Interview mit Thomas D
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Thomas D meldet sich mit einer neuen Scheibe zurück. Der Titel des Albums: "Lektion in Demut 11.0". Und ja, dieses Album hat es bereits einmal gegeben. Genau gesagt vor 10 Jahren unter dem Titel "Lektion in Demut". Wer das alte Album kennt, wird vom neuen allerdings überrascht sein: Die Texte sind die gleichen geblieben, die Musik hat sich verändert. Wir haben Thomas D in Zürich getroffen und mit ihm über die spezielle Idee dieses Remakes, über seine nachdenkliche Seite und über den Tsunami in Thailand gesprochen, den er hautnah miterlebt hat.hitparade.ch: Dein Album "Lektion in Demut 11.0" erscheint diesen Freitag. Vor 10 Jahren hast Du ja das Album "Lektion in Demut" gemacht. Inwiefern sind diese beiden Alben miteinander verknüpft? Kannst Du das "Konzept" erklären?
Thomas D: Ja! Es sind die genau gleichen Texte. Ausserdem habe ich tatsächlich noch zusätzlich Sachen vertont, die im alten Album nur im Booklet standen und nie zu hören waren, so kleine Interloods. Ansonsten ist es aber textlich genau dasselbe, einfach andere Musik. Und es ist doch erstaunlich, wie es doch als eigenständiges Album 'rüberkommt. Es ist ja kein Remix oder eine Coverversion, sondern es sind wirklich neue Songs geworden, die die gleiche Geschichte erzählen. Es ist nicht so ein dunkles Album wie das erste, es ist viel wärmer. Es nimmt Einen beim Hören in den Arm, während Dir der Text nach wie vor den Kopf wäscht. Es ist erstaunlich, wie neu sich das Ganze jetzt anhört, obwohl es eigentlich bereits 10 Jahre alt ist, zumindest der Text.
hitparade.ch: Wie bist Du auf diese Idee gekommen?
Thomas D: Ich bin darauf gekommen, weil ich das Soloalbum eines befreundeten Produzenten gehört habe, Alex Breuer. Das hat mich sehr inspiriert und ich dachte: "Wow, das ist geil, das ist wie beim Autofahren - Musik, die Bilder in Deinem Kopf entstehen lässt." Dann ist mir eingefallen, dass ich vor knapp 10 Jahren ja auch mal so etwas Ähnliches gemacht habe, denn das war auch so ein Film, der in meinem Kopf war. Und dann habe ich mich entschieden. Wie genau die Idee in mir hochkam, das weiss ich nicht mehr, aber ich dachte, dass ich das doch einfach nochmals machen könnte, ich meine: Hey, das habe ich noch nie gemacht! Ich hab mich mittlerweile aufklären lassen: So hat das bisher tatsächlich noch nie Jemand gemacht (lacht). Echt lustig! Für mich war es relativ wenig Arbeit, da ich die Texte ja schon hatte und die musikalische Umsetzung nicht so das Problem ist, zumindest nicht für mich. Es gab mehrere Produzenten, die mich da begleitet haben. Das floss einfach so dahin... Nur etwa zwei oder drei Songs mussten wir am Ende wieder umstellen, alle anderen Songs haben direkt so gepasst, wie wir es von Anfang an angesteuert hatten. Es war ein sehr entspannter Arbeitsfluss, ein richtig gutes Arbeiten. Das war geil.
hitparade.ch: Hast Du jetzt das Gefühl, dass, obwohl die Texte dieselben sind, die Songs nun etwas Neues aussagen, aufgrund der musikalischen Verpackung?
Thomas D: Ja, es hat tatsächlich Momente drin, wo auf einmal Hoffnung durchschimmert. Die war zuvor auch schon in diesem Text, aber sie kam nicht so durch. Wahrscheinlich durch die Dunkelheit der Musik, durch diesen düsteren Film, der durch Texte und Musik gemeinsam entstanden ist. Es schienen gewisse Zeilen und Momente nicht so richtig durch, die jetzt plötzlich mehr Strahlkraft bekommen und das Ganze wirkt insgesamt positiver, obwohl es eigentlich noch immer ein sehr dunkler Film ist, ein Flug durch die Nacht, bei dem wir das Licht des nächsten Tages nur vage am Horizont wahrnehmen können.
hitparade.ch: Wenn man das erste Album nicht kennt: Was empfiehlst Du? Sollte man es sich zuerst anhören? Oder lieber danach? Oder gar nicht?
Thomas D: Das ist eine gute Frage! Ich denke, ich würde jetzt erstmal mit dem neuen Album anfangen. Und dann kann man sich ja mal anhören, wie das denn früher geklungen hat, um den Vergleich zu machen. Jeder kann das natürlich so machen, wie er es will. Man muss es sich auch gar nicht anhören, ich zwinge Keinen dazu (lacht). Aber ich muss einfach sagen, dass das neue Album natürlich viel mehr mein momentanes, kreatives Schaffen widerspiegelt. Das alte Album ist halt 10 Jahre alt.
hitparade.ch: Diese Art von Remake ist ja einzigartig, wie Du gesagt hast. Gibt es Alben von anderen Künstlern, von denen Du Dir ein solches Remake wünschen würdest?
Thomas D: Das ist schwer zu beantworten. Hauptsächlich müsste man da im Rap-Bereich denken, weil der Rap melodieloser ist und eher ein rhythmisches Instrument in dieser Klangwelt darstellt. Sonst hängt die Melodie, die gesungen wird, meist ganz wesentlich mit dem Inhalt zusammen. Ich glaube, dann würde es ein komplett anderes Lied werden. Das ist zwar in meinem Fall auch so, aber mir war wichtig, den Inhalt nochmals zu erzählen, einfach in neuer Form. Und wenn ich dann an andere Songs von anderen Musikern, die hauptsächlich gesungen sind, denke, dann finde ich das Gesamtwerk, so wie es ist, eigentlich gut und würde das vielleicht nicht einmal sehen, wenn das neu daherkäme. Die einzige CD, die mir einfällt, ist von Marvin Gaye: "What's Going On?" - das ist eine der wunderschönsten Platten, die ich kenne - was Marvin in diesen Songs erzählt und worüber er spricht, das ist so grossartig, das höre ich immer wieder gerne. Auch von anderen Leuten, auch in anderen Songs, in anderer Form. Trotzdem würde ich dieses Album niemals ändern von ihm. Ich bin ja jetzt auch froh, dass es beide Alben gibt von mir. Ich würde nie sagen, das alte war scheisse, es gefällt mir nicht mehr, das ist nicht der Fall. Es ist einfach ein Remake. Wir hatten damals noch nicht die Mittel... Wir haben damals diesen schwarz-weissen, französischen Liebesfilm gedreht und der war toll, und jetzt haben wir aber Special Effects und Bruce Willis hat auch Zeit und jetzt machen wir einen Action-Kracher daraus (lacht). Es ist nicht der gleiche Film, er handelt nur von der gleichen Geschichte.
hitparade.ch: Auf Deinen Soloalben fährst Du eher eine ruhigere Schiene als jetzt beispielsweise mit den Fantastischen Vier. Bist Du ein nachdenklicher Mensch, der sich auf diese Weise ausdrückt?
Thomas D: Naja, nachdenklich hört sich jetzt so an, als wäre ich ein tierischer Grübler, der morgens aufwacht und sagt: "Oooh, ich hab so schwere Gedanken. Ich will nicht aus dem Bett gehen, denn es könnte ja sein, dass da draussen das Leben auf mich wartet!" (lacht). In meinen Songs mache ich mir sehr gerne Gedanken. Oder anders gesagt, wenn ich mir Gedanken mache, dann wandle ich die gerne zu Songs um und so teile ich die mit Anderen, mit Jedem, der's hören will. Aber es ist nicht so, dass ich ein verkopfter Typ bin. Ich lebe sehr aus dem Bauch heraus und versuche, im Moment zu leben, das macht mich glücklicher, als die ganzen Gedanken.
hitparade.ch: Du hast ja neben der Band schon immer auch Solosachen gemacht. Ist es einfacher, sich musikalisch auszutoben, wenn man alleine arbeitet?
Thomas D: Durchaus! Das würde ich bejahen! Das war auch der Grund, glaube ich, weil man sich musikalisch austoben wollte. In der Band hat man auf natürliche Weise festgestellt, dass da eine Grenze ist, nämlich die Meinung der anderen Drei. Wenn ich jetzt komme und sage: "Los, lasst uns einen Rocksong machen!", dann würde Andy sagen: "Wir machen Industrial-Rock!" Michi würde sagen: "Ja, lasst uns Glam-Rock machen!". Ich selber dachte dabei aber vielleicht an "Seattle-Rock" (lacht). Wie bringt man das dann zusammen? Das Schöne an diesen vier sehr unterschiedlichen Charakteren ist, dass, wenn wir es zusammenbringen, dann wird es zu einem Fanta4-Rock. Dann ist es ein ganz eigener Rock geworden. Wenn ich mich solo austobe, dann gehe ich vielleicht nach dem ersten Impuls und bin da sehr gradlinig, denn es hält mich ja Keiner auf. Wer weiss, vielleicht spricht die Mischung aus uns Vieren mehr Leute an, weil sie zumindest einen Viertel davon geil finden. Man kann es schwer mit Qualität beschreiben... Ob es eine höhere Qualität hat, weil es vielschichtiger ist, oder ob die Fantas vielleicht eher gradliniger sind, weil sie solche Ausbrecher nicht zulassen... Mittlerweile wissen wir es Alle sehr zu schätzen, dass wir so unterschiedlich sind und dass durch die einzelnen Einflüsse ein anderer Song herauskommt, als wenn ich ihn alleine machen würde. Das finde ich gut! Und wenn ich das nicht will, dann mache ich ihn alleine.
hitparade.ch: Das ist ja richtig praktisch...
Thomas D: Ja, das ist tatsächlich praktisch. Bei der letzten Platte auch! Da hatte ich soooo eine geile Idee gehabt, die kam überhaupt nicht an. Ich rief: "Das ist HAMMER!". Aber nein, es kam nicht an (lacht). Also hab ich mir die Idee aufgeschrieben, um sie dann für ein Soloalbum zu verwenden.
hitparade.ch: Ist daraus auch wirklich etwas geworden?
Thomas D: Ja, tatsächlich! Ein schöner Song, wie ich finde. Allerdings, wenn man sieht, wie sich mein letztes Album verkauft hat im Vergleich zu den Fantas, dann kann man auch sagen: "Vielleicht haben sie doch zurecht abgewählt, wer weiss!" (lacht). Nein, wahrscheinlich nicht. Musik zu beurteilen, ist sehr schwer, ich beneide auch Keinen da draussen. Wir Alle machen das und zwar sehr einfach: "Find ich gut, find ich scheisse!". Aber auch in die Songs, die ich scheisse finde, haben Menschen Zeit ihres Lebens investiert, vielleicht auch ihr Herzblut. Ich muss es mir nicht anhören, aber ich versuche zumindest, alles zu respektieren, was Andere schaffen.
hitparade.ch: Denkst Du, die Leute die Thomas D solo hören, sind die gleichen, die auch Fanta 4 hören?
Thomas D: Ich denke schon, dass da eine grosse Schnittmenge ist. Ich denke, die meisten, die Thomas D hören, sind den Fantas nicht abgeneigt. Und von denen, die die Fantas hören, gibt es Fans von Smudo, von Michi, von Andy und von Thomas, und da teilt es sich dann ein bisschen. Ich versuche ja mit meiner Musik auch Leute zu erreichen, die nicht Fanta4 hören. Ein paar sind sicher dabei. Aber es ist schwer, denn am Ende ist es halt auch deutschsprachige, rhythmische Musik. Und wenn man die gar nicht mag, dann kann man sicherlich auch mit meinen musikalischen Ausflügen nichts anfangen.
hitparade.ch: Hast Du von den anderen drei Jungs schon ein Feedback bekommen zum neuen Album?
Thomas D: Ja, wir haben es uns gemeinsam angehört und das war sehr spannend, vor allem, weil Andy beim Original massgebend daran beteiligt war. Der hat es produziert. Und diesmal nicht! Und da war ich sehr gespannt auf seine Meinung. Ich hatte auch ein bisschen Schiss, dass er jetzt eingeschnappt ist und denkt: "Och, wieso macht er das jetzt ohne mich?" War aber überhaupt nicht der Fall! Wir haben es im Tourbus zusammen gehört und es war auch für die anderen Fanta3 ein Erlebnis, sie fanden's gut. Wir haben uns die ganze Platte durchgehört, die zu diesem Zeitpunkt noch nicht ganz fertig war und es hat Keiner gesagt: "Jetzt mach' den Scheiss aus!" (lacht). Das passiert nämlich ganz schnell bei den Fantas.
hitparade.ch: Da wären sie also sehr ehrlich...
Thomas D: Jaja! Wir sind wahnsinnig ehrlich zueinander. Wir sind seit über 20 Jahren gemeinsam unterwegs, und was wir miteinander erlebt haben, das kann ich mit niemand Anderem teilen. Da ist mir die ehrliche Meinung auch wichtig, aber am Ende macht trotzdem Jeder, was er will.
hitparade.ch: Auf Deiner Website befindet sich ein Diskussionsforum für Deine Fans, in dem sie sich austauschen können. Beteiligst Du Dich aktiv an diesen Diskussionen?
Thomas D: Nein, eher nicht. Ich habe anfangs hie und da geschrieben, aber ich musste feststellen, man findet in Foren keine Wahrheit. Es ist immer eine kontroverse Diskussion und Du wirst immer wieder Jemanden finden, der, obwohl Du Dich selber ganz klar darstellst, sagen wird: "Neee, sehe ich nicht so!" Was ich für die Fans mache: ich sende! Ich drehe Filmchen, mache Podcasts, filme mich selber und stelle es auf meine Seite, vielleicht schreibe ich hie und da mal etwas oder twittere und gebe Interviews, so wie dieses hier. Aber ich werde dieses Interview wahrscheinlich nicht durchlesen...
hitparade.ch: Oooch neee, komm schon!
Thomas D: Naja (lacht). Es gibt zwei Möglichkeiten: Entweder Du schreibst, was ich erzählt habe, dann muss ich es nicht lesen, denn ich weiss ja selber bereits, was ich gesagt habe, oder aber Du schreibst etwas ganz Anderes, als ich gesagt habe, dann muss ich mich darüber aufregen (lacht). Daher bin ich einfach froh, dass ich es geben kann. Dann können die Leser das sehen und darüber diskutieren, in ihren Foren. Aber da selbst mitzumischen... Nein, da berichte ich dann doch lieber bereits über das nächste Thema, worüber die Fans sich dann unterhalten können.
hitparade.ch: Wenn wir gerade von Deiner Website sprechen... Du hast dort so viele Aktionen und Projekte am Laufen, dass man denken könnte, Dein Tag bestehe aus 48 Stunden... Schläfst Du nie?
Thomas D: (lacht) Das Gefühl habe ich tatsächlich zur Zeit, obwohl ich letzte Nacht elf Stunden geschlafen habe. Aber ich habe ein Privatleben, ich habe Familie. Und es ist nicht immer einfach, das unter einen Hut zu bringen. Das sind zwei ganz grosse Lieben meines Lebens: Die Musik und die Familie! Und die versuche ich natürlich, irgendwie nebeneinander und miteinander leben zu lassen. Es ist nicht immer einfach. Und Schlaf ist auch nicht viel da, das stimmt schon. Aber trotzdem: Ich mache das ja alles freiwillig und sehr, sehr gerne, also ist es mehr als nur ein Beruf. Es ist eine Berufung, es ist mein Auftrag. Ich habe die Möglichkeit bekommen, irgendwie ein bisschen etwas beizutragen zu einer, wie ich finde, lebenswerteren Welt. Das kann ich nicht lassen, das muss ich machen!
hitparade.ch: Du machst ja nicht "nur" Musik. Du bist ja beispielsweise sehr präsent und aktiv bei der Tierschutzorganisation PETA..
Thomas D: Aktiv ist ja relativ. Die fragen ab und zu, ob wir nicht wieder ein Bild machen könnten oder so, und dann sage ich eigentlich immer ja. Und das sieht dann immer so aus, als ob ich wahnsinnig aktiv wäre (lacht). Ich finde, aktiv sind Diejenigen, die jeden Tag in diesem Büro sitzen, Firmen auf den Sack gehen, anrufen und sich erkundigen, ob auch die Tiere ja anständig gehalten werden, sonst schicken sie denen den Tierarzt auf die Pelle, und die, die sich vor Hühnerfarmen stellen und protestieren und Geld sammeln, um die Hühner freizukaufen. Also, die Leute, die das jeden Tag mit Leib und Seele tun, die verdienen den Respekt. Ich nutze nur meine Popularität, um die Sache öffentlich zu fördern.
hitparade.ch: Du denkst, dass man durch die Popularität eine Vorbildfunktion hat, die man sinnvoll nutzen sollte?
Thomas D: Ja! Also, eigentlich muss ich mir gegenüber Rechenschaft abliefern können. Also, wenn ich jetzt schon beim Lieder-Schreiben daran denken würde, wie die Fans wohl darauf reagieren werden... Das geht nicht! Ich muss es mit mir vereinbaren und sagen können: Dahinter stehe ich, das vertrete ich und das muss ich auch leben können, auch privat. Die private und die öffentliche Person vermischen sich bei mir sehr. Ich bin zuhause nicht anders, als ich jetzt bin. Wenn ich es vor mir selbst rechtfertigen kann, dann kann ich es verantworten, dass es Andere hören. Wenn die das dann als Vorbild oder Inspiration nehmen wollen, sehr gerne. Aber es war zu Zeiten von "Die da" und dem ganzen Wahnsinn, als ich gedacht habe: "Oh mein Gott!" Zuerst wollten wir populär werden und Stars werden. Und als es dann passiert ist, so über Nacht, mit diesem Song "Die da", waren wir aber auf einmal nicht mehr "Die Fantastischen Vier", sondern wir waren "Die da". Wie kann man mich auf zwei Worte reduzieren (lacht). Nicht mal den Bandnamen kannten die Leute. "Seid ihr nicht Die da?" Aaargh! (lacht). Nein, ich bin Thomas D. Bin ich überhaupt Thomas D? Wer ist dieser Thomas D überhaupt? Soll ich das jetzt so machen, dass ich für die Bravo und für die ganzen Medien offziell Thomas D bin und zuhause bin ich Thomas Dürr? Und da habe ich gemerkt, dass das nicht funktioniert. Ich bin ich, und das war ich gestern auch. Und wenn Ihr jetzt denkt, ich müsste berühmt sein und Ihr müsstet alles mitkriegen, was ich mache, dann werde ich Euch genau das liefern, das ich bisher auch gemacht habe. Ich werde deswegen nicht mein Leben ändern oder anfangen, gewisse Dinge nicht zu erzählen und andere schon... Ausser, wenn's illegal wird (lacht). Ansonsten rede ich eigentlich über alles, was mich betrifft. Ich habe mich früh schon so entschieden. Wenn's Dir nicht gefällt, dann lies es nicht. Hör's Dir nicht an, mach etwas Anderes. Aber ich werde nicht anfangen, mich zu verändern, damit ich Jemandem da draussen gefalle oder damit ich mehr Erfolg habe. Nenene. Keine Strategie! Und wie sich bei den Fantas gezeigt hat, weil wir uns ja da entschieden haben, uns selbst zu bleiben und ehrlich zu sein, ist vielleicht genau das das Erfolgsrezept. Im Nachhinein wäre es wahrscheinlich unser Tod gewesen, "Die da" im Jahr 2002, 2003 oder 2011 zu machen. Das hätte wahrscheinlich Keiner mehr hören wollen. Damals wollte das die Plattenfirma natürlich. "Macht mehr davon!" hiess es immer. Wir haben dann erstmal die "4. Dimension" gemacht - Ein psychedelisches, tiefes und ganz anderes Album. Um uns als Band hinzustellen und zu sagen: Wir sind mehr als nur 2 Worte!
hitparade.ch: Du hast im Jahr 2004 die Tsunami-Katastrophe in Thailand hautnah miterlebt. Jetzt ist das in Japan passiert. Wie ist Dir das eingefahren? Hat dieses Erlebnis Dich oder auch Deine Musik verändert?
Thomas D: Es ist ein einschneidendes Erlebnis gewesen, auf jeden Fall! Es war eine Nahtoderfahrung und es ist ein Wunder, dass wir alle drei, also meine Frau, meine damals 1.5-jährige Tochter und ich, überlebt haben. Das war nicht normal. Sterben wäre viel wahrscheinlicher gewesen. Es hätte mir auch Keiner übel genommen, denn es sind 250`000 Leute gestorben, das war Wahnsinn! Das aber zu überleben... Als ich lange unter Wasser war, war keine Panik da. Da war ein Bruchteil einer Sekunde, der sich sehr, lange ausgedehnt hat, und ich dachte mir: "Pass auf, okay, sterben müssen wir Alle, machen wir uns nichts vor. Keiner weiss wann, das könnte jetzt sein. Aber da gibt es ein paar Dinge, die dagegen sprechen, finde ich. Ich glaube, ich bin noch nicht am Ende mit meiner Mission, die ich hier habe. Ausserdem bin ich Schwabe und habe bezahlt für diesen Urlaub (lacht). Ich zahle doch nicht für meinen eigenen Tod, was ist denn das für 'ne Rechnung? Zudem kann ich nicht einmal gut schwimmen. Und ich gehe ja nicht einmal gerne in den Urlaub, ich habe das nur für meine Frau gemacht, damit die auch mal Palmen sieht. Sie hat dort zum ersten Mal Palmen gesehen! Nenene. Also, wenn ich jetzt sterbe, was auch okay gewesen wäre, dann heisst das, dass das Alles eine zufällige Aneinanderreihung von Zufällen ist. Dieses ganze Leben macht überhaupt keinen Sinn, alles ist nur Zufall. Daran habe ich nie geglaubt. Ich glaube, es gibt eine Bestimmung oder einen vorbestimmten Weg, Deine Seele will etwas erleben auf dieser Welt, sie ist deshalb da. Es gibt einen Grund, warum wir jetzt hier gerade in dieser Situation sind, warum die Welt jetzt gerade so aussieht. Die Rettung aus dem Wahnsinn. Irgendeinen Sinn muss es haben, wenn es keinen Sinn macht, dann ist es einfach nur schlimm und vielleicht das Ende der Welt. Aber, wenn es einen Sinn macht, beispielsweise, dass wir umdenken, dass wir unser Leben verändern und die Welt wandeln, dann ist aber jetzt auch nicht mein Zeitpunkt gekommen, um zu sterben. Ich habe noch Einiges vor!
hitparade.ch: Dies alles hast Du unter Wasser überlegt?
Thomas D: Ja, im Bruchteil einer Sekunde! Es war ein ewiger Moment, wirklich. Und dann dachte ich mir: "Okay, da muss mehr kommen als ein Tsunami, um mich umzubringen!" Und dann kam so ein Moment, das ist sehr schwer zum Beschreiben... Es war eine Entscheidung, die nicht aus dem Ego kam, sondern eine Entscheidung, die jeden Teil meines Körpers, inklusive der Teile um mich herum, beeinflusst hat, und die war: Nein, ich tauche jetzt auf! Und tatsächlich bin ich aufgetaucht. Man kann es als Zufall werten, da hab ich Glück gehabt und wenn ich gestorben wäre, hätte ich mich mein Leben lang geirrt. So war es eine Bestätigung, um zu sagen: Ne, ich glaube umso mehr daran, dass es einen Weg gibt, den wir Alle noch erleben sollen. Zumindest Alle, die jetzt am Leben sind. Das war sehr einschneidend, und es verändert natürlich! Es verändert nicht alles, weil ich ja vorher schon daran geglaubt habe, aber es bestätigt nochmals den Grund, dass das alles hier einen Sinn macht in irgendeiner Form. Ich bin ja früh von meiner Frau getrennt worden, wir haben uns dann nach 4.5 Kilometern, nachdem wir ins Landesinnere gespült worden sind, wieder gefunden, und zwar 15 Meter voneinander entfernt. Und ich hatte meine Tochter die ganze Zeit mit ihrem Arm in meiner Hand. Da wir alle drei überlebt haben, habe ich kein Trauma aus dieser Geschichte mitgenommen, es war eher, trotz der Tragödie, ein heldenhaftes "Ja Mann, ich habe es geschafft!" Entweder hat Deine Tochter Dich gerettet oder Du sie, ist ja egal, jedenfalls habt Ihr's alle drei geschafft. Und als ich diese Katastrophe in Japan gesehen habe und Gott sei Dank kein Traumata hatte, das dann wiederkam, ging's eigentlich. Also, ich kann am Meer stehen, habe keine Angst vor Wasser und bin sogar überzeugt davon, dass ich in meinem Leben nicht mehr ertrinken werde, weil das hätte ich ja bereits haben können (lacht). Das scheint nicht der Plan zu sein. Obwohl, ich habe mich neulich auf Mallorca in meterhohe Wellen gestürzt und schnell gemerkt: Man soll es auch nicht herausfordern. Ein guter Schwimmer bin ich trotzdem nicht geworden. Die Katastrophe ist natürlich Wahnsinn. Wenn Du's in Bildern siehst - und wir haben natürlich viel mehr Filme und Bilder aus Japan gesehen, da waren mehr Kameras am Start als in Thailand - das macht so eine Katastrophe natürlich noch intensiver. Als ich drin war, da war es halt einfach, wie es war. Wahnsinnig viel Wasser überall und es spült Dich durch die Gegend, man kann nichts machen und hofft einfach, dass Dich kein Kühlschrank, ein Auto oder ein Baumstamm rammt und Dich umbringt und kuckst einfach irgendwie, dass Du oben bleibst. Aber wenn Du auf Bildern siehst, wie diese sanfte Gewalt so tödlich über die Häuser rollt, da gibt's so kein Entrinnen... Das ist fast schrecklicher.
hitparade.ch: Vielleicht am schrecklichsten, wenn man beide Seiten kennt...?
Thomas D: Ja, vielleicht. Wobei ich glaube, dass der Tod am wenigsten schrecklich ist für die, die sterben. Ich glaube im Augenblick des Todes verliert er seinen Schrecken, weil es dann unausweichlich ist. Aber die Vorstellung von uns Allen, "Oh mein Gott, Du bist da drin, stell Dir vor, Du würdest das erleben.."... Oder auch seine Liebsten zu verlieren! Das wäre das Schlimmste überhaupt. Zuzusehen... Wir hatten in Thailand auch solche Schicksale. Da hat mir jemand erzählt, dass er seine Verlobte nicht halten konnte und die dann vor seinen Augen ertrunken ist... Lauter solche Geschichten... Das willst Du Dir gar nicht vorstellen. Eine Frau, die drei Kinder hat und am Wegrennen ist und sich praktisch in diesem Moment entscheiden muss, welches ihrer Kinder sie auf den Arm nimmt, weil sie ja nicht alle tragen kann. Da willst Du gar nicht dran denken! Wenn es so ist, dann ist es so. Die Realität ist einfach da, man kann das Wasser nicht leugnen, wenn man mittendrin ist.
hitparade.ch: Wenden wir uns wieder fröhlicheren Themen zu, okay? Was sind Deine Pläne für das Jahr 2011?
Thomas D: Also, ich werde mit "Lektionen in Demut 11.0" ein paar kleine Konzerte geben, erst mal allerdings nur in Deutschland, leider. Fünf Konzerte sind geplant in sehr feinen Locations. Zweimal in einer Kirche! Ich habe versucht, die Plätze so zu wählen, dass ein gutes Ambiente und eine spezielle Atmosphäre vorhanden sind. Die Akustik wird wohl ein Abenteuer (lacht). Vielleicht verteile ich Kopfhörer, mal sehen! Und dann spielen wir sehr viel mit den Fantas! Wir sind an einigen Festivals zu hören, auch zweimal hier in der Schweiz. Einmal am 30. Juni am Open Air St. Gallen und einmal in Aarberg bei "Stars Of Sounds" am 3. Juni. Mit den Fantas geht so Einiges! Wir haben uns auch schon getroffen und über eine neue Platte gesprochen! Das ist schon mal erstaunlich, denn bei den letzten Platten hat immer mindestens Einer von uns gesagt, dass dies die letzte sein würde. Mittlerweile redet Gott sei Dank Keiner mehr davon, dass es die letzte Platte wird, wir reden nur darüber, wann denn die Platte gemacht werden soll und was genau wir vorhaben. Aber es wird noch eine Weile dauern. Ich denke, wenn wir nächstes Jahr anfangen, dann wird es sicher übernächstes Jahr, bis etwas Neues von uns kommt. Da wäre ja zwischendurch vielleicht Zeit für ein neues Thomas D-Solo-Ding (lacht). Aber dazu später!
Interview durchgeführt: Bettina Siegwart
Redaktion: Bettina Siegwart