muttermilch – unsere DNA. Wegen diesen Stücken sind wir überhaupt zu dem geworden, was wir heute sind. Es besteht zu jedem dieser Lieder eine persönliche Beziehung. Wir haben uns bewusst für diese grossen Hinkelsteine entschieden und nicht die Nachtschattengewächse. Das Album heisst ja auch "Big Rocks" und nicht "Bonsai Rocks". Darauf sind Trouvaillen, bei denen selbst wir ins Staunen kamen, was man mit ihnen alles so anstellen kann.
Es ist ja so, dass Cover-Alben – wie auch Best Of- und Live-Alben – häufig den etwas faden Geschmack von Ideenlosigkeit haben. Und trotzdem stand bis vor kurzem an der Spitze der Album-Charts ein Cover-Album der Rolling Stones… Ist das ein neuer Trend oder wie ist dieses bis dato doch eher heikel bewertete Thema zu bewerten?
Schau, es gibt nur gute oder schlechte Musik - und vor allem nur gute und schlechte Songs. Entscheidend ist, wie viel Herzblut und Eigentouch du hineinbringen kannst. Für uns musste das ganze einfach nach Krokus klingen und zwar 1000%, in jeder Hinsicht. Sonst hätten wir die Übung sofort abgebrochen. Wir sind dieses Album mit der genau gleichen Sorgfalt, mit dem genau gleichen Aufwand angegangen, wie ein reguläres Krokus-Album, und das hört man auch. Wir alle sind überzeugt, dass man noch in 10 Jahren von diesem Album sprechen wird - nicht zuletzt, weil diese Songs unzerstörbar sind und es uns gelungen ist, ihnen ein neues Gesicht zu geben.
Die Titelauswahl liest und hört sich an wie ein "Best Of Rock-Klassiker" - wie wurde da selektioniert, was auf die Platte kommt und was nicht? Und gab es seitens der einzelnen Musiker Favoriten-Songs?
Demokratie ist gut, solange jemand am Schluss sagt, wo es langgeht.
In dem Fall waren das Gitarrist Fernando und ich. Natürlich mit Absprache unseres Sängers, der hier eine tragende Rolle spielt.
Gewisse Songs mussten wir vergessen wie z.B "Foxy Lady" von Jimy Hendrix, weil die Tonart für Marc Storace nicht passte. Wir hätten das Riff 3 Töne nach oben transferieren müssen, dadurch klangen dann die Gitarren nicht mehr so ballsy und songgerecht, also vergassen wir diese Idee. So ging es mit ein paar Songs - sie klangen einfach nicht mehr nach Krokus. Zum Glück passierte das aber nicht mit unseren Favoriten.
Erstaunlich ist sicher für viele Fans und Hörer, dass AC/DC nicht berücksichtigt wurden – was verwundert, da die Band ein grosser Einfluss für KROKUS war und die Stimme von Sänger Marc Storace deren des verstorbenen Bon Scott sehr ähnelt.
Das wäre dann doch zu einfach gewesen und mein Ansatz war immer "Don't touch what is perfect"! Wenn du etwas nicht wirklich verbessern kannst, interpretations- und soundmässig, dann lass es sein. AC/DC, Motörhead, Deep Purple, The Doors, etc., kamen für uns nicht in Frage - gerade auch wegen des Gesangs. Marc ist ein Hammersänger, aber er muss sich selbst bleiben können, das heisst, er muss in einer gewissen Tonlage singen, um nach Storace und Krokus zu klingen und sein Potential voll auszuschöpfen. Und es bringt ja nichts, wenn dann ein AC/DC-Song genau so klingt wie das Original.
Auffällig ist auch die Neuaufnahme des alten KROKUS-Songs "Backseat Rock N' Roll", der bereits 1980 auf dem ersten Album mit Marc Storace - "Metal Rendez-vous" - veröffentlicht wurde. KROKUS covern sich selbst?
Wir brauchten einfach noch einen Up Tempo-Song und suchten endlos. "Johnny B. Goode" von Chuck Berry oder "Rock 'n Roll" von Led Zeppelin fanden wir zu overdone, andere auch. Plötzlich intonierte einer unserer Gitarristen dieses "Backseat"-Riff… Und wir jammten den Song - danach gab es eigentlich keine Fragen mehr. Er passte perfekt und wir konnten ihn auch mit unserem heutigen Groove deutlich besser spielen als damals vor 35 Jahren (…lacht…), hoffentlich auch…!
Auch "Jumping' Jack Flash" von den Stones ist überaus gelungen, finde ich.
Ja, dieser Song lag uns von Anfang an und ich möchte hier einen der schärfsten Musikkritiker der Schweiz, Nick Joyce, zitieren: "Die Rolling Stones haben diesen Song immer unter seinem Wert verkauft. Krokus rehabilitieren ihn sozusagen". Wir haben auf jeden Fall versucht, dem Song einen neuen Touch zu geben und das ist, so glauben wir, gelungen.
Mir persönlich imponiert die Frische des Albums – die Qualität des Sounds, die eingestreuten Twin-Gitarren, es klingt knackig und jung. Super gut hört man das in der Neil Young-Hymne "Rockin' In The Free World".
Um das ging es ja: Taufrisch muss das Ganze klingen - kein müder Aufguss. Und wenn etwas richtig Spass macht, dann kommt es auch so. "Rockin' In The Free World" ist einer unserer Faves - den wir dann auch in London zu einem Video verfilmt haben. Er hat auch ein klares, sozialpolitisches Statement: Wir leben in einer zunehmend kaputten Welt, die eben alles andere als "free" ist, aber diese Welt ist nicht verloren. Wir sollten zu ihr nur etwas mehr Sorge tragen, sonst fliegt uns die ganze Scheisse noch um die Ohren.
Auch der Gesang auf dem Album göttlich! Sänger Marc Storace singt immer noch mit einer ungeheuren Wucht – gut nachzuvollziehen im Zeppelin-Klassiker "Whole Lotta Love" oder "The House Of The Rising Sun".
Ja, ich staune immer wieder, auch als Produzent, was möglich ist mit Marc. Man kann ihn richtig herausfordern und das muss man auch, um diese Top-Qualität zu erreichen. Wo andere längst unten durch singen, brilliert Marc auch in den Höhen! Es war eine harte, aber sehr erfreuliche Zusammenarbeit bei "Big Rocks" und das hört man in jedem Track. Marc und ich verstehen uns besser, je älter wir werden, und das erfreut uns beide und trägt auch Früchte.
Und wie ist das Zusammenspiel von Mandy und Fernando, den Gitarristen?
Sie ergänzen sich perfekt. "Speedking" Mandy fährt die mehr opulent, moll-lastigen, verschlungenen Leads und "Riffgott" Fernando die erdigen, bluesigen Krokus-typischen; eine herrliche Mischung, die gerade in diesen Songs voll zum Tragen kommt. Da kann man Neues entdecken, das wir so noch nie machten. Und wir Rhythmusdruiden unten im Beatbereich halten das Ganze schön tight zusammen, damit die Lead-Zampanos ihre Solo-Salti vollbringen können.
Drums und Bass scheinen besser denn je zu harmonieren…
Ja wir haben uns sehr schnell gefunden, der Flavio und ich. Es macht wirklich Spass und wir sind ständig am smilen, weil es so gut gelingt. Rock n' Roll ist Rhythmus - sagt Steven Tyler von Aerosmith. Ich kann ihm da nur beipflichten; wenn es da stimmt und groovt, kommt meist auch der Rest gut.
Ihr scheint auf Kriegsfuss mit dem Radio zu stehen…?
Sie eher mit uns (…lacht…). Aber man muss präziseren. Ein paar Private spielen uns, aber das Staatsradio findet jedes Mal eine andere Ausrede: Einmal ist es zu heavy, einmal zu oldfashioned und diesmal ist es halt ein Cover-Album… Fazit des arroganten Gremiums:" 'Big Rocks' findet bei uns nicht statt!". Da muss man schon staunen, denn die meisten grausamen Songs, die sie in ihrer austauschbaren, täglichen Pop-Wassersuppe servieren, sind langweilige Kopien von Kopien von Kopien. Ein f***ing Joke, aber für uns ist das ganze Gehupe nichts Neues. Das läuft seit 1978 so und unser Gitarrist Fernando sagt zu Recht: Wenn die uns einmal richtig zu spielen beginnen, müssen wir eigentlich aufhören (…lacht…)! Es lohnt sich immer wieder, den offenen Brief des geschätzten Kollegen Kutti MC an den Chef von SRF 3 zu lesen! Verändert hat sich seither nämlich nullkommanix…
(Anmerkung der Redaktion: Hier der Link zum genannten Brief von Kutti MC: https://www.facebook.com/srf3/posts/10152624807073402)
Das ist krass!
Es geht übrigens auch nicht darum, eine arrivierte, Schweizer Band wie Krokus in eine Heavy Rotation-Position zu hieven, nein, sondern schlicht um Wertschätzung des Schaffens einer professionellen Band - egal wie gross oder klein sie ist. Das wäre der Auftrag des gebührenfinanzierten Staatsradios. Und es muss auch erwähnt sein, dass viele Leute - vor allem beim SRF 1, aber auch SRF 3 - einen sehr guten Job machen, doch bei einer gewissen Redaktoren-Riege in leitenden Positionen wird zu wenig ernsthaft gearbeitet, sie machen es sich zu leicht. Dazu herrscht das altbekannte Schnäbivermessen-Theater, wo es ganz zuletzt um Musik, vor allem um Egos und persönlichen Sympathien mit den jeweiligen Künstlern geht. Es ist offensichtlich, dass diese Jungs in ihren abgesicherten Elfenbeintürmen sich aufführen wie Könige, die glauben alles im Griff zu haben, aber den Kompass zur Hörerschaft oft komplett verloren haben. Nur unsere Zwangsgebühren halten diese Leute am Leben, nicht ihre Leistung. An dumpfer Arroganz ist das kaum zu übertreffen und ich habe ja weiss Gott schon Einiges gesehen in meinem Leben. Aber wisst ihr was? Sollen sie doch ihre durchsichtigen Spielchen, ihre pseudowitzigen Bubi-Sprüche und Dudelsounds bringen, denn jedes überbordende und dazu seelenlose Zwangs-Monopol geht irgendwann einmal zu Ende. Dann werden all die frustrierten, erfolglosen Ex -Musiker und Möchtegern-Scharfrichter wieder dahin verschwinden wo sie herkamen. Ich sag's dem Nachwuchs immer wieder: Bleibt euch selbst und kriecht ihnen vor lauter Angst, nicht gespielt zu werden, nicht in den Arsch - niemand muss diese Scheisse fressen und kuschen vor Menschen, die ihre Macht missbrauchen auf unsere Kosten.
Starke Worte! Gehen wir wieder zu Erfreulicherem: Bald kann man euch endlich wieder live erleben. Werden die Zuschauer bei euren Konzerten nun überwiegend Cover-Songs kredenzt bekommen oder wie gedenkt ihr das bei Konzerten anzugehen?
Wir werden wie bei jedem neuen Album-Release 2-3 neue Songs in's Live-Repertoire mischen. Ich finde es eher mühsam, wenn Bands ihre neuen Werke überstrapazieren und dabei die alten, bewährten Songs, die die Fans wollen, vergessen. Abgesehen davon haben wir ja tonnenweise eigenes, sehr starkes Material, das gespielt werden will.
In der Tat! Die Platte wird weltweit veröffentlicht – 2015 waren KROKUS Teil einer Rock-Cruise in den USA. Hat euch das Spass gemacht? Wird es wieder Konzerte von Japan bis in die Staaten geben?
Sehr! Wir haben bereits wieder neue Cruise-Angebote - diesmal von Miami nach Jamaika (…lacht…) Endlich einmal ein würdiges Ziel!
Aber zuerst kommt jetzt eine Europa-Tour, die Schweizer Konzerte und Festivals. Dann im Herbst wieder Amerika. Wir freuen uns alle sehr.
Immer wieder und aktuell anlässlich des Releases von "Big Rocks" gibt es hier in der Schweiz seitens der Kritiker und deren Mitläufer ein Chris von Rohr-Bashing. Gehört schon fast dazu. Ich erfahre dich als einen netten, angenehmen, eloquenten, belesenen und kurzweiligen Gesprächspartner… Warum, denkst du, ist teilweise eine Abneigung gegen deine Person so offenkundig?
Nun, wer mich wirklich kennt, weiss, dass ich ein umgänglicher, freudiger, in's Leben verliebter Zeitgenosse bin. Offen und zugänglich. Und ich gehöre sicher nicht zu den lebenden Toten, die uns leider immer wieder überall begegnen. Dazu kommt: Wer in diesem Land selbstbewusst - wohlverstanden, nicht arrogant - auftritt und dazu noch Erfolg hat, wird schnell heruntergebashed. Alle Tannen im Wald haben gefälligst gleich hoch zu sein, sonst werden sie heruntergesägt. Ich bin da wahrlich nicht der Einzige, der das erlebt. Aber wie sagen die Seelenklempner: Wenn dich etwas bei einem anderen Menschen besonders aufregt, hat es immer auch etwas mit dir selbst zu tun. Das hat definitiv etwas. Nein, mittlerweile ist das Neid- und Frustgeheule für mich im Preis inbegriffen und es würde mir wohl schon fast fehlen. Hauptsache, meine Liebsten, meine Tochter, meine Freunde und meine Band-Genossen verstehen und schätzen mich. Man kann doch als extrovertierter Dude nicht verlangen, von allen geliebt zu werden. Jeder Mensch ist nun einmal anders und ich bin halt Chris die Röhre. Jetzt noch auf's Alter hin schweigsam oder mundzahm werden… Na ja… (…lacht…), …das nähme mir nicht einmal mein Hauszwerg ab.
Wie siehst du die Zukunft des Rock'n'Roll?
Es ist ganz klar, dass diese bestimmte Spezies des Hardrocks am Aussterben ist. Das prägende Zeitalter geht zu Ende. Ich vergleiche es gerne mit der Klassik, mit den Hochzeiten von Bach, Mozart, Beethoven: Die ging auch einmal zu Ende. Ich sage allen Freunden: Geht die Dino-Rocker wie Rolling Stones, AC/DC, Aerosmith, Black Sabbath, ZZ Top und natürlich auch Krokus noch schauen, denn bald ist das alles vorbei und es kommt das grosse Loch, weil all diese Hammer-Bands schlicht nicht ersetzbar sind. Traurig aber wahr. So sieht's aus.
Musikvideo Rockin' In The Free World
Interview durchgeführt: Michael Honegger
Redaktion: Michael Honegger