Interview mit Rosenstolz
Fotos: Mike Auerbach |
Zwei Jahre nach dem bisherigen Höhepunkt der Karriere von Rosenstolz mit dem Album "Das grosse Leben" wollen AnNa R. und Peter Plate mit dem neuen Album "Die Suche geht weiter" an ihre Erfolge anknüpfen. Wir haben AnNa und Peter in Zürich zum Interview getroffen.
hitparade.ch: Die Psychologin Carmen Wulf hat Liebeslieder analysiert und meinte, dass „…die neueren Songs – im Vergleich zu den Balladen der 60er und 70er - viel romantischer sind, gleichzeitig haben sie ernsthaftere Untertöne, und sie beschäftigen sich viel häufiger mit dem Thema Liebeskummer. Wulf glaubt außerdem, "dass Rosenstolz & Co. für eine Generation singen, die den Halt durch Familien und soziale Gemeinschaften oft verloren hat - wodurch der Wunsch nach Intimität und Sicherheit beim Partner wächst…" Wie denkt ihr darüber?
AnNa: Das hört sich gar nicht mal so falsch an, ehrlich gesagt.
Peter: Ich glaube dazu sollte man mehrere Generationen an einen Tisch bitten und ein Gespräch führen. Da mag schon was dran sein. Fangen wir mal nach dem Krieg an, sonst wirds kompliziert. Ich denke dass nach dem Krieg A die Ehe klassischer war, und B, dass man oft auch aus materiellen Gründen einfach zusammen blieb, weil's gar nicht möglich war, an eine Trennung zu denken. Und Kinder die in den 60er Jahren in Deutschland geboren wurden von alleinerziehenden Müttern, die waren ja als Bastarde verschrien. Das ist ja gottseidank heute nicht mehr so. Was ich damit sagen will: Im Idealfall kommen zwei Menschen zusammen, weil sie sich tatsächlich lieben, und gehen auseinander, wenn sie sich entliebt haben. Deswegen wurden solche Themen früher wohl so fröhlich abgetan, wie bei dem wunderbaren Lied "Liebeskummer lohnt sich nicht my darling". Das kannst du heute ja nicht mehr bringen. Von da her finde ich ihre Arbeit schon sehr interessant.
hitparade.ch: Ihr hattet von Beginn an eine starke Fanbasis. Bei etlichen Bands distanziert sich diese dann mit zunehmendem Erfolg von der Gruppe. Wie sieht das bei euch aus?
AnNa: Zum Glück nicht. Sicherlich gibt es einige, die jetzt rausgewachsen sind, das ist durchaus möglich. Das finde ich aber auch total vernünftig und normal. Dann ist eine Phase des Lebens abgeschlossen wo man etwas mochte, und nun halt etwas anderes mag. Aber wir haben tatsächlich Fans die seit 15 Jahren dabei sind. Das durften wir auch erleben und es ist grossartig.
hitparade.ch: Mit "Gib mir Sonne" liefert ihr den Titeltrack zur TV-Soap "Anna und die Liebe" – seht ihr darin eine Gefahr, dass sich der Song schneller abnutzt?
Peter: Das weiss ich nicht, denn solche Serien und Soaps werden ja meist von der gleichen Zielgruppe gesehen. Ich selber schaue beispielsweise gar kein Fernsehen, ich schaue nur DVD's. Dadurch werde ich den Song wahrscheinlich nicht so oft hören. Oder ein Gegenbeispiel: Nena hat das selbe ja auch für "Verliebt in Berlin" gemacht. Da ich das aber nie geguckt habe, assoziiere ich ihren Song damit gar nicht. Deswegen glaube ich, ist die Gefahr klein.
hitparade.ch: Wie hat es sich ergeben, dass ihr den Song zu dieser Telenovela abliefert?
AnNa: Das war purer Zufall. Die Produktionsfirma kam mit der Anfrage auf unsere Plattenfirma zu, ob wir einen Titelsong für diese Telenovela machen könnten. Das ist aber eigentlich nicht unsere Art, und wir können das auch gar nicht, so zugeschnitten auf eine Geschichte einen Song zu machen. Also sagten wir: Geht nicht. Unsere Single stand jedoch bereits fest und war auch schon fast fertig, und dann meinten wir, die sollten sich vielleicht diesen Song einmal anhören, vielleicht passt der. Und dann haben die gesagt: "Supi, passt wie die Faust auf's Auge, den nehmen wir." Mehr war da nicht dran.
hitparade.ch: Die Titelsongs zu zwei anderen Telenovelas (First Day Of My Life – Julia; Liebe ist – Verliebt in Berlin) stürmten die Spitze der deutschen Single-Charts. Ein gutes Omen für Euch? Bisher habt ihr es ja noch nicht an die Spitze der Singles Charts geschafft.
Peter: Es ist lustig, ich glaube als Kind hätte ich mich bei "Wetten Dass?!?" bewerben können für alle Charts-Platzierungen von ABBA. Bei Rosenstolz hört's aber auf, das könnte ich mir gar nicht alles merken. Es war auch nie so unser Ziel. Es wäre bestimmt toll, wenn das mal passiert, aber es ist nicht die Motivation für unsere Arbeit. Das geht auch nicht mit Rosenstolz. Wenn man selber Musiker wird, sind auch die Motivationen anders. Es hat ja auch sehr viel noch mit Zufall zu tun. Es kann ja irgend ein Knuddel-Kuschel-Song um die Ecke kommen, der dann mehr Downloads hat (lacht).
AnNa: Oder ein riesiger Delfin. Man weiss es nicht.
hitparade.ch: 2006 war „Das große Leben“ das meistverkaufte Album Deutschlands und ihr habt alle erdenklichen Erfolge damit gefeiert. Inwiefern war es bei den Arbeiten für „Die Suche geht weiter“ anders im Vergleich zu früher? Habt ihr da besonderen Druck gespürt?
AnNa: Wie immer. Wir haben ja schon immer gedacht, dass wir einen riesigen Erfolg haben, da es immer ein bisschen besser wurde. Mit dem "Herz"-Album und "Liebe ist alles", das ja auf einmal in den Radios rauf und runter gespielt wurde, was für uns ein Wunder war, dachten wir: Ok, das ist die Position, die wir haben. Die haben wir uns hart erkämpft, da bleiben wir jetzt noch ein bisschen. Und als "Das grosse Leben" noch dazu kam, und dann so eingeschlagen hat, das war wie Vanillepudding mit Sahne. Noch drauf! Das haben wir nun schon geschafft. Aber das werden wir wahrscheinlich gar nicht wieder erreichen, weil es der Schallplattenmarkt nicht hergibt. Das kann man gar nicht mehr schaffen. Also ist das eigentlich recht unwichtig. Wir schreiben ja in erster Linie für uns und nicht für den Markt. Was wir auch nicht könnten, und was ich auch dämlich fände. Also: Druckfrei, wie immer!
hitparade.ch: Entgegen dem Trend in der Musikindustrie habt ihr aus „Das grosse Leben“ 5 Singles und 4 Remix-Singles und eine Live-Single ausgekoppelt. Dies weckt natürlich die Vorfreude beim Rosenstolz-Fan. Werdet Ihr das bei Eurem neuen Album beibehalten?
Peter: Das werden wir sehen. Es ist immer schwierig das zu planen. Beim Album "Macht Liebe", da wollten wir zum Beispiel drei Singles auskoppeln, aber wir mussten dann einsehen: Dieses Album hatte nur zwei Singles (lacht). Dann haben wir für ne Dritte einen Remix und alles machen lassen. Uns fehlte dann der Mut, weil wir selber nicht mehr überzeugt waren, ob das wirklich hinhaut. Das werden wir jetzt hier sehen, ob es drei, vier oder fünf Singles werden. Was es nicht werden darf, ist ne Fan-Verarsche. Insofern müssen wir halt einfach mal gucken, was es so hergibt.
hitparade.ch: Was sind die wesentlichen Unterschiede zum Vorgänger?
Peter: Das Album ist ja sehr nah bei uns und setzt sich schon mit den Themen von Verlust und Tod und Trauer auseinander. Aber auch mit dem Rauskommen aus der Trauer und das dabei erkennen wie toll und wertvoll das Leben ist. Dass man einen Tag auch einmal feiern muss oder auch mal 5 gerade sein muss. Man setzt sich ja nicht hin und sagt sich: So, ich muss mich jetzt weiterentwickeln. Das fänd ich ganz krampfig.
hitparade.ch: Wie viel Autobiographisches steckt in euren Songs?
AnNa: Recht viel. Also jetzt nicht über 17 Jahre lang jeder Song. Das wäre ja ein bisschen altbacken (lacht). Aber doch schon ein Grossteil. Auch auf dem neuen Album.
hitparade.ch: Im Vorspann zur Vorausscheidung zum ESC 1998 habt ihr explizit alle Schlampen gegrüßt und auch definiert, was eurer Meinung nach eine Schlampe ist. Die Allgemeinheit versteht wohl nach wie vor unter „Schlampe“ ein abwertendes Schimpfwort, ihr messt diesem Begriff durchaus positive Bedeutung bei. Inwiefern denkt ihr ist es euch gelungen, ein Umdenken herbeizuführen?
AnNa: Das weiss ich nicht. Der Begriff Schlampe ist in Deutschland auch langsam ein bisschen antiquiert, ich weiss nicht, wie es in der Schweiz ist. Inzwischen sind's Luder, Bitches, Pussys oder was auch immer geworden. Ich find die Entwicklung eigentlich ganz gut, dass die Mädels sagen: Ja, ich bin selbstbestimmt, ich kann losgehen und kann mir einen Mann suchen, auch nur für eine Nacht, wenn ich will, ich muss ja nicht. Als wir das gemacht haben, war das noch ein bisschen anrüchig, ist aber von den Mädchen, die so alt waren wie wir, und auch ein bisschen jünger, extrem dankbar aufgenommen worden. Die haben gesagt: Na klar, warum eigentlich nicht? Inzwischen ist es auch schon ein wenig normal geworden. Es ist total in Ordnung und das find ich super. Es kann schon sein, dass Schlampe in der Schweiz noch immer ein Schimpfwort ist; ich glaub bei uns kaum. Höchstens im Sinne von Schlamping - Unordendlich. Aber auch das ist nicht weiter schlimm.
Peter: Dann bin ich eine doppelte Schlampe! (lacht).
hitparade.ch: Apropos ESC: ihr habt damals als relativ unbekannte Band mit einem qualitativ hochwertigen Song Platz 2 belegt, der Siegertitel wurde wohl primär wegen des Hypes um Guildo Horn und der Show gewählt. Hat sich seither eure Einstellung gewandelt bzw. würdet ihr heute noch einmal teilnehmen?
AnNa: Ich glaube nicht. Wir hatten es schon, und es war eine sehr spezielle Situation. Der Grand Prix fing an aufzubrechen. Es sind nicht nur mehr Frauen in langen Abendkleidern, es hatte auch moderne Nummern dabei. Ob es gut war oder nicht sei dahingestellt: Es war auch Gildo Horn dabei. Ob Klamauk oder nicht, ich fand das ne tolle Geschichte, dass sowas auch passieren kann. Zumal dieser Mann, ob man seine Musik und seinen Auftritt mag oder nicht, ein sehr glaubwürdiger Mensch ist. Wir durften ihn ja kennenlernen, er ist ein sehr ernsthafter Mensch der Spässchen macht. Wir hatten da wie so eine Art Ferienlager in Aufbruchstimmung. Es war eine tolle und wichtige Woche, in der wir ganz viel erlebt haben. Wir haben da auch viel mitnehmen können. Nochmals teilzunehmen wäre wahrscheinlich eine Enttäuschung für uns. Ich würde das daher nicht unbedingt nochmals machen wollen. Ausserdem muss man den anderen Leuten ja auch mal ne Chance lassen. (lacht).
hitparade.ch: Im November geht’s los mit Eurer Tour, im Januar seid ihr auch in Zürich zu Gast. Was erwartet den Konzertbesucher?
Peter: Sowas ist immer schwierig zu sagen, bevor man überhaupt angefangen hat zu proben. Ich kann nur sagen, dass wir im September mal grob unsere Songs durchspielen werden, die wir uns vorstellen könnten zu spielen auf der Tour. Meist entwickelt sich sowas beim Zusammenspiel mit der Band. Es ist schwierig sowas anzukündigen, aber für jeden, der schonmal Rosenstolz gesehen hat, kann ich sagen; Wir versuchen uns selbst treu zu bleiben, aber auch das neue Album zu präsentieren. Konzerte funktionieren am besten, wenn's ein Miteinander wird. Wenn das Publikum auch Party macht und mitsingt und so. Das wollen wir auf jeden Fall wieder schaffen.
hitparade.ch: Und vom Song-Mix her?
Peter: Mit Sicherheit 8 oder 9 Songs von der neuen Platte.
AnNa: Und die anderen 10 Alben versuchen wir irgendwie aufzuteilen. Das ist wirklich jedes Jahr wieder sehr schwer.
hitparade.ch: Habt ihr spezielle Erinnerungen an euer Konzert in Zürich?
AnNa: Das war auf jeden Fall trotz anfänglichen Schwierigkeiten ein sehr schönes Konzert. Es war sehr lustig. Ich konnte unserem Musikmischer beinahe auf den Kopf spucken, so klein war alles.
Peter: Wir kamen an und dachten erst, das kann gar nicht gehen. Aber dann wurde es toll. Das ist oft so, wenn du erst denkst, es haut nicht hin. Aber es war wunderbar und hat sehr viel Spass gemacht.
AnNa: Es waren halt alle so dicht dran.
hitparade.ch: Welcher ist euer persönlicher Favorit und welchen Song performt ihr am liebsten auf der Bühne?
AnNa: Ich weiss nicht. Königin vielleicht. Königin ist immer wieder lustig.
Peter: Nee, hab ich nicht. Das ist sowieso von Abend zu Abend verschieden. Ich freue mich auf mein neues Lied.
hitparade.ch: Erreicht habt ihr ja schon viel, habt ihr noch Ziele und Wünsche?
AnNa: Konkret nicht viele. Auf jeden Fall erstmal diese Tour machen und dabei Spass haben. Und schauen was einem dabei passiert oder nicht passiert. Und dann weiterschauen. Ich selber kann sagen, ich schaue nicht gerne weit voraus, denn ich leb ja jetzt. Wenn ich zu weit vorausschaue, dann verpasse ich vielleicht ja das, was jetzt gerade um mich herum passiert. Das wär ja auch schade.
hitparade.ch: Kommen wir zur Top 10 der Schweizer Hitparade. Könnt ihr sie kommentieren?
10. Jazon Mraz - I'm Yours
AnNa: Kenne ich nicht
9. Leona Lewis - Better In Time
Peter: Ich glaube ich kenne Leona Lewis, aber nicht diesen Song...
7. Duffy - Mercy
AnNa: Duffy hält sich mit diesem Song erstaunlich lange in den Charts. Ich staune, nicht weil's schlecht ist, sondern weil es einfach wirklich erstaunlich lange anhält.
6. Enrique Iglesias - Can You Hear Me
Peter: Ihn kenne ich auch, aber auch nicht dieses Lied!
5. Coldplay - Viva la vida
Peter: Dieser Song ist grossartig, ich bin ein riesen Coldplay-Fan und ein weiteres Mal positiv überrascht worden. Was ich eigentlich wahnsinn finde, denn als Fan übt man mit seinen hohen Erwartungen Druck aus. Wenn man dann das Album hört, findet man es im ersten Moment komisch, doch beim fünften Mal hören öffnen sich die Türen.
4. Madonna - Give It 2 Me
Peter: Dieser Song ist natürlich Pflicht für mich. Ich finde diese Euro-Trash-Nummer grossartig. Ich finds schön.
1. Kid Rock - All Summer Long
AnNa: Finde ich erstaunlich, dass man mit einer doch schon bekannten, eher volkstümlichen Melodie so lange auf Platz 1 bleiben kann. Das spricht für das Original.
hitparade.ch: Die Psychologin Carmen Wulf hat Liebeslieder analysiert und meinte, dass „…die neueren Songs – im Vergleich zu den Balladen der 60er und 70er - viel romantischer sind, gleichzeitig haben sie ernsthaftere Untertöne, und sie beschäftigen sich viel häufiger mit dem Thema Liebeskummer. Wulf glaubt außerdem, "dass Rosenstolz & Co. für eine Generation singen, die den Halt durch Familien und soziale Gemeinschaften oft verloren hat - wodurch der Wunsch nach Intimität und Sicherheit beim Partner wächst…" Wie denkt ihr darüber?
AnNa: Das hört sich gar nicht mal so falsch an, ehrlich gesagt.
Peter: Ich glaube dazu sollte man mehrere Generationen an einen Tisch bitten und ein Gespräch führen. Da mag schon was dran sein. Fangen wir mal nach dem Krieg an, sonst wirds kompliziert. Ich denke dass nach dem Krieg A die Ehe klassischer war, und B, dass man oft auch aus materiellen Gründen einfach zusammen blieb, weil's gar nicht möglich war, an eine Trennung zu denken. Und Kinder die in den 60er Jahren in Deutschland geboren wurden von alleinerziehenden Müttern, die waren ja als Bastarde verschrien. Das ist ja gottseidank heute nicht mehr so. Was ich damit sagen will: Im Idealfall kommen zwei Menschen zusammen, weil sie sich tatsächlich lieben, und gehen auseinander, wenn sie sich entliebt haben. Deswegen wurden solche Themen früher wohl so fröhlich abgetan, wie bei dem wunderbaren Lied "Liebeskummer lohnt sich nicht my darling". Das kannst du heute ja nicht mehr bringen. Von da her finde ich ihre Arbeit schon sehr interessant.
hitparade.ch: Ihr hattet von Beginn an eine starke Fanbasis. Bei etlichen Bands distanziert sich diese dann mit zunehmendem Erfolg von der Gruppe. Wie sieht das bei euch aus?
AnNa: Zum Glück nicht. Sicherlich gibt es einige, die jetzt rausgewachsen sind, das ist durchaus möglich. Das finde ich aber auch total vernünftig und normal. Dann ist eine Phase des Lebens abgeschlossen wo man etwas mochte, und nun halt etwas anderes mag. Aber wir haben tatsächlich Fans die seit 15 Jahren dabei sind. Das durften wir auch erleben und es ist grossartig.
hitparade.ch: Mit "Gib mir Sonne" liefert ihr den Titeltrack zur TV-Soap "Anna und die Liebe" – seht ihr darin eine Gefahr, dass sich der Song schneller abnutzt?
Peter: Das weiss ich nicht, denn solche Serien und Soaps werden ja meist von der gleichen Zielgruppe gesehen. Ich selber schaue beispielsweise gar kein Fernsehen, ich schaue nur DVD's. Dadurch werde ich den Song wahrscheinlich nicht so oft hören. Oder ein Gegenbeispiel: Nena hat das selbe ja auch für "Verliebt in Berlin" gemacht. Da ich das aber nie geguckt habe, assoziiere ich ihren Song damit gar nicht. Deswegen glaube ich, ist die Gefahr klein.
hitparade.ch: Wie hat es sich ergeben, dass ihr den Song zu dieser Telenovela abliefert?
AnNa: Das war purer Zufall. Die Produktionsfirma kam mit der Anfrage auf unsere Plattenfirma zu, ob wir einen Titelsong für diese Telenovela machen könnten. Das ist aber eigentlich nicht unsere Art, und wir können das auch gar nicht, so zugeschnitten auf eine Geschichte einen Song zu machen. Also sagten wir: Geht nicht. Unsere Single stand jedoch bereits fest und war auch schon fast fertig, und dann meinten wir, die sollten sich vielleicht diesen Song einmal anhören, vielleicht passt der. Und dann haben die gesagt: "Supi, passt wie die Faust auf's Auge, den nehmen wir." Mehr war da nicht dran.
hitparade.ch: Die Titelsongs zu zwei anderen Telenovelas (First Day Of My Life – Julia; Liebe ist – Verliebt in Berlin) stürmten die Spitze der deutschen Single-Charts. Ein gutes Omen für Euch? Bisher habt ihr es ja noch nicht an die Spitze der Singles Charts geschafft.
Peter: Es ist lustig, ich glaube als Kind hätte ich mich bei "Wetten Dass?!?" bewerben können für alle Charts-Platzierungen von ABBA. Bei Rosenstolz hört's aber auf, das könnte ich mir gar nicht alles merken. Es war auch nie so unser Ziel. Es wäre bestimmt toll, wenn das mal passiert, aber es ist nicht die Motivation für unsere Arbeit. Das geht auch nicht mit Rosenstolz. Wenn man selber Musiker wird, sind auch die Motivationen anders. Es hat ja auch sehr viel noch mit Zufall zu tun. Es kann ja irgend ein Knuddel-Kuschel-Song um die Ecke kommen, der dann mehr Downloads hat (lacht).
AnNa: Oder ein riesiger Delfin. Man weiss es nicht.
hitparade.ch: 2006 war „Das große Leben“ das meistverkaufte Album Deutschlands und ihr habt alle erdenklichen Erfolge damit gefeiert. Inwiefern war es bei den Arbeiten für „Die Suche geht weiter“ anders im Vergleich zu früher? Habt ihr da besonderen Druck gespürt?
AnNa: Wie immer. Wir haben ja schon immer gedacht, dass wir einen riesigen Erfolg haben, da es immer ein bisschen besser wurde. Mit dem "Herz"-Album und "Liebe ist alles", das ja auf einmal in den Radios rauf und runter gespielt wurde, was für uns ein Wunder war, dachten wir: Ok, das ist die Position, die wir haben. Die haben wir uns hart erkämpft, da bleiben wir jetzt noch ein bisschen. Und als "Das grosse Leben" noch dazu kam, und dann so eingeschlagen hat, das war wie Vanillepudding mit Sahne. Noch drauf! Das haben wir nun schon geschafft. Aber das werden wir wahrscheinlich gar nicht wieder erreichen, weil es der Schallplattenmarkt nicht hergibt. Das kann man gar nicht mehr schaffen. Also ist das eigentlich recht unwichtig. Wir schreiben ja in erster Linie für uns und nicht für den Markt. Was wir auch nicht könnten, und was ich auch dämlich fände. Also: Druckfrei, wie immer!
hitparade.ch: Entgegen dem Trend in der Musikindustrie habt ihr aus „Das grosse Leben“ 5 Singles und 4 Remix-Singles und eine Live-Single ausgekoppelt. Dies weckt natürlich die Vorfreude beim Rosenstolz-Fan. Werdet Ihr das bei Eurem neuen Album beibehalten?
Peter: Das werden wir sehen. Es ist immer schwierig das zu planen. Beim Album "Macht Liebe", da wollten wir zum Beispiel drei Singles auskoppeln, aber wir mussten dann einsehen: Dieses Album hatte nur zwei Singles (lacht). Dann haben wir für ne Dritte einen Remix und alles machen lassen. Uns fehlte dann der Mut, weil wir selber nicht mehr überzeugt waren, ob das wirklich hinhaut. Das werden wir jetzt hier sehen, ob es drei, vier oder fünf Singles werden. Was es nicht werden darf, ist ne Fan-Verarsche. Insofern müssen wir halt einfach mal gucken, was es so hergibt.
hitparade.ch: Was sind die wesentlichen Unterschiede zum Vorgänger?
Peter: Das Album ist ja sehr nah bei uns und setzt sich schon mit den Themen von Verlust und Tod und Trauer auseinander. Aber auch mit dem Rauskommen aus der Trauer und das dabei erkennen wie toll und wertvoll das Leben ist. Dass man einen Tag auch einmal feiern muss oder auch mal 5 gerade sein muss. Man setzt sich ja nicht hin und sagt sich: So, ich muss mich jetzt weiterentwickeln. Das fänd ich ganz krampfig.
hitparade.ch: Wie viel Autobiographisches steckt in euren Songs?
AnNa: Recht viel. Also jetzt nicht über 17 Jahre lang jeder Song. Das wäre ja ein bisschen altbacken (lacht). Aber doch schon ein Grossteil. Auch auf dem neuen Album.
hitparade.ch: Im Vorspann zur Vorausscheidung zum ESC 1998 habt ihr explizit alle Schlampen gegrüßt und auch definiert, was eurer Meinung nach eine Schlampe ist. Die Allgemeinheit versteht wohl nach wie vor unter „Schlampe“ ein abwertendes Schimpfwort, ihr messt diesem Begriff durchaus positive Bedeutung bei. Inwiefern denkt ihr ist es euch gelungen, ein Umdenken herbeizuführen?
AnNa: Das weiss ich nicht. Der Begriff Schlampe ist in Deutschland auch langsam ein bisschen antiquiert, ich weiss nicht, wie es in der Schweiz ist. Inzwischen sind's Luder, Bitches, Pussys oder was auch immer geworden. Ich find die Entwicklung eigentlich ganz gut, dass die Mädels sagen: Ja, ich bin selbstbestimmt, ich kann losgehen und kann mir einen Mann suchen, auch nur für eine Nacht, wenn ich will, ich muss ja nicht. Als wir das gemacht haben, war das noch ein bisschen anrüchig, ist aber von den Mädchen, die so alt waren wie wir, und auch ein bisschen jünger, extrem dankbar aufgenommen worden. Die haben gesagt: Na klar, warum eigentlich nicht? Inzwischen ist es auch schon ein wenig normal geworden. Es ist total in Ordnung und das find ich super. Es kann schon sein, dass Schlampe in der Schweiz noch immer ein Schimpfwort ist; ich glaub bei uns kaum. Höchstens im Sinne von Schlamping - Unordendlich. Aber auch das ist nicht weiter schlimm.
Peter: Dann bin ich eine doppelte Schlampe! (lacht).
hitparade.ch: Apropos ESC: ihr habt damals als relativ unbekannte Band mit einem qualitativ hochwertigen Song Platz 2 belegt, der Siegertitel wurde wohl primär wegen des Hypes um Guildo Horn und der Show gewählt. Hat sich seither eure Einstellung gewandelt bzw. würdet ihr heute noch einmal teilnehmen?
AnNa: Ich glaube nicht. Wir hatten es schon, und es war eine sehr spezielle Situation. Der Grand Prix fing an aufzubrechen. Es sind nicht nur mehr Frauen in langen Abendkleidern, es hatte auch moderne Nummern dabei. Ob es gut war oder nicht sei dahingestellt: Es war auch Gildo Horn dabei. Ob Klamauk oder nicht, ich fand das ne tolle Geschichte, dass sowas auch passieren kann. Zumal dieser Mann, ob man seine Musik und seinen Auftritt mag oder nicht, ein sehr glaubwürdiger Mensch ist. Wir durften ihn ja kennenlernen, er ist ein sehr ernsthafter Mensch der Spässchen macht. Wir hatten da wie so eine Art Ferienlager in Aufbruchstimmung. Es war eine tolle und wichtige Woche, in der wir ganz viel erlebt haben. Wir haben da auch viel mitnehmen können. Nochmals teilzunehmen wäre wahrscheinlich eine Enttäuschung für uns. Ich würde das daher nicht unbedingt nochmals machen wollen. Ausserdem muss man den anderen Leuten ja auch mal ne Chance lassen. (lacht).
hitparade.ch: Im November geht’s los mit Eurer Tour, im Januar seid ihr auch in Zürich zu Gast. Was erwartet den Konzertbesucher?
Peter: Sowas ist immer schwierig zu sagen, bevor man überhaupt angefangen hat zu proben. Ich kann nur sagen, dass wir im September mal grob unsere Songs durchspielen werden, die wir uns vorstellen könnten zu spielen auf der Tour. Meist entwickelt sich sowas beim Zusammenspiel mit der Band. Es ist schwierig sowas anzukündigen, aber für jeden, der schonmal Rosenstolz gesehen hat, kann ich sagen; Wir versuchen uns selbst treu zu bleiben, aber auch das neue Album zu präsentieren. Konzerte funktionieren am besten, wenn's ein Miteinander wird. Wenn das Publikum auch Party macht und mitsingt und so. Das wollen wir auf jeden Fall wieder schaffen.
hitparade.ch: Und vom Song-Mix her?
Peter: Mit Sicherheit 8 oder 9 Songs von der neuen Platte.
AnNa: Und die anderen 10 Alben versuchen wir irgendwie aufzuteilen. Das ist wirklich jedes Jahr wieder sehr schwer.
hitparade.ch: Habt ihr spezielle Erinnerungen an euer Konzert in Zürich?
AnNa: Das war auf jeden Fall trotz anfänglichen Schwierigkeiten ein sehr schönes Konzert. Es war sehr lustig. Ich konnte unserem Musikmischer beinahe auf den Kopf spucken, so klein war alles.
Peter: Wir kamen an und dachten erst, das kann gar nicht gehen. Aber dann wurde es toll. Das ist oft so, wenn du erst denkst, es haut nicht hin. Aber es war wunderbar und hat sehr viel Spass gemacht.
AnNa: Es waren halt alle so dicht dran.
hitparade.ch: Welcher ist euer persönlicher Favorit und welchen Song performt ihr am liebsten auf der Bühne?
AnNa: Ich weiss nicht. Königin vielleicht. Königin ist immer wieder lustig.
Peter: Nee, hab ich nicht. Das ist sowieso von Abend zu Abend verschieden. Ich freue mich auf mein neues Lied.
hitparade.ch: Erreicht habt ihr ja schon viel, habt ihr noch Ziele und Wünsche?
AnNa: Konkret nicht viele. Auf jeden Fall erstmal diese Tour machen und dabei Spass haben. Und schauen was einem dabei passiert oder nicht passiert. Und dann weiterschauen. Ich selber kann sagen, ich schaue nicht gerne weit voraus, denn ich leb ja jetzt. Wenn ich zu weit vorausschaue, dann verpasse ich vielleicht ja das, was jetzt gerade um mich herum passiert. Das wär ja auch schade.
hitparade.ch: Kommen wir zur Top 10 der Schweizer Hitparade. Könnt ihr sie kommentieren?
10. Jazon Mraz - I'm Yours
AnNa: Kenne ich nicht
9. Leona Lewis - Better In Time
Peter: Ich glaube ich kenne Leona Lewis, aber nicht diesen Song...
7. Duffy - Mercy
AnNa: Duffy hält sich mit diesem Song erstaunlich lange in den Charts. Ich staune, nicht weil's schlecht ist, sondern weil es einfach wirklich erstaunlich lange anhält.
6. Enrique Iglesias - Can You Hear Me
Peter: Ihn kenne ich auch, aber auch nicht dieses Lied!
5. Coldplay - Viva la vida
Peter: Dieser Song ist grossartig, ich bin ein riesen Coldplay-Fan und ein weiteres Mal positiv überrascht worden. Was ich eigentlich wahnsinn finde, denn als Fan übt man mit seinen hohen Erwartungen Druck aus. Wenn man dann das Album hört, findet man es im ersten Moment komisch, doch beim fünften Mal hören öffnen sich die Türen.
4. Madonna - Give It 2 Me
Peter: Dieser Song ist natürlich Pflicht für mich. Ich finde diese Euro-Trash-Nummer grossartig. Ich finds schön.
1. Kid Rock - All Summer Long
AnNa: Finde ich erstaunlich, dass man mit einer doch schon bekannten, eher volkstümlichen Melodie so lange auf Platz 1 bleiben kann. Das spricht für das Original.