Interview mit Steff La Cheffe
![]() |
In der Schweizer Hip Hop-Szene gilt sie als Wunderkind und hat schon einiges gemacht und erreicht. Mit "Bittersüessi Pille" steht nun das Debut-Album in den Regalen und hinterliess noch ein paar offene Fragen, die uns Steff nur zu gerne beantwortete.
hitparade.ch: Du hast bereits in jungen Jahren richtig abgeräumt, vor allem mit Beatboxing. War das damals schon geplant oder irgendwo im Hinterkopf, dass du mal ein Rap-Album machen willst?
Steff: Ja. Bereits als Teenager hab ich Raps geschrieben zu jener Zeit als ich bereits Beatboxing machte. Aber ich fand Rappen noch etwas delikater, weil man sich da viel mehr exponiert, man erzählt etwas von sich oder man bezieht Stellung. Und Beatboxing war damals noch recht unbekannt hier. Das hat mich mehr gereizt, ich habe mir gedacht, so kann ich mir eher einen Namen machen. Gerappt haben zu jener schon bereits viele, auch viele eher mittelmässig. Ich wollte das schon auch, wollte aber auch noch etwas abwarten. Aber der Gedanken über ein eigenes Album war schon früh da.
hitparade.ch: Du hast ja zu Hause im stillen Kämmerlein angefangen und niemandem etwas gesagt…
Steff: Ich bin mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder aufgewachsen und mochte es einfach niemandem unter die Nase reiben, weil das Ganze ja auch immer noch etwas mit diesem Poser-Image behaftet ist. Ich wollte mich auch meiner Mutter gegenüber nicht blamieren oder so. Aber irgendwann hat sie es so oder so mitbekommen, weil das für mich wie ein Tick wurde und ich ständig Sachen ausprobiert habe. Da hat sie mich mal gefragt, was ich da so treibe. Es war schon nicht ein Top-Geheimnis, aber ich wollte mich einfach niemandem aufdrängen.
hitparade.ch: Wie haben deine Freunde und Bekannten reagiert, als sie davon erfahren haben, was du da machst?
Steff: Zuerst hab ich das mal meinen besten Freundinnen gezeigt, und die haben das glaub recht cool gefunden. Dann hab ich das immer mehr Leuten gezeigt, und das hat sich dann auch plötzlich rumgesprochen. Anfangs war es mir eher peinlich, weil immer alle etwas hören wollten und ich mich unsicher fühlte. Aber das hat sich über die Jahre nun entwickelt, bis ich mich selbstsicher fühlte vor Publikum, das ich gar nicht kannte.
hitparade.ch: Und negative Feedbacks gab es nie?
Steff: Es gab über die Jahre schon einzelne negative Stimmen, meist aber eher kritisch gegenüber dem Beatboxing selbst
hitparade.ch: Du hast dir recht lange Zeit gelassen für dein Album und hast selbst nach dem Gewinn des M4Music Democlinic nicht gleich einen Schnellschuss gestartet. Ist das Album denn jetzt so heraus gekommen, wie du es dir vorgestellt hast?
Steff: Nein, man stellt es sich ja sowieso immer anders vor, als es am Schluss dann ist. Am Anfang der Zusammenarbeit mit meinem Produzenten Dodo haben wir uns lange überlegt, was wollen wir eigentlich mit diesem Album? Was für Emotionen soll es auslösen und so weiter. Irgendwann haben wir definiert, dass die musikalische Basis Hip Hop sein soll, aber es durchaus Einflüsse anderer Genres haben soll. Die positiven Rückmeldungen daraus sind nun, dass es von überall her heisst, es sei abwechslungsreich. Die Negativen, es sei typisch für ein Debut, man habe wie noch nicht den eigenen Weg gefunden und es ufere aus. Aber uns war das von Anfang an klar, dass dies Gefahren birgt und das Album nun mal ein Puzzle wird mit vielen verschiedenen Teilen. Was wir auch definiert haben war, dass es vom Tempo und den Beats her eher treibend sein soll. Aber in diesem Prozess, der rund ein Jahr gedauert hat, hat sich schon immer wieder viel Neues entwickelt.
hitparade.ch: Aber jetzt ist es perfekt für dich?
Steff: Perfekt gibt es nicht, man kann lediglich nur immer darauf hin arbeiten. Ich bin aber auf jeden Fall zufrieden.
hitparade.ch: Dein Album heisst "Bittersüessi Pille". Wie seid ihr auf die Idee gekommen für diesen Titel?
Steff: Das war so eine Gemeinschaftsidee. Ich hatte bereits den Track "Hr. Dokter", aber wir hatten wie noch keine richtige Auflösung für das Ganze, bis uns dann die Idee kam, er könnte mir ja eine Pille verschreiben. Später kam dann noch der Gedanke zum Ausdruck "Bittere Pille". Und irgendwann kam ich dann drauf, dass bittersüss noch fast besser wäre, weil, es ist ja nicht nur bitter auf meinem Album, sondern es hat auch sehr viel Süsses drauf. Es hat ja auf dem Album auch verschiedene Seiten von mir drauf, auch widersprüchliches, ich spiele ja damit.
hitparade.ch: Dein Produzent ist Dodo, der kommt ja eigentlich eher aus dem Reggae. Wie ist diese Zusammenarbeit zustande gekommen?
Steff: Wir haben uns vor etwa drei Jahren nach einem Auftritt von mir in der Reithalle Bern kennengelernt. Da hat er mich danach gleich angesprochen und erzählt, dass er gerade an einem Projekt arbeite wo er noch verschiedenste Leute suche, die etwas machen. Er hat mich gefragt, ob ich Lust hätte dazu, und ich habe zugestimmt. Und während den Aufnahmen haben wir gemerkt, dass die Zusammenarbeit für beide sehr gut ist. Ich war damals gerade soweit, mit meinen Texten erstmals etwas zu versuchen, hatte aber noch keinen Produzenten dafür. Dodo hingegen hat sich seit längerem eher aufs Produzieren fokussiert und hat seine eigene Sachen gemacht und wollte mal ein komplettes Album von jemand anderem produzieren. Das hat dann für beide gerade optimal gepasst. Für mich war zudem super, dass Dodo ursprünglich auch vom Rappen kam und er somit beide Seiten kannte.
hitparade.ch: Wenn man deine Texte studiert, kommt alles sehr selbstbewusst daher. Bist du privat auch so selbstbewusst?
Steff: Mittlerweile schon. Ich denke, das Ganze mit dem sich exponieren, auf die Bühne stehen und andauernd neue Leute kennen zu lernen hat das schon gestärkt. Aber ich habe dennoch noch Seiten in mir, die selbstkritisch, introvertiert oder nachdenklich sind. Aber es geht einfach nicht, sich "Steff la Cheffe" zu nennen und dann schüchtern auf die Bühne zu stehen. Aber es ist schon so, dass wenn ich ein Konzert gebe, dass ich dann die Selbstbewusste sein will. Es gibt schon Sounds, wo es das nicht braucht. Wenn eine Sophie Hunger nur singt und erst nach einer halben Stunde "Hallo" sagt, dann ist das okay. Aber gerade im Hip Hop bietet es sich sehr an, selbstbewusst und extrovertiert die Bühne zu betreten und beschreiten.
hitparade.ch: Aber dennoch scheint die letzte Konsequenz zu fehlen, du lässt an zwei, drei Stellen explizite Wörter weg, lässt sie durch ein Muhen ersetzen oder ähnlichem. Es wissen ja alle was gemeint ist, warum lässt du es trotzdem weg, wenn du schon damit kokettierst?
Steff: Es ist ja nicht so, dass das überall ist, in gewissen Songs werden die Dinge schon beim Namen genannt. Das eine ist ja bei "Annabelle" wo die Textzeile "bruch e Hängscht, bruch e Schtächer, bruch e Mustang" kommt und wir bereits mit einem Wiehern rumgespielt haben und wir so bereits bei Tierlauten waren, also haben wir dann das bei einer anderen Stelle auch gemacht und dieses Muhen platziert. Es ist ja nicht so, dass es mir peinlich wäre, das auszusprechen, sondern eher der Gedanke, dass ja eh jeder, der den Reim verfolgt, weiss was nun kommt, und es dann lustiger ist, etwas unerwartetes zu machen. Das andere, was du ansprichst ist sicher "Chum i mini Chuchi": Es gibt ja gerade im Hip Hop sehr viele Acts, die Songs machen über Sex. Und Hip Hop ist nun mal eine Männerdomäne und viele versuchen dabei sexy zu sein, sind es aber nicht, weil alles viel zu explizit und offensichtlich ist. Und dadurch ist es am Schluss einfach nur plump. Und die Wissenschaft hat ja unlängst bewiesen, dass die Männer viel mehr auf das Explizite anspringen und Frauen mehr auf die Erotik, mehr auf die Anspielung auf das Explizite, ohne es jedoch so offensichtlich zu zeigen. Und bei meinem Song hat es nur schon Spass gemacht, diesen Bogen zwischen Essen, Liebe und Sex zu finden und genau mit dieser Zweideutigkeit und den Andeutungen zu spielen. Somit habe ich ganz bewusst im Refrain das Wort Sex ausgelassen. Ich wollte ganz gezielt einen Song machen, bei dem man nicht schon in der ersten Strophe alles genau versteht, um was es eigentlich geht.
hitparade.ch: Wenn man deine CD durchhört, ist das Thema "Frau sein im Hip Hop" sehr präsent. Wieso ist dir das so wichtig, dies zu thematisieren?
Steff: Weil ich von aussen andauernd darauf angesprochen werde. Von Konzertbesuchern, in Interviews, andauernd. Vielleicht wäre es nicht so ein Thema, wenn es von aussen nicht so omnipräsent wäre. Ich habe auch versucht, dem Thema nicht so viel Platz zuzuordnen und mache es oft auch auf ironische Art, bei mir ist das durch und abgehakt. Am Anfang, als ich noch ein Teenager war, hab ich oft Sätze gehört, die mit "Isch huere cool" angefangen haben und mit "für e Frau" geendet haben. Der erste Teil ist ein riesen Kompliment und das nachher wie die Faust ins Gesicht. Und dann merkst du, dass es viele gibt, die Frauen im Hip Hop gar nicht ernst nehmen. Und klar hat das auch mit der Realität zu tun, dass es nun mal weniger Frauen gibt, die Hip Hop machen und von jenen dann die meisten eher Mädchen-Geschichten machen. Am Anfang hat es mich genervt, aber irgendwann hab ich gemerkt, dass ich diesen Stempel trage, egal was ich dagegen tu, egal wie ich mich verhalte, also, was solls. Im Moment profitiere ich ja sogar sehr davon.
hitparade.ch: Wie würden deine Songs denn tönen, wenn du ein Mann wärst? Als "Steff le Chef"?
Steff: Das hab ich mich in letzter Zeit auch schon gefragt, mit wem würden sie mich vergleichen, wenn ich ein Mann wäre. Und zwar nur schon darum, weil ich oft mit Big Zis verglichen werde und man uns stets nebeneinander stellt, obschon ich finde, dass wir uns rein von den Beats und textlich ganz klar unterscheiden. Aber zurück zu deiner Frage, wie die Texte wären, wenn ich ein Mann wäre, sehr schwierig... Sehr theoretisch. Weiss auch nicht, ich wollte einfach meine verschiedenen Gesichter zeigen auf diesem Album. In "Annabelle" und "Hr. Dokter" hinterlasse ich einen bestimmten Eindruck, welcher dann bei "Bittersüessi Pille" bereits wieder über den Haufen geworfen wird. Und ich finde diese Verwirrung noch spannend, die solche Sachen hinterlassen. Und ich denke, ich würde vermutlich auch als Mann dieses Spiel zu spielen und nicht diesem typischen Rapper-Klischee zu entsprechen.
hitparade.ch: Wie suchst du dir deine Themen aus, zu welchen du Songs machst? Sind das spontane Ideen oder Geschichten, die dich länger verfolgen?
Steff: Es gibt viele spontane Texte, die entstehen, weil ich grad was lese oder erlebe. Aber auch wenn ich Beats höre, die ich cool finde, die dann gerade eine Emotion auslösen die mich zu etwas inspirieren. Aber auch Themen, die mich phasenweise begleiten oder beschäftigen, die ich dann irgendwann mal versuche zu verarbeiten. Und bei diesem Album hatten wir alle erdenklichen Ausgangssituationen, von "alles schon da" bis zu ganz spontanen Ergüssen, von fertigen Texten ohne Beats über Beats ohne Texte bis zu Fragmenten von Text und Beat. So hatten wir viele Baustellen, die wir alle für sich abarbeiteten, ohne dass eine Routine aufkam.
hitparade.ch: Nun ist deine CD draussen, und du wirst sicher diverse Konzerte geben. Wie sieht das aus beim Beatboxing? Wie weit verfolgst du das noch und wirst du noch an Contests gehen?
Steff: Ich war dieses Jahr schon an zwei Anlässen und werde im September dann sicher wieder an den Schweizer Meisterschaften teilnehmen. Aber ich merke, obschon ich erst 23 bin, dass ich langsam in die Jahre komme. Die Szene ist schnelllebig. Ich merke schon, dass mir langsam die Skills fehlen, aber handkehrum bin ich seit langem immer die einzige Frau dort, was ich spannend finde und mich aber auch stolz macht, die Frauen dort zu vertreten. Und wenn ich vielleicht nicht mehr ganz zuvorderst mithalten kann, vermag ich dennoch immer zu überzeugen. Und es macht Spass und ich hab mir gesagt, ich mache solange mit, bis eine neue junge Frau nachzieht, was aber noch dauern kann.
hitparade.ch: Wir haben noch in deine Konzertagenda geschaut, welche noch nicht so voll ist.
Es ist auch schwierig, weil zu dem Zeitpunkt, wo die Sommer-Festivals ihr Programm machen, war unsere CD noch nicht mal fertig. Wie es jetzt aussieht, werde ich dann im Herbst mit meiner Band auf Tour sein. Als nächstes geh ich noch mit Andreas Vollenweider eine Wochen nach Shanghai an die EXPO.
hitparade.ch: Du hast Andreas Vollenweider erwähnt. Was machst du bei ihm? Nur Beatboxing oder auch rappen?
Steff: Nur Beatboxing. Wir sind dann zu dritt unterwegs. Andreas spielt Harfe und noch andere Instrumente und dann ist noch Daniel Küffer, ein anderer Multiinstrumentalist, dabei. Früher hatte er eine riesen Band dabei mit Drummer und Perkussionist, das mache nun ich alleine.
hitparade.ch: Das war ja etwas völlig neues für dich mit jemandem so auf Tour zu gehen. Konntest du da viele Erfahrungen sammeln?
Steff: Ja, sehr! Bezüglich Musik hab ich sehr viel gelernt, er hat mich auf sehr viel hingewiesen von aussen, auch durch seine Erfahrung und das Gespür für Musik und Menschen. Was ich auch gelernt habe ist, dass in der Musik auch sehr viel mit der Ruhe gearbeitet werden kann, mit den leisen Tönen, dass das sehr viel Kraft haben kann. Seine Musik lebt enorm von der Spannung und vom auf und ab, während beim Hip Hop man auf "Start" drückt und es dann einfach los geht. Auch das auf Tour sein hat mich geschult. Ich habe gedacht, das werde sicher lustig, mit dem Tourbus drei Wochen unterwegs zu sein, aber es war sehr anstrengend und ich habe gemerkt, was das alles bedeutet.
hitparade.ch: Die Berner Hip Hop Szene ist sehr gross, populär und sehr fleissig. Hat sich da schon das eine oder andere ergeben, was du in absehbarer Zeit machen kannst in der Szene?
Steff: Es haben sich viele Kontakte ergeben. Aber die Szene, die du ansprichst, ist ja der ganze Chlyklass-Kuchen, und die sind alle etwa zehn Jahre älter als ich. Und auch wenn ich die Kontakte zu einzelnen hab, hat sich bislang noch keine Zusammenarbeit ergeben. Ich war bis jetzt auch etwas scheu denen gegenüber, auf der anderen Seite wollte ich mich nicht anbiedern, ich hab ja eigenes Material, ich muss das nicht tun. Und wenn ich zurückschaue in meinen Karriereverlauf, hat sich eigentlich alles im richtigen Moment ergeben irgendwie, ohne langes suchen. Wenn es sein muss, wird sich früher oder später auch was ergeben. Ich bin offen.
hitparade.ch: Kannst du einen Blick auf die Schweizer Hitparade werfen und die Top 10 kommentieren?
10. David Guetta feat. Kid Cudi - Memories
Steff: Dieses Liebe habe ich noch nicht gehört, aber David Guetta ist mir ein Begriff, Kid Cudi auch.
8. Cheryl Cole - Fight For This Love
Steff: Das finde ich sehr kitschig von der Musik und vom Gesang her.
7. Lady GaGa feat. Beyoncé - Telephone
Steff: Den halben Clip habe ich einmal gesehen. Lady GaGa ist extrem kontrovers. Was man ihr lassen muss, ist, dass sie eine gute Geschäftsfrau ist und sie weiss wie man Business und Pop macht. Diesen Song habe ich aber zu wenig im Ohr, dass ich einen Kommentar dazu abgeben könnte.
2. Mehrzad Marashi - Don't Believe
Steff: Oh, das ist der Sieger von DsdS. Den Song habe ich aber noch nie gehört
hitparade.ch: Du hast bereits in jungen Jahren richtig abgeräumt, vor allem mit Beatboxing. War das damals schon geplant oder irgendwo im Hinterkopf, dass du mal ein Rap-Album machen willst?
Steff: Ja. Bereits als Teenager hab ich Raps geschrieben zu jener Zeit als ich bereits Beatboxing machte. Aber ich fand Rappen noch etwas delikater, weil man sich da viel mehr exponiert, man erzählt etwas von sich oder man bezieht Stellung. Und Beatboxing war damals noch recht unbekannt hier. Das hat mich mehr gereizt, ich habe mir gedacht, so kann ich mir eher einen Namen machen. Gerappt haben zu jener schon bereits viele, auch viele eher mittelmässig. Ich wollte das schon auch, wollte aber auch noch etwas abwarten. Aber der Gedanken über ein eigenes Album war schon früh da.
hitparade.ch: Du hast ja zu Hause im stillen Kämmerlein angefangen und niemandem etwas gesagt…
Steff: Ich bin mit meiner Mutter und meinem kleinen Bruder aufgewachsen und mochte es einfach niemandem unter die Nase reiben, weil das Ganze ja auch immer noch etwas mit diesem Poser-Image behaftet ist. Ich wollte mich auch meiner Mutter gegenüber nicht blamieren oder so. Aber irgendwann hat sie es so oder so mitbekommen, weil das für mich wie ein Tick wurde und ich ständig Sachen ausprobiert habe. Da hat sie mich mal gefragt, was ich da so treibe. Es war schon nicht ein Top-Geheimnis, aber ich wollte mich einfach niemandem aufdrängen.
hitparade.ch: Wie haben deine Freunde und Bekannten reagiert, als sie davon erfahren haben, was du da machst?
Steff: Zuerst hab ich das mal meinen besten Freundinnen gezeigt, und die haben das glaub recht cool gefunden. Dann hab ich das immer mehr Leuten gezeigt, und das hat sich dann auch plötzlich rumgesprochen. Anfangs war es mir eher peinlich, weil immer alle etwas hören wollten und ich mich unsicher fühlte. Aber das hat sich über die Jahre nun entwickelt, bis ich mich selbstsicher fühlte vor Publikum, das ich gar nicht kannte.
hitparade.ch: Und negative Feedbacks gab es nie?
Steff: Es gab über die Jahre schon einzelne negative Stimmen, meist aber eher kritisch gegenüber dem Beatboxing selbst
hitparade.ch: Du hast dir recht lange Zeit gelassen für dein Album und hast selbst nach dem Gewinn des M4Music Democlinic nicht gleich einen Schnellschuss gestartet. Ist das Album denn jetzt so heraus gekommen, wie du es dir vorgestellt hast?
Steff: Nein, man stellt es sich ja sowieso immer anders vor, als es am Schluss dann ist. Am Anfang der Zusammenarbeit mit meinem Produzenten Dodo haben wir uns lange überlegt, was wollen wir eigentlich mit diesem Album? Was für Emotionen soll es auslösen und so weiter. Irgendwann haben wir definiert, dass die musikalische Basis Hip Hop sein soll, aber es durchaus Einflüsse anderer Genres haben soll. Die positiven Rückmeldungen daraus sind nun, dass es von überall her heisst, es sei abwechslungsreich. Die Negativen, es sei typisch für ein Debut, man habe wie noch nicht den eigenen Weg gefunden und es ufere aus. Aber uns war das von Anfang an klar, dass dies Gefahren birgt und das Album nun mal ein Puzzle wird mit vielen verschiedenen Teilen. Was wir auch definiert haben war, dass es vom Tempo und den Beats her eher treibend sein soll. Aber in diesem Prozess, der rund ein Jahr gedauert hat, hat sich schon immer wieder viel Neues entwickelt.
hitparade.ch: Aber jetzt ist es perfekt für dich?
Steff: Perfekt gibt es nicht, man kann lediglich nur immer darauf hin arbeiten. Ich bin aber auf jeden Fall zufrieden.
hitparade.ch: Dein Album heisst "Bittersüessi Pille". Wie seid ihr auf die Idee gekommen für diesen Titel?
Steff: Das war so eine Gemeinschaftsidee. Ich hatte bereits den Track "Hr. Dokter", aber wir hatten wie noch keine richtige Auflösung für das Ganze, bis uns dann die Idee kam, er könnte mir ja eine Pille verschreiben. Später kam dann noch der Gedanke zum Ausdruck "Bittere Pille". Und irgendwann kam ich dann drauf, dass bittersüss noch fast besser wäre, weil, es ist ja nicht nur bitter auf meinem Album, sondern es hat auch sehr viel Süsses drauf. Es hat ja auf dem Album auch verschiedene Seiten von mir drauf, auch widersprüchliches, ich spiele ja damit.
hitparade.ch: Dein Produzent ist Dodo, der kommt ja eigentlich eher aus dem Reggae. Wie ist diese Zusammenarbeit zustande gekommen?
Steff: Wir haben uns vor etwa drei Jahren nach einem Auftritt von mir in der Reithalle Bern kennengelernt. Da hat er mich danach gleich angesprochen und erzählt, dass er gerade an einem Projekt arbeite wo er noch verschiedenste Leute suche, die etwas machen. Er hat mich gefragt, ob ich Lust hätte dazu, und ich habe zugestimmt. Und während den Aufnahmen haben wir gemerkt, dass die Zusammenarbeit für beide sehr gut ist. Ich war damals gerade soweit, mit meinen Texten erstmals etwas zu versuchen, hatte aber noch keinen Produzenten dafür. Dodo hingegen hat sich seit längerem eher aufs Produzieren fokussiert und hat seine eigene Sachen gemacht und wollte mal ein komplettes Album von jemand anderem produzieren. Das hat dann für beide gerade optimal gepasst. Für mich war zudem super, dass Dodo ursprünglich auch vom Rappen kam und er somit beide Seiten kannte.
hitparade.ch: Wenn man deine Texte studiert, kommt alles sehr selbstbewusst daher. Bist du privat auch so selbstbewusst?
Steff: Mittlerweile schon. Ich denke, das Ganze mit dem sich exponieren, auf die Bühne stehen und andauernd neue Leute kennen zu lernen hat das schon gestärkt. Aber ich habe dennoch noch Seiten in mir, die selbstkritisch, introvertiert oder nachdenklich sind. Aber es geht einfach nicht, sich "Steff la Cheffe" zu nennen und dann schüchtern auf die Bühne zu stehen. Aber es ist schon so, dass wenn ich ein Konzert gebe, dass ich dann die Selbstbewusste sein will. Es gibt schon Sounds, wo es das nicht braucht. Wenn eine Sophie Hunger nur singt und erst nach einer halben Stunde "Hallo" sagt, dann ist das okay. Aber gerade im Hip Hop bietet es sich sehr an, selbstbewusst und extrovertiert die Bühne zu betreten und beschreiten.
hitparade.ch: Aber dennoch scheint die letzte Konsequenz zu fehlen, du lässt an zwei, drei Stellen explizite Wörter weg, lässt sie durch ein Muhen ersetzen oder ähnlichem. Es wissen ja alle was gemeint ist, warum lässt du es trotzdem weg, wenn du schon damit kokettierst?
Steff: Es ist ja nicht so, dass das überall ist, in gewissen Songs werden die Dinge schon beim Namen genannt. Das eine ist ja bei "Annabelle" wo die Textzeile "bruch e Hängscht, bruch e Schtächer, bruch e Mustang" kommt und wir bereits mit einem Wiehern rumgespielt haben und wir so bereits bei Tierlauten waren, also haben wir dann das bei einer anderen Stelle auch gemacht und dieses Muhen platziert. Es ist ja nicht so, dass es mir peinlich wäre, das auszusprechen, sondern eher der Gedanke, dass ja eh jeder, der den Reim verfolgt, weiss was nun kommt, und es dann lustiger ist, etwas unerwartetes zu machen. Das andere, was du ansprichst ist sicher "Chum i mini Chuchi": Es gibt ja gerade im Hip Hop sehr viele Acts, die Songs machen über Sex. Und Hip Hop ist nun mal eine Männerdomäne und viele versuchen dabei sexy zu sein, sind es aber nicht, weil alles viel zu explizit und offensichtlich ist. Und dadurch ist es am Schluss einfach nur plump. Und die Wissenschaft hat ja unlängst bewiesen, dass die Männer viel mehr auf das Explizite anspringen und Frauen mehr auf die Erotik, mehr auf die Anspielung auf das Explizite, ohne es jedoch so offensichtlich zu zeigen. Und bei meinem Song hat es nur schon Spass gemacht, diesen Bogen zwischen Essen, Liebe und Sex zu finden und genau mit dieser Zweideutigkeit und den Andeutungen zu spielen. Somit habe ich ganz bewusst im Refrain das Wort Sex ausgelassen. Ich wollte ganz gezielt einen Song machen, bei dem man nicht schon in der ersten Strophe alles genau versteht, um was es eigentlich geht.
hitparade.ch: Wenn man deine CD durchhört, ist das Thema "Frau sein im Hip Hop" sehr präsent. Wieso ist dir das so wichtig, dies zu thematisieren?
Steff: Weil ich von aussen andauernd darauf angesprochen werde. Von Konzertbesuchern, in Interviews, andauernd. Vielleicht wäre es nicht so ein Thema, wenn es von aussen nicht so omnipräsent wäre. Ich habe auch versucht, dem Thema nicht so viel Platz zuzuordnen und mache es oft auch auf ironische Art, bei mir ist das durch und abgehakt. Am Anfang, als ich noch ein Teenager war, hab ich oft Sätze gehört, die mit "Isch huere cool" angefangen haben und mit "für e Frau" geendet haben. Der erste Teil ist ein riesen Kompliment und das nachher wie die Faust ins Gesicht. Und dann merkst du, dass es viele gibt, die Frauen im Hip Hop gar nicht ernst nehmen. Und klar hat das auch mit der Realität zu tun, dass es nun mal weniger Frauen gibt, die Hip Hop machen und von jenen dann die meisten eher Mädchen-Geschichten machen. Am Anfang hat es mich genervt, aber irgendwann hab ich gemerkt, dass ich diesen Stempel trage, egal was ich dagegen tu, egal wie ich mich verhalte, also, was solls. Im Moment profitiere ich ja sogar sehr davon.
hitparade.ch: Wie würden deine Songs denn tönen, wenn du ein Mann wärst? Als "Steff le Chef"?
Steff: Das hab ich mich in letzter Zeit auch schon gefragt, mit wem würden sie mich vergleichen, wenn ich ein Mann wäre. Und zwar nur schon darum, weil ich oft mit Big Zis verglichen werde und man uns stets nebeneinander stellt, obschon ich finde, dass wir uns rein von den Beats und textlich ganz klar unterscheiden. Aber zurück zu deiner Frage, wie die Texte wären, wenn ich ein Mann wäre, sehr schwierig... Sehr theoretisch. Weiss auch nicht, ich wollte einfach meine verschiedenen Gesichter zeigen auf diesem Album. In "Annabelle" und "Hr. Dokter" hinterlasse ich einen bestimmten Eindruck, welcher dann bei "Bittersüessi Pille" bereits wieder über den Haufen geworfen wird. Und ich finde diese Verwirrung noch spannend, die solche Sachen hinterlassen. Und ich denke, ich würde vermutlich auch als Mann dieses Spiel zu spielen und nicht diesem typischen Rapper-Klischee zu entsprechen.
hitparade.ch: Wie suchst du dir deine Themen aus, zu welchen du Songs machst? Sind das spontane Ideen oder Geschichten, die dich länger verfolgen?
Steff: Es gibt viele spontane Texte, die entstehen, weil ich grad was lese oder erlebe. Aber auch wenn ich Beats höre, die ich cool finde, die dann gerade eine Emotion auslösen die mich zu etwas inspirieren. Aber auch Themen, die mich phasenweise begleiten oder beschäftigen, die ich dann irgendwann mal versuche zu verarbeiten. Und bei diesem Album hatten wir alle erdenklichen Ausgangssituationen, von "alles schon da" bis zu ganz spontanen Ergüssen, von fertigen Texten ohne Beats über Beats ohne Texte bis zu Fragmenten von Text und Beat. So hatten wir viele Baustellen, die wir alle für sich abarbeiteten, ohne dass eine Routine aufkam.
hitparade.ch: Nun ist deine CD draussen, und du wirst sicher diverse Konzerte geben. Wie sieht das aus beim Beatboxing? Wie weit verfolgst du das noch und wirst du noch an Contests gehen?
Steff: Ich war dieses Jahr schon an zwei Anlässen und werde im September dann sicher wieder an den Schweizer Meisterschaften teilnehmen. Aber ich merke, obschon ich erst 23 bin, dass ich langsam in die Jahre komme. Die Szene ist schnelllebig. Ich merke schon, dass mir langsam die Skills fehlen, aber handkehrum bin ich seit langem immer die einzige Frau dort, was ich spannend finde und mich aber auch stolz macht, die Frauen dort zu vertreten. Und wenn ich vielleicht nicht mehr ganz zuvorderst mithalten kann, vermag ich dennoch immer zu überzeugen. Und es macht Spass und ich hab mir gesagt, ich mache solange mit, bis eine neue junge Frau nachzieht, was aber noch dauern kann.
hitparade.ch: Wir haben noch in deine Konzertagenda geschaut, welche noch nicht so voll ist.
Es ist auch schwierig, weil zu dem Zeitpunkt, wo die Sommer-Festivals ihr Programm machen, war unsere CD noch nicht mal fertig. Wie es jetzt aussieht, werde ich dann im Herbst mit meiner Band auf Tour sein. Als nächstes geh ich noch mit Andreas Vollenweider eine Wochen nach Shanghai an die EXPO.
hitparade.ch: Du hast Andreas Vollenweider erwähnt. Was machst du bei ihm? Nur Beatboxing oder auch rappen?
Steff: Nur Beatboxing. Wir sind dann zu dritt unterwegs. Andreas spielt Harfe und noch andere Instrumente und dann ist noch Daniel Küffer, ein anderer Multiinstrumentalist, dabei. Früher hatte er eine riesen Band dabei mit Drummer und Perkussionist, das mache nun ich alleine.
hitparade.ch: Das war ja etwas völlig neues für dich mit jemandem so auf Tour zu gehen. Konntest du da viele Erfahrungen sammeln?
Steff: Ja, sehr! Bezüglich Musik hab ich sehr viel gelernt, er hat mich auf sehr viel hingewiesen von aussen, auch durch seine Erfahrung und das Gespür für Musik und Menschen. Was ich auch gelernt habe ist, dass in der Musik auch sehr viel mit der Ruhe gearbeitet werden kann, mit den leisen Tönen, dass das sehr viel Kraft haben kann. Seine Musik lebt enorm von der Spannung und vom auf und ab, während beim Hip Hop man auf "Start" drückt und es dann einfach los geht. Auch das auf Tour sein hat mich geschult. Ich habe gedacht, das werde sicher lustig, mit dem Tourbus drei Wochen unterwegs zu sein, aber es war sehr anstrengend und ich habe gemerkt, was das alles bedeutet.
hitparade.ch: Die Berner Hip Hop Szene ist sehr gross, populär und sehr fleissig. Hat sich da schon das eine oder andere ergeben, was du in absehbarer Zeit machen kannst in der Szene?
Steff: Es haben sich viele Kontakte ergeben. Aber die Szene, die du ansprichst, ist ja der ganze Chlyklass-Kuchen, und die sind alle etwa zehn Jahre älter als ich. Und auch wenn ich die Kontakte zu einzelnen hab, hat sich bislang noch keine Zusammenarbeit ergeben. Ich war bis jetzt auch etwas scheu denen gegenüber, auf der anderen Seite wollte ich mich nicht anbiedern, ich hab ja eigenes Material, ich muss das nicht tun. Und wenn ich zurückschaue in meinen Karriereverlauf, hat sich eigentlich alles im richtigen Moment ergeben irgendwie, ohne langes suchen. Wenn es sein muss, wird sich früher oder später auch was ergeben. Ich bin offen.
hitparade.ch: Kannst du einen Blick auf die Schweizer Hitparade werfen und die Top 10 kommentieren?
10. David Guetta feat. Kid Cudi - Memories
Steff: Dieses Liebe habe ich noch nicht gehört, aber David Guetta ist mir ein Begriff, Kid Cudi auch.
8. Cheryl Cole - Fight For This Love
Steff: Das finde ich sehr kitschig von der Musik und vom Gesang her.
7. Lady GaGa feat. Beyoncé - Telephone
Steff: Den halben Clip habe ich einmal gesehen. Lady GaGa ist extrem kontrovers. Was man ihr lassen muss, ist, dass sie eine gute Geschäftsfrau ist und sie weiss wie man Business und Pop macht. Diesen Song habe ich aber zu wenig im Ohr, dass ich einen Kommentar dazu abgeben könnte.
2. Mehrzad Marashi - Don't Believe
Steff: Oh, das ist der Sieger von DsdS. Den Song habe ich aber noch nie gehört