Home | Impressum | Kontakt
Login

Interview mit Rosenstolz

Foto: Ferran Casanova

Nach einem Burnout von Peter waren Rosenstolz gezwungen, eine Pause einzulegen. Nach drei Jahren geht's endlich wieder weiter mit dem neuen Album "Wir sind am Leben". Wir haben die Sängerin AnNa R. zum Interview am Telefon gesprochen.

hitparade.ch: Ihr redet vom Ende einer langen Pause. Es sind drei Jahre vergangen, seit das letzte Album erschienen ist. Peter hatte ja ein Burnout, was Euch zu einem Unterbruch gezwungen hat. Als aussenstehende Person ist es schwer, sich in Peters Situation hineinzuversetzen. Wie gut konntest Du nachempfinden, was Peter da durchgemacht hat?
AnNa: Ich weiss nicht, ob es in der Schweiz auch so ist, aber in Deutschland ist dies inzwischen leider ein Massenphänomen. Ich kannte schon mehrere Fälle in meinem Umfeld. Ich konnte relativ gut damit umgehen und habe ihn dann grösstenteils in Ruhe gelassen, bis er sich jeweils wieder selbst aufgerafft und sich gemeldet hat. Er hat aber viel geschrieben in dieser Zeit.

hitparade.ch: Heisst das, es hat Songs auf dem Album aus dieser Zeit?
AnNa: Es sind eigentlich nur Songs aus dieser Zeit.

hitparade.ch: Hätte man das im Nachhinein betrachtet auch verhindern können? Vielleicht, wenn man sich beim letzten Album mehr Zeit gelassen hätte, so wie beim aktuellen?
AnNa: Ja, es hätte sicherlich verhindert werden können. Aber wenn man so im Produktionsprozess ist, dann sieht man das nicht. Wir hätten etwas besser auf uns aufpassen müssen. Wir hätten aber sowieso nach den Konzerten mal eine Pause eingelegt, weil wir gemerkt hatten, dass so langsam die Batterien alle sind. Nun haben wir diese Pause halt ein wenig vorgezogen, ist ja nicht so schlimm.

hitparade.ch: Wie sehr haben Euch die Fans geholfen, aus diesem Loch wieder herauszukommen?
AnNa: Ich weiss nicht, ob sie wirklich helfen konnten! Aber sie haben sehr, sehr lieb an uns geschrieben, sie haben Ratschläge erteilt oder uns Mut zugesprochen. Viele haben geschrieben "Lasst Euch so viel Zeit, wie ihr wollt, wir können warten". Und das ist natürlich sehr schön, wenn man sich so aufgehoben fühlt.

hitparade.ch: Irgendwann in der Pause kam dann der Moment, wo Ihr Euch wieder bereitgefühlt habt, die Arbeit am neuen Album aufzunehmen. Wann war dieser Zeitpunkt?
AnNa: Das kam erst am Schluss, als eigentlich alles schon fertig war. Wir haben immer mal wieder zwischendurch einen Song gemacht und aufgenommen, Peter hatte ja viel geschrieben. Es war aber noch nicht klar, dass daraus auch wirklich ein Album wird. Wir haben die Sachen einfach mal aufgenommen, weil die Songs ja fertig geschrieben waren. Wir haben uns eigentlich ein wenig selbst beschummelt. Wir hatten die ganze Zeit an einem Album gearbeitet, ohne es zu merken.

hitparade.ch: Dass Ihr jetzt Euer 20-jähriges Jubiläum feiert, das passt ja zeitlich wunderbar mit dem neuen Album. Habt Ihr da nicht im Unterbewusstsein darauf hingearbeitet?
AnNa: Ne, gar nicht! Wir gehen das alles momentan sehr gemässigt an. Wir haben ein bisschen das Tempo rausgenommen.

hitparade.ch: Das Album heisst "Wir sind am Leben" wie auch die erste Single daraus. Ist das ein Song, der eher am Schluss entstanden ist?
AnNa: Der ist eigentlich sehr früh entstanden. Wenn ich mich recht entsinne, war das im April letzten Jahres.

hitparade.ch: Bei den beiden vorherigen Alben dominierten die ruhigeren Songs, nun hat es wieder mehr Uptempo-Songs drauf. Wolltet Ihr was verändern?
AnNa: Nein! Wir haben das ja wie gesagt nicht am Stück aufgenommen. Wir haben den Vorteil, ein eigenes Studio zu haben und so keinem Zeitdruck ausgeliefert zu sein. Das ist alles Stück für Stück entstanden, also, jeder Song ist für sich selbst entstanden. Erst hinterher stellte sich raus, dass die Songs gut zusammenpassen. Aber es war eigentlich gar nicht geplant.

hitparade.ch: Was gefällt Dir den besser, die ruhigeren Songs oder die schnelleren?
AnNa: Mir persönlich gefallen meistens die ruhigeren besser, das ist einfach so. Ich mag sonst auch laute Musik, aber wenn es sich um Popmusik dreht, dann mag ich die Balladen meistens lieber. Aber das ist einfach mein persönliches Empfinden.

hitparade.ch: Ihr habt ja neue Elemente eingeführt, beispielsweise die Bläser von Seeed oder beim letzten Song auch was von Scott Matthew. Wie kam es zu diesen Zusammenarbeiten?
AnNa: Das waren beides eher zufällige Geschichten. Also bei "Überdosis Glück" wurden die Bläser von uns eingeplant und dann überlegten wir, dass es doch toll wäre, da echte Bläser dafür zu engagieren. Wir überlegten, wo wir die hernehmen könnten. Dann fiel uns ein: Seeed hat immer ganz tolle Bläser! Und wie der Zufall es so will, sitzen die eine Etage tiefer in dem Gebäude, wo unser Studio ist. Das heisst, der Weg, um da direkt mal anzufragen, war ziemlich kurz. Und sie haben netterweise zugesagt. So war die Geschichte ziemlich einfach. Sie sind eine Etage höher gefahren und haben das eingespielt (lacht). Und was Scott Matthew angeht: Mit ihm besteht schon eine jahrelange Zusammenarbeit. Wir unterstützen ihn immer ein bisschen, wenn er in Deutschland ist. Dieses Lied "Beautiful" ist eigentlich ein sehr trauriges Lied. Es kam dann die Idee, dem Lied gegen Ende doch noch was Positives hinzuzufügen. Als Scott ein Konzert in Berlin gespielt hat, hat man ihn danach gefragt, ob er nicht Bock hätte, aus seinem eigenen Song "German" dieses Mantra zu nehmen und bei unserem Song hinten dranzuhängen. Also hat er gesagt "Okay", kam zu uns und hat das gemacht.

hitparade.ch: Peter hat auch diesmal wieder einen Song drauf. Einen sehr persönlichen Song, der heisst "Mein Leben im Aschenbecher". Der kommt bei den Fans sehr gut an. Ist das für Euch immer klar, dass Peter nur einen Song auf Euren Alben singt, oder ist das Zufall?
AnNa: Es gibt so Situationen, in denen Peter mir Songs vorspielt und ich relativ schnell erkenne, dass es ein Peter-Song ist. Auch ich habe diesen Song versucht zu singen, aber bei mir kommt der nicht so authentisch rüber, das passt irgendwie nicht zu meiner Stimmung und Stimme und daher bot es sich so an, dass er ihn selber singt. Es ist ja auch einer der persönlichsten Songs auf dem Album, da macht das Sinn. Er dürfte auch mehr Songs singen, aber er mag meine Stimme lieber als seine (lacht).

hitparade.ch: Den Song hat er ursprünglich für Dich geschrieben?
AnNa: Nein, er hat ihn einfach mal geschrieben. Und dann hat er gedacht, dass ich, wie bei allen Rosenstolz-Songs, den Song zumindest versuchen würde zu singen. Und das kam dann einfach nicht so gut rüber. Mit ihm klang's besser.

hitparade.ch: Wenn man ins Booklet reinschaut, stellt man fest, dass Du diesmal bei keinem der Songs mitgeschrieben hast. Warum hast Du dieses Mal alles Peter und Ulf überlassen?
AnNa: Das liegt ein wenig an der Situation. Peter ist während seiner Krise nach London gegangen, um dort eigentlich nur Abstand zu bekommen. Also nicht, um zu schreiben. Das macht er zwar sowieso. Er hat sehr viele Songs dort geschrieben.

hitparade.ch: Das heisst, beim nächsten Album bist Du wieder mit von der Partie?
AnNa: Wahrscheinlich ja! Dieses Mal waren es halt seine persönlichen Erlebnisse und Verarbeitungen, da hab' ich nicht so viel zu suchen.

hitparade.ch: Und hast Du dann laufend die neuen Songs vorgespielt bekommen von Peter, oder hast Du die, als er zurückkam, alle auf einmal präsentiert bekommen?
AnNa: Das ging ganz einzeln. Er ist ein wenig gependelt, und wenn er mal wieder in Berlin war, hat er einzelne Songs mitgebracht. Dann hat er mich gefragt, ob ich die Songs mal netterweise einsingen würde, nur mal so. Es war ja noch nicht von einem neuen Album die Rede, und auch sonst wussten wir noch nicht, was mit diesen Songs passieren würde. Also bin ich ab und zu ins Studio gegangen und habe ihm das Material eingesungen, das vorhanden war.

hitparade.ch: Das Album ist vor wenigen Wochen erschienen und von 0 auf 1 geschossen! Wie ist Euer Fazit, was den Erfolg des Albums angeht?
AnNa: Wir sind im Moment froh und glücklich, denn das hätte auch anders kommen können. Es ist schön, dass es so angenommen wird und dass die Fans auch tatsächlich gewartet haben, gespannt waren und direkt losgerannt sind, um die CD zu kaufen. Das ist eine grossartige und spannende Geschichte.

hitparade.ch: Was bei Euch speziell ist: Es gibt immer eine Deluxe-Edition. Jetzt habt ihr ein Mini-Musical aufgenommen - eine DVD, wo man die Songs von Euch sieht. Ist das Fernziel irgendwann einmal ein richtiges Musical mit Rosenstolz-Songs zu produzieren?
AnNa: Das war tatsächlich mal ein Ziel. In der Zwischenzeit, als wir keine Rosenstolz-Sachen gemacht haben, haben Peter und ich darüber geredet, wir wollten das schon immer mal machen. Schon seit Ewigkeiten. Wir haben dann die Fühler ausgestreckt und auch Ideen waren schon da. Es wurde auch schon kräftig dran gearbeitet. Aber, um ein richtiges Musical aufzuführen, sind wir vielleicht doch noch zu jung, damit können wir noch warten (lacht). Aber in erster Linie geht es darum: Ein solches Musical richtig und professionell zu machen, das dauert wie bei einem Film 6 oder 7 Jahre von der ersten Idee bis zum Endergebnis. Und so viel Zeit wollten wir uns dann doch nicht geben. Aber, weil die Idee schon da war, haben wir nun dieses Mini-Musical gemacht. Irgendwie musst Du ja auch einen Kauf-Anreiz haben! Wenn die Leute schon Geld für eine CD ausgeben, sollen sie auch was dafür kriegen!

hitparade.ch: Was mir beim Mini-Musical aufgefallen ist: Es ist jeweils Deine Stimme zu hören. Habt Ihr auch darüber nachgedacht, dass die Akteure selbst die Rosenstolz-Songs singen?
AnNa: Nein, haben wir nicht. Das wäre wohl sehr viel aufwändiger gewesen.

hitparade.ch: Fast zeitgleich zum Album erschien die Tiger Taps-Single mit Eurem Titelsong "Weil wir Freunde sind". Wie war es für Dich, mal einen Kindersong zu singen?
AnNa: Ich fand's sehr lustig. Aber es war auch eine andere Voraussetzung. Als ich den gesungen habe, bin ich davon ausgegangen, dass wir den so abgeben und dass die Stimme dann durch Kinder, Darsteller oder Sprecher ersetzt wird für das Hörspiel. Dass also einer der Akteure das singt. Und dann fanden das aber alle so toll, dass man es so gelassen hat.

hitparade.ch: Und hast Du Lust auf mehr solche Sachen?
AnNa: Auf jeden Fall! Ich habe sogar eine Folge von Tiger Taps mitgesprochen. Ich hatte eine Gastrolle als Schmetterling! In der Weihnachtsfolge.

hitparade.ch: Peter hat mit Melanie C den Song "Liebe ist Alles" in Englisch aufgenommen. Was fühlst Du, wenn Du Deinen Song mit einer anderen Stimme in einer anderen Sprache hörst?
AnNa: Es ist nicht das erste Mal. Es gab ja schon mal diese französische Version von einem Casting-Gewinner in Frankreich. Das fand ich sehr schön. Und das von Melanie C find' ich auch toll, und ich fühle mich geschmeichelt.

hitparade.ch: Ihr hattet ja nach langer Zeit vor Kurzem bei "Schlag den Raab" wieder Euren ersten Auftritt. Wie war es, mal wieder aufzutreten? Hattet ihr sehnsüchtig darauf gewartet, mal wieder auf der Bühne zu stehen?
AnNa: Naja, sehnsüchtig bei Fernsehbühnen, das ist so eine Sache (lacht). Man sitzt sehr viel rum und verplempert viel Zeit für eine sehr kurze Auftrittsmöglichkeit und die Aufregung und Anspannung ist sehr gross, weil man ja nur diese 4 Minuten hat, um die Leute von sich zu begeistern. Man darf keinen Fehler machen. Und das sehen ja doch recht viele Leute, also ist die Anspannung noch grösser. Aber es hat Spass gemacht, es war sehr nett dort. Und als wir dann auf die Bühne getreten sind, war es schon wie früher.

hitparade.ch: Seid Ihr schon soweit, dass Ihr über eine Tour nachdenkt?
AnNa: Nicht wirklich. Nicht konkret. Wir wollen jetzt einen Schritt nach dem anderen gehen. Wir machen jetzt erstmal diese Fernsehgeschichten und wollen in Ruhe sehen, wie wir uns das vorstellen können und in welchem Rahmen wir das weiterführen wollen.

hitparade.ch: Die Schweizer Fans können sich also vielleicht Hoffnungen machen?
AnNa: Also, die Hoffnung stirbt zuletzt! Aber ich kann noch nicht viel dazu sagen.

hitparade.ch: Und Songs für ein neues Album existieren auch schon?
AnNa: Ich denke, dass die Songs, die es nicht auf dieses Album geschafft haben, es auch nicht auf's nächste Album schaffen werden. Da werden neue Ideen entstehen.
Interview durchgeführt: Steffen Hung
Redaktion: Bettina Siegwart