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Interview mit Travis

Foto: Scarlet Page

Foto: Stefan Ruiz

Nach dreijähriger Abwesenheit veröffentlichen Travis ihr fünftes Studioalbum "The Boy With No Name". Wir haben Bassist Dougie Payne zu einem Interview getroffen.

hitparade.ch: In der Vergangenheit wart ihr bekannt als eine der besten und bekanntesten Brit Pop Bands - seht ihr euch immer noch als Band dieses Genres oder passt die Entwicklung dieses Genres einfach nicht mehr zu euren musikalischen Vorstellungen?
Dougie:: Interessante Frage. Brit Pop bedeutet in Europa etwas anderes als in Grossbritannien. Die Brit-Pop-Bewegung dauerte, soweit ich weiss, von 1993, mit der Veröffentlichung von "Part Life", bis 1996 oder vielleicht auch 1997. Wir haben unser erstes Album nicht vor 1997 herausgebracht. Wenn man es so nimmt, waren wir Brit-Pop Nachzügler. Brit-Pop verbindet man immer irgendwie mit Oasis, eben die typische Oasis Zeit. Als wir dann kamen und mit "The Man Who" Erfolg hatten, war das wirklich das Überbleibsel vom Brit Pop. Wir haben immer das gemacht, was wir wollten und haben uns nie wirklich falsch damit gefühlt.

hitparade.ch: Im Mai 2007 wird eurer fünftes Album "The Boy With No Name" veröffentlicht. Was habt ihr sonst in den vergangenen drei Jahren gemacht?
Dougie:: Die vergangenen drei Jahre waren grossartig. Während dieser Zeit haben wir die Entscheidung getroffen, eine Pause von der Musikindustrie, von dem ganzen Geschäft zu nehmen und wieder zurück zur Musik zu kommen. Wenn man mit einer Band anfängt, macht man zu 90% Musik und zu 10% redet man darüber und macht andere Sachen. Wenn du dann aber erfolgreich bist, dreht sich das Verhältnis und du machst nur noch zu 10% Musik und die anderen 90% sprichst du einfach nur darüber. Die Industrie ist eine unerbittliche Maschinerie. Also haben wir die Entscheidung getroffen, davon weg zu gehen und wieder zum Eigentlichen zurück zu kommen. Wieso wir eigentlich diese Band gegründet haben, warum es uns so zueinander hingezogen hat Musik zu machen. Wir wollten Musik machen, weil es etwas ist, was wir lieben. Und das fühlte sich fantastisch an. Seit November 2004, also seit 2 ½ Jahren, machen wir das nun schon so. Wir sind ins Studio gegangen, haben alles Mögliche gemacht. Dann war man eben ein paar Wochen intensiv am Aufnehmen. Danach haben wir wieder ein paar Monate für das Schreiben und Leben genutzt. Die Sachen eben, die dann in die Songs einfliessen. Babys, Hochzeiten, Haus, Arbeit, Freunde, eben alles Mögliche, worüber man dann schreiben kann. Das war aber auch etwas beängstigend. Man fragt sich, ob das überhaupt noch jemand hören will, nach so langer Zeit. Aber wir fühlen uns sehr gut mit der Platte und haben soviel positives Feedback bekommen von jedermann, dass die Platte so fantastisch und so selbstlos sei. Also haben wir schon das richtige gemacht. Als das Schreiben besser wurde und somit die Lieder auch besser wurden, die Perfomances und die Aufnahmen, alles hat sich richtig angefühlt. Diese Platte wird ihren eigenen Weg gehen, wir können da nichts erzwingen. Es sind keine Schwachstellen drauf, das muss man schon sagen.

hitparade.ch: Würdet ihr es somit das Comeback-Album nennen?
Dougie:: Man könnte es schon so nennen, da es solange gedauert hat. Aber es fühlt sich eigentlich nicht so an. Wir haben ja ständig daran gearbeitet. Wir können zwar eine Pause von dem Musikgeschäft nehmen, aber keine Pause vom in-der-Band-sein. Wir haben uns ja in der Zeit nicht getrennt, wir waren als Band zusammen. Aber ich kann schon verstehen, dass jedermann es als Comeback-Album sieht.

hitparade.ch: Eure erste neue Single wurde zuerst auf eurer Myspace-Seite veröffentlicht. Was für Erwartungen habt ihr damit?
Dougie:: Es ist schon lustig. Als wir 2003 bzw. 2004 "12 Memories" veröffentlichten, gab es kein myspace, kein youtube, nichts dergleichen. Jetzt hat sich das alles sehr verändert. Bei den Aufnahmen zu "The Invisible Band" waren wir die erste Band, die eine Kamera im Studio hatte. Es war zwar eine, die nur alle 20 Sekunden ein neues Bild angezeigt hat, aber immerhin. Jetzt hat sich aber mit myspace und dergleichen etwas ganz Faszinierendes entwickelt und natürlich wollten wir da auch mitmachen. Es ist einfach so, dass wir unseren Fans, die uns schon seit Jahren begleiten, einen kleinen Einblick ins neue Album geben können und gleichzeitig erhalten wir auch das entsprechende Feedback, was glücklicherweise sehr, sehr positiv ist. Wir haben jede Woche einen anderen Song reingestellt, insgesamt 8 von 12 Songs und die Reaktionen darauf waren überwältigend positiv. Es scheint so, als ob alle mehr als aufgeregt sind. Und wir werden diese Plattform somit auch weiterhin nutzen.

hitparade.ch: Das neue Album trägt den Namen "The Boy With No Name" - 1999 war es "The Man Who" - gibt es da eine Verbindung zwischen diesen beiden Alben und was ist der Hauptunterschied?
Dougie:: Es gibt eine Verbindung zwischen allen Alben. Es ist wie einen Schritt weitergehen. Bei "The boy with no name" entwickelte sich der Name daraus, dass Fran ein Bild verschickte von jemanden, von dem wir vielleicht 4 oder 5 Wochen lang nicht den Namen wussten. Und dieses Bild trug den Namen "boy with no name". Wir machten zwar alle im Studio viele Vorschläge für den Albumtitel, aber als Fran dann durch seine alten Emails schaute, kam uns dieser Titel wieder in den Sinn und der hat einfach gepasst. Und die ganzen Albentitel passen einfach alle zusammen, sie tragen alle die gleiche Travis-Ästhetik. Sie haben alle etwas anonymes, aber eben auch irgendetwas Mysteriöses.

hitparade.ch: Vor der Veröffentlichung eures vierten Albums "12 Memories" sagte Payne "it feels like falling in love again". Wie fühlt es sich denn bei eurem neuen Album an?
Dougie:: Diesmal war es eher wie "sich wieder finden, sich wieder treffen". "12 Memories" war ein Album, was wir aufgrund der ganzen Verrücktheiten und des ganzen Erfolgs einfach machen mussten. Wir waren kaum zu Hause, dann hat sich Neil verletzt usw. Es lief einfach alles so über ein paar Jahre. Und so entfernten wir uns irgendwie voneinander und um uns zu beweisen, dass wir noch als Band funktionieren können, mussten wir das Album "12 Memories" machen. Es war jedoch ein sehr schwieriges Album für die Leute, es ist ein düsteres Album, weil wir uns einfach auch so gefühlt haben, als ob wir an irgendeinem düsteren Ort sind. Es war also sozusagen wie eine Therapie für die Band, die Austreibung des ganzen Negativen. Und jetzt fühlt es sich einfach so an, dass wir optimistischer, viel positiver gegenüber vielen Dingen eingestellt sind. Es ist fast so, als ob wir endlich den Wald durchquert haben und nun eine riesige freie Fläche vor uns haben.

hitparade.ch: Eines eurer bekanntesten Videos ist das zum dem Lied "Sing". Wer hatte die Idee zu diesem lustigen und aussergewöhnlichen Videodreh?
Dougie:: Interessanterweise gibt es dafür zwei Regisseure, eine Ehepaar, Dayton und Faris. Die beiden haben auch für "Little Miss Sunshine" Regie geführt und dieser fantastische Film war ja auch für Oscars und Preise nominiert. Die beiden hatten die Idee einen "Food-Fight" zu zeigen und bedienten sich dann an Sachen aus Marx Brothers und Charlie Chaplin Filmen und eben auch von diesem klassischen Comedy Zeug. Es hat insgesamt drei Tage gedauert. Wir haben das Video zwar noch nicht gesehen, wissen aber, dass ein Special-Guest mitspielt.

hitparade.ch: Seit dem Terroranschlag 2001 seid ihr mehr in politischen und sozialen Projekten wie "Live-Aid-Konzert", "Band Aid 20" und Healy unterstützt die Aktion "Make Poverty History". Hat euch dieser Anschlag so sehr beeinflusst bzw. verändert?
Dougie:: Es hat einfach alles verändert. Bedauerlicherweise veränderte es auch das globale politische Klima. Jedem ist klar geworden, wie verletzlich man eigentlich ist. Aber was für eine Regierung ist das, die dies ausnutzt, um den Leuten noch mehr Angst einzujagen. Was aber interessant ist, dass jeder sagt, dass "12 Memories" ein verdammtes politisches Album sei. Es ist wirklich schon ein sehr persönliches Album, lyrisch und wahrscheinlich das persönlichste Album, was wir hätten machen können. Aber es gibt nur zwei, wirklich nur zwei von zwölf Songs, die sich mit der politischen Sicht auf die Dinge befasst, aber das ist auch nur eine persönliche Antwort auf die Weltprobleme. Diese Lieder sind über die heimische Gewalt, über Väter, über jeden Aspekt des Lebens, einfach über alles, womit jedermann konfrontiert wird. Wenn man bescheiden aufwächst und erzogen wird, ist es keine politische Entscheidung, gegen Ungerechtigkeit vorzugehen, sondern es ist eine ganz einfache menschliche Reaktion. Und so entstehen eben solche Sachen wie "Live Aid", "Band Aid 20" und "Make Poverty History" und das ist nicht unbedingt eine politische Sache.

hitparade.ch: Sind noch weitere soziale oder politische Projekte geplant?
Dougie:: Nein, erstmal nicht. Das grösste Problem ist im Moment wohl der Klimawandel auf der Welt. Wenn man das nicht in den Griff kriegt, wird es wohl auch keine anderen Probleme mehr geben.

hitparade.ch: Mittlerweile seid ihr ja nun schon seit einiger Zeit im Musik-Business. Besteht die Gefahr, dass neue Ideen auch mal ausbleiben?
Dougie:: Nein, das denken wir nicht. Die Ideen entstehen ja im alltäglichen Leben, einfach Sachen, die man durchlebt. Man überlegt sich nicht einfach irgendwelche Sachen, sondern tut irgendwas und denkt dann, dass man darüber schreiben könnte. Wenn man sein eigenes Leben weiterlebt, gehen die Ideen wohl nie aus. Wenn man natürlich irgendwo abgeschieden mit Butlers und Fahrern und dem ganzen Kram lebt, dann wird es natürlich eng, dann bleiben neue Ideen aus.

hitparade.ch: Viele beurteilen den Song "Why does it always rain on me" als euren grössten Erfolg - welcher ist in euren Augen der grösste Song und warum?
Dougie:: Einer von unseren Songs oder so ganz allgemein gesehen? Ah, von unseren. Also wir haben bereits einige neue Shows hinter uns. Letzte Woche erst vier in Grossbritannien und es ist wirklich irgendwie festgefahren. "Why Does It Always Rain On Me" ist ein sehr eigenartiger Song. Vor 8 oder 9 Jahren kam er raus und jetzt immer noch, wenn wir den spielen, er ist immer noch so kraftvoll, so ausdrucksvoll. Man merkt schon, dass die Leute sehr stark auf diesen Song reagieren. Aber wir wissen nicht, welches der beste Travis Song ist. Das ist für jeden verschieden. Aber es ist schon so, dass man bei diesem Song nicht müde wird, ihn zu spielen, weil man die Reaktion sieht, wie die Leute darauf reagieren. Es gibt sicher Lieder, die musikalisch und textlich besser sind, aber die Reaktion ist immer noch dieselbe und sieht auch so aus, als ob das so bleibt, er scheint nicht ermüdend für die Leute zu sein.
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hitparade.ch: Und welches ist der Song, den ihr am meisten liebt?
Dougie:: Es gibt da so einige auf der neuen Platte. Es sind wirklich Songs darauf, auf die wir sehr, sehr stolz sind. "Eyes Wide Open" ist zum Beispiel grossartig. "My Eyes" ist wohl der Song, der ein reiner Pop-Song ist, etwas, was wir noch nie gemacht haben. Wir haben, bevor wir dieses Lied aufgenommen haben, Abba gehört und versucht, diesen Pop Disco Sound hinzukriegen. Es ist gar nicht so einfach, richtigen guten Pop zu machen.

hitparade.ch: Was verbindet euch mit der Schweiz? Habt ihr irgendwelche persönlichen Erinnerungen an die Schweiz?
Dougie:: Wir waren mal auf einem Festival, an dem wir im August 2003 gespielt haben. Naja und Zürich ist ja auch für die weltbeste Lebensqualität ausgezeichnet worden, beste Stadt 2005 und 2006. Das ist sehr gut. Frannie und ich haben Zürich letzte Nacht mal etwas erkundet, grossartige Stadt. Wer weiss, vielleicht bleiben wir mal hier.

hitparade.ch: Am Ende bitten wir unsere Interviewpartner immer, die Top Ten der Schweizer Charts zu kommentieren. Lasst uns mit Platz 10 beginnen.

Dougie:: Gwen Stefani hat doch diesen sehr poppigen Song, sehr interessant.
"Summer Wine" - Ville Valo & Natalia Avelon - das ist doch der Sänger von HIM, ah, der macht ein Duett mit ihr.
Justin Timberlake - "What goes around" - das ist cool.
Mika - "Grace Kelly" - Der ist sehr interessant, der hat wenigstens eine Stimme. Ich glaube, er denkt, er ist Freddie Mercury, aber er ist es nicht!
Nelly Furtado - ihre Lieder sind sehr nett, dieser Song ist grossartig. Sie hat sich sehr verändert, von acoustic folk zu Hip-Hop mit "Man-eating".
Aber um ehrlich zu sein, wir beachten die Charts nicht wirklich, es sei denn, wir haben selber ein Album draussen.