Interview mit Philipp FankhauserIch bin gelassener geworden
13.12.2019
hitparade.ch: Dein neues Album heisst "Let Life Flow". Was ist Dein Tipp, wie man das Leben fliessen lassen kann? Wie machst Du das?
Philipp Fankhauser: Ich bin noch immer auf der Suche nach dem richtigen Weg dazu. Auch wenn der Tipp gut gemeint ist von mir - ich hab's selbst noch nicht herausgefunden, wie ich das am besten umsetzen kann. "Let Life Flow" heisst ja auch, man solle mal "ds Füfi la grad sy". Und ich selbst bin eigentlich nicht so ein Typ.hitparade.ch: Dann ist das Album eine Art Selbsttherapie?
Philipp Fankhauser: Genau (lacht). Ich wünschte mir, ich könnte das besser. Obwohl ich klar sagen muss, dass ich in den letzten Jahren wirklich gelassener geworden bin. Ich werde nicht mehr so schnell sauer. Besonders nicht in Situationen, die ich sowieso nicht verändern kann. Beispielsweise im Stau! Das nehme ich einfach hin. Aber daran muss man stetig arbeiten. Man sollte sich vor Augen führen, wo wir eigentlich leben dürfen. Wenn Stau unser einziges Problem ist, dann sollten wir froh sein.hitparade.ch: Ein Song aus dem neuen Album, der sofort ins Auge - und natürlich ins Ohr - sticht, ist "Chasch mers gloube". Du coverst einen Hanery Amman-Song. Ihr habt ja eine gemeinsame Vergangenheit: Er hat Dich mitgenommen, als Du Autostopp gemacht hast. Er fuhr Dich bis nach Montreux. Und erst viel später hast Du gemerkt, wer Dich da gefahren hat.
Philipp Fankhauser: Genau, ich kannte ihn damals nicht. Das war 1983! Wir haben oft und viel über diese Geschichte gelacht. Als nach seinem Tod vor zwei Jahren die Anfrage kam für das Hanery Amman-Tribute-Konzert in Bern, war für mich klar, dass ich da mitmache. In einer Rund-Mail an alle wurde mir ein englischer Song von Hanery zugeteilt, da ich ja ein "Berndeutsch-Hasser" sei. Das hat mich ziemlich aufgeregt! Der Typ kannte mich nicht einmal. Ich habe schon Mani Matter-Songs gesungen, als der noch in den Kniesocken im Garten herumgerannt ist. Nur weil die Musik, die ich mache, Englisch ist, hasse ich doch nicht meine eigene Sprache! Deswegen habe ich angefangen zu trötzeln und darauf bestanden, einen Mundart-Song von ihm zu singen. Und zwar wollte ich gerne "Chasch mers gloube". Denn das ist der einzige Song, der zu mir passt. Nur leider war der Song schon besetzt. Sandee sollte ihn singen. Da habe ich sie angerufen und so kam es zustande, dass wir "Chasch mers gloube" im Duett sangen. Es war immer mein Lieblings-Song von ihm.hitparade.ch: Und deswegen hast Du dann auch entschieden, ihn aufs Album zu nehmen?
Philipp Fankhauser:Als wir im Studio waren mit der Fankhauser-Band, da hat mich dieser Song einfach nicht losgelassen. Und so probierten wir ihn dann einfach in unserem Stil aus. Es war ein sehr fremdes Gefühl für mich, Berndeutsch zu singen. Zwischen Interlaken und Thun ist die Aussprache ja ziemlich anders. Daher brauchte ich einen Moment, um alles in meinem Dialekt singen zu können. Selbst jetzt bin ich noch immer unsicher mit dem Song (lacht).hitparade.ch: Ungefähr die Hälfte Deines Albums besteht aus Cover-Songs. Ist das in der Blues-Szene so üblich, dass man sich durch Neuinterpretationen gegenseitig zelebriert?
Philipp Fankhauser: Ja! Ich selbst bezeichne mich zudem nicht als grossartigen Songwriter. Ich habe eher das Gefühl, ab und zu Lucky Punches zu haben. "Please Come Home For Christmas" zum Beispiel war so einer dieser speziellen Songs. Für mich selbst ist aber nicht wichtig, wer den Song geschrieben hat, sondern, ob die Geschichte passt. Die Songs, die Du von mir hörst, sind in der Regel realistisch und passen zu mir. Ich gehe nicht hin und singe darüber, dass ich ein armer Baumwollpflücker bin. Das wäre ein Affront und einfach "Chabis". Leider machen das viele meiner europäischen Blues-"Gspänli", dass sie versuchen, dieses Gefühl des Mississippi-Blues zu imitieren.hitparade.ch: In den 2000er Jahren bist Du regelmässig in den USA aufgetreten. Wie wurde Deine Musik dort wahrgenommen? Hast Du festgestellt, dass man Dich aufgrund dieser Einstellung wertschätzt? Dass Du zwar den Sound von ihnen nutzt, jedoch authentische Geschichten erzählst?
Philipp Fankhauser: Ich war mit Johnny Copeland unterwegs auf den Bühnen. Da war die Reaktion eher: "Wieso steht der jetzt mit meinem Copeland auf der Bühne?". Es war umgekehrter Rassismus. Der Blues kommt von der dunkelhäutigen Gesellschaft. Sie haben jedoch bald festgestellt, dass ich grossen Respekt vor der Kultur habe.hitparade.ch: Und hier in der Schweiz?
Philipp Fankhauser: Da passiert das Gegenteil. Da gab es schon Leute, die nach dem Konzert zu mir kamen und sagten: "Du bist viel besser als B.B. King". Da werde ich jeweils "stärnsverruckt". Ich versuche dann nicht zu offensichtlich sauer zu werden, aber finde solche Aussagen absolut inkompetent. So etwas darf man einfach nicht sagen. Und sowieso mag ich Vergleiche nicht. Ich bin Lichtjahre von einem B.B. King entfernt. Eigene Idole kann man nicht überholen und das ist auch gut so.hitparade.ch: Und wenn Du eigene Songs schreibst: Wie stark nehmen Deine Bandmitglieder darauf Einfluss?
Philipp Fankhauser: Ich komme meist mit einer Akkordfolge oder einer Idee. Und da ich Musik weder lesen noch schreiben kann - und kein Interesse an Vorgaben und Schemen habe - brauche ich meine Band, um solche Ideen vollenden zu können. Ich richte den Song nach der Textlänge. Und dann sind da halt einmal zwei Takte zu viel. Ich mache mir diese Überlegungen nicht, ob das nun so korrekt ist oder nicht. Meine frühere Band, vor 20 Jahren, hat das jeweils ausgebügelt. Dann stimmte für mich die Energie oft nicht mehr. Die jetzige Band nimmt diese Unkorrektheit amüsiert hin - und das finde ich grossartig.hitparade.ch: "Members Only (Malaco 2017)" ist ein Song auf dem neuen Album, den man von Dir bereits kennt. Schon 1995 hast Du ihn performt…
Philipp Fankhauser: Genau! Wir haben ihn immer wieder gespielt. 20 Jahre lang! Bis er mir verleidet ist. Für das neue Album habe ich ihn wieder ausgegraben. Dieser Song ist eigentlich das "Alperose" der Südstaaten. Jedes Kind kennt ihn dort. Und als Hendrix (Hendrix Ackle, Pianist, Anm. d. Red.) mit dieser neuen Idee kam, da packte es mich wieder. Früher war der Song viel balladiger. Jetzt kommt er mit neuem Groove und coolen Bläserarrangements daher. Eigentlich wollte ich den bereits auf dem letzten Album bringen, doch er hatte keinen Platz mehr. Und zum neuen Album passte er ganz extrem.hitparade.ch: Du hast, so wie immer, auch eine Vinyl-Platte gemacht. Vor einigen Jahren hast Du sogar eine Kassette produziert. Ist das für Dich ein Entgegenwirken bezüglich der digitalen Konsumgesellschaft, die Handgemachtes nicht mehr wertschätzt?
Philipp Fankhauser: Es ist kein Entgegenwirken. Die Zeit ist wie sie ist. Aber immerhin haben wir von den 14'000 verkauften "I'll Be Around"-Alben 700 Kassetten verkauft. Das sind 5 Prozent. Man sehnt sich zwischendurch doch einfach einmal nach etwas Realem. So geht's mir jedenfalls. Wenn ich auf der Bühne jeweils sage: "Es gibt auch Kassetten", erklingt in der Regel erst einmal schallendes Gelächter. Und dann greife ich in die Jackentasche und zeige sie. Dann gibts grosse Augen (lacht). Es gibt Leute, die sammeln so etwas, andere hören tatsächlich Kassetten zu Hause. Es hat etwas kultiges. Kassetten klingen qualitativ nicht besonders gut. Dort gehts mehr um die Nostalgie. Dieses Reale, das kommt wieder. Auch die Rolling Stones machen jetzt wieder Kassetten. Vinyl ist ja seit einigen Jahren wieder auf dem Vormarsch. Und Vinyl-Platten sind nicht nur nostalgisch, sie klingen auch am besten!hitparade.ch: Dein allererstes Album ist genau vor 30 Jahren, auch im Dezember, erschienen. Was empfindest Du heute, wenn Du Dir dieses Album anhörst?
Philipp Fankhauser: Ich kanns nicht hören. So eine hohe Stimme und… ach, das ist furchtbar! Es gibt Leute, die halten das Album für einen tollen Klassiker. Aber "äbe": Ich kanns echt nicht hören. Bis etwa 2005 zurück kann ich mir meine alten Alben anhören. Alles, was vorher kam, ertrage ich nicht.hitparade.ch: Aber Du stehst schon noch dazu?
Philipp Fankhauser: Das muss ich ja fast! Ich finde aber einfach, ich habe mich doch sehr weiterentwickelt seit dieser Zeit. 1983, als ich in Montreux war - eben da, wo mich Hanery hingefahren hat - sagte ich zu Johnny Copeland, dass ich auch Bluessänger werden wolle. Seine Antwort damals lautete: "Das wird aber eine Weile dauern, bis Du da bist, wo Du hinmöchtest." Und ja, er hatte recht damit. Es dauerte 25 Jahre, bis ich selbst das Gefühl hatte, dass meine Musik richtig funktioniert.hitparade.ch: Das ist ja praktisch bei Deiner Musikstilrichtung: Wenn Du älter wirst, wird Deine Stimme rauer und damit immer bluesiger. Was tust Du für Deine Stimme?
Philipp Fankhauser: Nichts! Das ist wohl der Horror jedes Stimmbildners, aber ich tue wirklich nichts dafür. Ich singe nicht ein, ich pflege sie nicht - ich trage im Winter nicht einmal einen Schal. Das Risiko besteht natürlich, dass es irgendwann nicht mehr geht. Ich wäre nicht der Erste, dem das passiert. Ich denke auch nicht unbedingt an diesen Fall. Ich singe einfach, bis ich heiser bin und dann warte ich, bis es wieder besser wird.hitparade.ch: Und wenn Dir die Stimme doch eines Tages versagt? In einem Interview habe ich gelesen, dass Du ausser der Musik keine Hobbies hast.
Philipp Fankhauser: Ja, das ist leider so. Ich habe eine Monokultur betrieben. Seit bald 40 Jahren mache ich nur das. Wie ein Bauer, der immer nur Mais anpflanzt. Was soll ich tun, wenn die Musik keine Option mehr ist? Ich habe nicht viele Möglichkeiten. Das ist die Kompromisslosigkeit, die wohl fast jeder Musiker kennt. Und auch wenn ich vielseitig Musik mache, ist es ein überschaubares Gärtchen. Ich habe keine andere Leidenschaft.hitparade.ch: Aber Du produzierst ja noch Deinen eigenen Tee!
Philipp Fankhauser: Okay, das stimmt! Das ist ein kleines Projekt, das ich exklusiv und kleinbehalten möchte. Aber das Schöne ist: Wenn Du den Tee trinken möchtest, kannst Du ihn weder streamen noch rippen. Entweder man kauft ihn oder wird dazu eingeladen. Und das "fägt" schon: Etwas Analoges zu machen, das Wert und eine gute Qualität hat.hitparade.ch: Im Dezember gehst Du auf Tour. Hast Du eine Lieblings-Location, auf die Du Dich besonders freust?
Philipp Fankhauser: Ich glaube, ich spiele in all meinen Lieblings-Locations. Ich bin beispielsweise ein grosser Fan vom Kofmehl in Solothurn. Dort werden wir immer so warm empfangen. Ich spiele aber auch gerne im Kaufleuten in Zürich. Und in der Mühle Hunziken in Bern sowieso! Ich würde sagen, ich spiele an allen Orten wirklich gerne und freue mich darauf.Interview durchgeführt:
Bettina Wyss-Siegwart
Bettina Wyss-Siegwart
Redaktion:
Bettina Wyss-Siegwart
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Linktipps:
Zum Album "Let Live Flow" |